Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Als „Low Performer“ werden Mitarbeiter bezeichnet, die deutlich weniger leisten, als sie sollten. „Minderleister“ heißt es wenig respektvoll im Deutschen. Mit simpler Motivation kommen Praxis­chefs hier nicht weiter. Sie können vielmehr fragen: Warum ist das so? Kann oder will der Mitarbeiter die Erwartungen nicht erfüllen? In einem Kritikgespräch müssen die Hintergründe geklärt und Lösungen gefunden werden. Manchmal ist es hilfreich, die Arbeitsaufgaben neu zu verteilen. Manchmal ist aber auch eine Weiterbildung oder ein neues Arbeitsfeld das Mittel der Wahl. Und ab und an ist eine Kündigung für beide Seiten der richtige Weg.

Ein Beispiel aus der Praxis: Katja S. ist seit drei Monaten neu im Team. „Ich dachte, sie sei ein Glücksfall für uns“, sagt Praxisinhaberin Dr. med. Sonja F. „Sie ist eine ausgebildete MFA. Sie kann viele Weiterbildungen nachweisen und machte im Vorstellungsgespräch einen interessierten und kompetenten Eindruck. Doch dieser Eindruck täuschte.“

Tatsächlich ist Katja S. eine typische Arbeitsbremse. Überstunden? Da winkt sie ab. „Ich habe ja auch noch meine Hobbys!“ Hausbesuche im Altenheim? „Das ist nichts für mich.“ Einspringen für Kollegen? „Auf keinen Fall! Ich brauche Planungssicherheit.“ Auch die Patienten murren, beklagen ihren barschen Tonfall.

Dr. med. Sonja F. muss sich eingestehen: Sie hat sich offensichtlich eine Low Performerin ins Team geholt. Und das muss sich schleunigst ändern, denn Katjas schlechte Leistungen färben sich negativ auf den gesamten Praxiserfolg ab. Patienten wandern ab, Teammitglieder beklagen sich darüber, mehr Arbeit übernehmen zu müssen.

Den Low Performer entdecken

Den ersten Schritt hat Dr. med. Sonja F. bereits getan: Sie nimmt die Beschwerden der Patienten und anderen Mitarbeiter ernst und nimmt wahr, dass die Arbeitsleistung der neuen MFA schwach ist.

In jedem Arbeitsvertrag werden Leistungen und das dafür zu erwartende Gehalt festgeschrieben. Wer weniger leistet als vereinbart oder wer – wie Katja – weniger leistet als Kollegen, erfüllt seine übernommene Pflicht nicht. Da die anderen Teammitglieder unter den gleichen Bedingungen eine qualitativ hochwertigere Leistung erbringen, kann die Praxischefin den Faktor „Arbeitsumgebung“ ausschließen. Daraus leiten sich drei Fragen ab:

  • Will Katja ihre Aufgaben erledigen?
  • Kann sie ihre Aufgaben erledigen?
  • Darf sie ihre Aufgaben so erledigen, wie sie das tut?

Die Praxischefin sollte jetzt zügig das Gespräch mit der neuen Mitarbeiterin suchen und klären, warum sie weniger leistet, als sie soll. Es steht also ein Kritikgespräch an.

Gut vorbereitet ins Kritikgespräch

Kritiksituationen positiv zu bearbeiten, bedeutet, die Verantwortung für eine Lösung selber zu übernehmen. Vorgesetzte können Kritikgespräche bewusst gestalten und aktiv beeinflussen. Es geht darum, die Kritik sachlich zu thematisieren, die eigenen Standpunkte und Gefühle darzulegen, die erwünschte Veränderung im Verhalten des Mitarbeiters zu verdeutlichen und die Konsequenzen darzustellen. Gelingt all das, ist die Hoffnung auf eine konstruktive Lösung durchaus berechtigt. Ein Kritikgespräch ist immer ein Dialog und muss daher die Bedürfnisse aller Gesprächspartner berücksichtigen.

Das BAFE-Modell (siehe auch Grafik unten) ist eine praktische Methode zur Kritikbearbeitung. Der Vorgesetzte bearbeitet dabei die Kritiksituation, indem er die Meinungen und Persönlichkeit der beteiligten Person berücksichtigt, die Initiative ergreift, um eine geeignete Lösung zu finden, und die positiven Verhaltensänderungen des anderen belohnt. Das Akronym BAFE hat folgende Inhalte:

1) Beschreiben: Welche Verhaltensweisen des anderen stören genau?
2) Ausdrücken: Wie kann die Vorgesetzte ihre Gefühle über die Verhaltensweisen des anderen am besten ausdrücken?
3) Fokussieren: Wie soll der andere sein Verhalten ändern?
4) Ergebnis: Wie wird der andere belohnt, falls er sein Verhalten positiv ändert?

Grafik BAFE-Modell

Grafik: trueffelpix – stock.adobe.com

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Planung und Vorbereitung des Gesprächs. Wer das BAFE-Modell anwendet, muss in aller Ruhe und im Detail Überlegungen zu den obigen Punkten anstellen und sich dabei auch Gedanken über die möglichen Reaktionen der anderen Personen darauf machen. Eine gute Checkliste hilft hier weiter.

