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Arbeitsrecht

Für den Praxisablauf ist es ein Graus: Immer wieder meldet sich die Medizinische Fachangestellte Frau Meyer krank, oft nur für ein paar Tage. Doch die Fehlzeiten summieren sich und belasten das gesamte Team. Inzwischen planen die Kolleginnen weitgehend ohne sie, was nur bedingt funktioniert und auf die Stimmung drückt. So muss es nicht ewig weitergehen. Nimmt die Häufigkeit der Kurzzeitkrankmeldungen überhand, kann eine Kündigung in Betracht kommen. Entscheidend ist dabei eine negative Gesundheitsprognose, wie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 07.05.2024, Az. 5 Sa 56/23) zeigt.

In größeren Praxen greift das Kündigungsschutzgesetz

Eine krankheitsbedingte Kündigung kann trotz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) in Ordnung sein. Das KSchG greift bei Beschäftigten, die länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitenden arbeiten. In kleineren Praxen greift das KSchG hingegen nicht; hier gelten das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und soziale Rücksichtnahme. Das LAG-Urteil betraf einen größeren Betrieb. Ein Arbeitnehmer hatte nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit gegen seine Kündigung geklagt. Über vier Jahre hinweg hatte er durchschnittlich 40 Fehltage pro Jahr angesammelt, was zu Entgeltfortzahlungskosten von etwa zwei Monatsgehältern führte. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) blieb erfolglos, ein weiteres BEM lehnte der Arbeitnehmer ab. Das Gericht erklärte die Kündigung für sozial gerechtfertigt. 

Negative Gesundheitsprognose ist notwendig

Eine wesentliche Voraussetzung für eine solche Kündigung ist eine negative Gesundheitsprognose. Wenn ein Arbeitnehmer über zwei bis drei Jahre regelmäßig mehr als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig ist, können Arbeitgebende davon ausgehen, dass auch künftig mit Fehlzeiten zu rechnen ist. Der Arbeitnehmer kann dies widerlegen, indem er nachweist, dass die bisherigen Erkrankungen nicht chronisch waren. Der Arbeitgeber kann dem jedoch eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit entgegenhalten. Zudem müssen die Fehlzeiten so erheblich sein, dass sie die betriebliche Arbeit beeinträchtigen und eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.

BEM-Verfahren muss dem Mitarbeitenden offeriert werden

Bei der Interessenabwägung werden die Betriebszugehörigkeit, das Alter und die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt beachtet. Eine Kündigung muss stets das letzte Mittel (ultima ratio) nach anderen, milderen Mitteln sein. Wird kein BEM angeboten, wird dies vor Gericht zugunsten des Arbeitnehmers gewertet. Auch Fehler im BEM-Verfahren können zur Unwirksamkeit der Kündigung führen (vgl. ArbG Köln, Urteil vom 24.06.2021, Az. 10 Ca 7069/20). Rechtliche Beratung zum Einzelfall ist aber dringend zu empfehlen.

Gründlich dokumentieren und zuerst BEM anbieten

Erwägen Sie als Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung...... sollten Sie bei Bindung an das Kündigungsschutzgesetz unbedingt zuerst ein betriebliches Eingliederungsmanagement anbieten. Eine gütliche Einigung kann oft durch einen Aufhebungsvertrag erzielt werden. Scheitert dies, bleibt der Weg über das Gericht mithilfe eines Anwalts. Eine gründliche Dokumentation und Vorbereitung der Kündigung minimiert dabei die rechtlichen Risiken.