Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis
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Auf dem Papier ist die Sache klar: Laut dem AMA-Code of Medical Ethics sollen sich Ärztinnen und Ärzte nicht selbst behandeln, wenn sie krank sind. Auch bei Freunden und Familie sollten sie sich demnach zurückhalten. Soweit die Theorie. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Wie verhalten sich die Kolleginnen und Kollegen, wenn sie selbst Patienten werden? Werden sie von anderen Ärzten vielleicht sogar bevorzugt behandelt? Diesen und vielen weiteren Fragen ging Medscape in einer aktuellen Befragung nach, an der 1.037 Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland teilnahmen. ARZT & WIRTSCHAFT stellt Ihnen hier die interessantesten Ergebnisse vor:

Selbstbehandlung ist der Favorit

Allen ethischen Handlungsempfehlungen zum Trotz: 92 Prozent der Ärztinnen und Ärzte behandeln sich im Falle einer Erkrankung selbst. Nur acht Prozent wenden sich grundsätzlich an einen anderen Arzt.

Bei externer Hilfe lieber ein Bekannter

Gehen kranke Ärztinnen und Ärzte zu einem Kollegen, dann bevorzugen sie in den meisten Fällen eine vertraute Person. 24 Prozent gehen zu einem Freund, 14 Prozent zu einem Kollegen am Arbeitsplatz und sechs Prozent zu einem ehemaligen Kommilitonen. Einigkeit herrscht auch darüber, dass sie für die medizinische Behandlung selbstverständlich bezahlen. Eine Gratisbehandlung erwarten nur elf Prozent der Befragten.

Genfer Gelöbnis: auch die Gesundheit der Ärzte ist wichtig

Der hippokratische Eid wurde mittlerweile vom Genfer Gelöbnis abgelöst. Der Weltärztebund erschuf damit einen ethischen Verhaltenskodex für Ärztinnen und Ärzte, der aber nicht nur das Wohlergehen der Patienten im Blick hat. Vor acht Jahren wurde auch eine Passage eingebaut, die die Bedeutsamkeit der persönlichen Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten betont. Sie lautet: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“ Denn nur wer selbst gesund ist, kann auch anderen helfen.

Geteilte Meinung, ob Ärzte bevorzugt behandelt werden

Bei der Frage, ob sie von den Kollegen besser als medizinische Laien behandelt werden, ist die Meinung geteilt. Die eine Hälfte fühlt sich besser behandelt, die andere bemerkt keinen Unterschied. Auch wurden 68 Prozent der Umfrageteilnehmer bisher noch keine Therapievorschläge angeboten, die aufwendiger oder unüblicher als der Standard waren. 17 Prozent sagen dagegen, dass ihnen Therapien vorgeschlagen wurden, die medizinische Laien nicht bekommen hätten. Darunter fielen vor allem aufwendigere und teurere Therapien (64 %), neuere medizinische Methoden (53 %), andere Medikamente als üblich (37 %) und experimentelle Behandlungen (16 %).

Ärzte erhalten schneller einen Termin

Die meisten Ärztinnen und Ärzte (59 %) machen die Erfahrung, dass sie schneller als andere Patienten einen Termin in der Arztpraxis erhalten und ihre Untersuchungen auch besser vorbereitet sind. 32 Prozent der Befragten können das nicht bestätigen.

Arztsein schützt nicht vor Angst in der Klinik

Ein Schwerpunkt der Umfrage lag auch auf dem Themenfeld Klinikaufenthalt. 55 Prozent der Umfrageteilnehmer waren bereits als Patient im Krankenhaus gewesen. Jeder Zweite von ihnen schätzt sich selbst als eher misstrauisch gegenüber stationären Behandlungen ein. 47 Prozent glauben, dass gerade das Fachwissen Misstrauen und Ängste verstärkt, während 25 Prozent hier keinen Zusammenhang sehen und 29 Prozent sogar den gegenteiligen Effekt an sich beobachten und sich durch ihre medizinische Kompetenz ruhiger fühlen.

Ärzte fragen bei ihren Ärzten mehr nach

Dass sie etwas anstrengender sind als Standardpatienten, weil sie mehr Fragen stellen, glauben 57 Prozent der Befragten. Besonders bei der Pharmakotherapie und den möglichen Arzneimittelrisiken fallen ihnen viele Nachfragen ein. 66 Prozent haben sogar die Therapieentscheidung ihres Arztes schon einmal in Frage gestellt. Ein Arzt fasste es so zusammen: „Bei Therapieentscheidungen diskutiere ich sicherlich mehr als normale Patienten mit dem behandelnden Arzt.“

Eigene Erkrankung bewirkt mehr Empathie gegenüber Patienten

Eine Frage zielte darauf ab, wie sich die Krankheitserfahrung von Ärzten auf ihre Empathie gegenüber Patienten auswirkt. 64 Prozent bemerkten an sich tatsächlich eine Veränderung nach einer eigenen Erkrankung oder Diagnose und spüren mehr Empathie gegenüber ihren Patienten.

Eigene Erkrankung schadet nicht der Karriere

Und wie wirkt sich eine Erkrankung auf die eigene berufliche Karriere aus? Die meisten Umfrageteilnehmer gaben hier Entwarnung, da sie keine negativen Effekte auf ihre Arztkarriere verspürten. Ein geringerer Teil (14 %) kürzte jedoch die Arbeitszeit oder spürte, dass sich insgesamt die Arbeitsleistung verringert hatte (13 %).

ARZT & WIRTSCHAFT-Umfrage: Was sind Ihre Erfahrungen als Patient?

Als Patient erhalte ich keine Extrabehandlung
Im Vergleich zu anderen Patienten erhalte ich keine bessere ärztliche Behandlung. Müsste ich ins Krankenhaus, wäre ich auch bestimmt nicht misstrauischer. Allerdings muss ich nicht so lange auf einen Arzttermin warten, da ich mich von Kollegen behandeln lasse, die ich kenne. Wobei ich als erstes immer versuche, mich selbst zu behandeln.
Dr. med. Stanislaw Nawka, Hausarzt aus Hamburg

Zu anderen Kollegen gehe ich nicht – außer zum Zahnarzt
Bis auf die Zähne behandle ich mich selbst oder wende mich an meine Tochter, die Internistin und Kardiologin ist. Ich habe das Glück, dass ich im Alter von 74 Jahren noch in der Praxis tätig und nicht krank bin. Wenn ich zu einem Kollegen gehe, erhalte ich zeitnah einen Termin, da ich privat versichert bin. In über 40 Jahren als Arzt hat sich allerdings geändert, dass es mittlerweile keinen Kollegenrabatt mehr gibt und mir wie jedem Patienten eine Rechnung ausgestellt wird.
Dr. med. Peter Göhring, Hausarzt aus Althengstett

Wenn ich krank bin, behandle ich mich immer selbst
Ich gehe nur zum Zahnarzt, sonst behandle ich mich selbst. Einmal habe ich mir zu meiner Einschätzung noch die Zweitmeinung eines Orthopäden eingeholt. Dass ich den Termin sehr schnell bekommen habe, könnte daran liegen, dass ich mich als Arzt zu erkennen gegeben habe. Es könnte aber auch sein, dass der Termin durch meine Anfrage nach der Sprechstunde für privat Versicherte so schnell zustande kam.
Dr. med. Joachim Lohmann, Hausarzt aus Bodnegg

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