Jedes Kritikgespräch hat selbst kritische Situationen. Das beginnt schon damit, dass nicht jeder Kritisierte sofort und ausschließlich positiv auf die Bitte zur Verhaltensänderung reagiert. So weicht der eine der Diskussion aus, lenkt durch Fragen oder irrelevante Bemerkungen ab oder bestreitet ganz einfach den kompletten Sachverhalt. Wer sich kritisiert fühlt, kann versuchen zu verhandeln, anderen die Schuld geben oder er greift den Kritiker persönlich an, indem er spöttische und ironische Bemerkungen macht.

Eine häufige Variante ist es auch, den unschuldig verfolgten Märtyrer zu spielen und übertriebene Entschuldigungen zu finden. Im schlimmsten Fall werden sogar Drohungen ausgesprochen, die Verhaltensänderung wird erst mal aufgeschoben oder ganz und gar verweigert. Mag mancher bei der Arbeit ein Low Performer sein, bei einem Kritikgespräch kann er dann doch sehr leidenschaftlich werden.

Neben der guten Vorbereitung sind folgende Regeln zu beachten

  • Beharren auf dem Ziel: Die erwünschte Verhaltensänderung immer wieder spezifizieren.
  • Nicht übereinstimmen: Direkt sagen: „Ich bin nicht einverstanden.“
  • Betonung eigener Gefühle und Gedanken: Die eigenen Gefühle und die Wichtigkeit der Sache verstärkt ausdrücken.
  • Verständnis … aber: Verständnis für die Gefühle und Meinungen des anderen ausdrücken, jedoch eigene Gefühle und Meinungen verteidigen.
  • Ignorieren: Die Reaktion des anderen nicht beachten.
  • Nochmals erklären: Eigenes Verhalten von anderen nicht negativ interpretieren lassen. Erklären Sie es mit positiven Worten nochmals.
  • Schnell antworten: Fragen rasch und kurz beantworten und zum eigenen Ziel zurückkehren.
  • Fragen: Anstatt eine vage Kritik zu akzeptieren, eine Klarstellung verlangen.
  • Konsequenzen erläutern: Bei wiederholt unkooperativem Verhalten der anderen Person mögliche Folgen erläutern.

Zurück zum Beispiel: Dr. Sonja F.s Vorbereitung zahlt sich aus. Es gelingt ihr, das Gespräch in einem ruhigen Rahmen sachlich und zugewandt zu führen, denn sie hat bei der Terminvereinbarung offen gesagt, dass sie mit Katja über deren Arbeitsleistung sprechen möchte. Eine Ankündigung, die Katja tatsächlich blass werden ließ, die sie aber nickend zur Kenntnis nahm.

Tatsächlich stellt sich im Gespräch dann heraus, dass Katjas viele Weiterbildungen nicht allein ihrem beruflichen Interesse galten, sondern dass sie geradezu verzweifelt auf der Suche danach ist, jene Arbeitsstelle zu finden, die „ihr wirklich Spaß macht“, wie sie sagt. „Ich fühle mich in dieser Praxis eigentlich auch schon wieder überfordert“, gibt sie zu. „Die Hausbesuche ängstigen mich und im Pflegeheim fühle ich mich furchtbar unwohl, weil ich da schon die ein oder andere schwierige Situation erlebt habe, bei der ich ganz allein war.“

Gemeinsam kommen Dr. F. und Katja zu dem Schluss, dass sie zunächst versuchen wollen, für Katjas Schwierigkeiten eine tragfähige Lösung zu finden. In ihrer Vereinbarung legen sie fest, dass die MFA zunächst keine Hausbesuche mehr macht. Dr. F. schlägt vor, dass Katja überdies eine therapeutische Aufarbeitung ihrer negativen Erfahrungen anstrebt.

Das offene Gespräch führt bei Katja zu einer deutlichen Erleichterung. „Ich habe schon dreimal die Stelle gewechselt, weil ich es in den Praxen einfach nicht ausgehalten habe“, erklärt sie im Gespräch mit der Praxischefin. Zudem war ihr immer schnell klar, dass die Kollegen unzufrieden waren und die Patienten auch. „Die Weiterbildungen haben mir immer eine Atempause verschafft, aber ich habe nie darüber gesprochen, dass es oft meine Angst ist, die mich an der Arbeit hindert.“

Praxischefin Sonja F. und Katja S. haben also eine klare Vereinbarung und die MFA bekommt eine Zwei-Monats-Frist gesetzt. Sollte es dann immer noch so viele Schwierigkeiten geben, skizziert Dr. F. ein mögliches Ausstiegsszenario: die Kündigung.

Letzter Ausweg — die Kündigung

Einem Low Performer zu kündigen, ist grundsätzlich möglich. Es gibt eine Reihe von Urteilen des Bundesarbeitsgerichts, bei denen Arbeitgeber mit einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung erfolgreich waren. Die Voraussetzung ist allerdings, dass dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann (verhaltensbedingte Kündigung) bzw. seine Leistung über einen längeren Zeitraum wesentlich schwächer ist als die seiner Kollegen (personenbedingte Kündigung).

Neue Kraft für Low Performer

So eine Kündigung ist allerdings der letzte Ausweg. Denn Low Performer sind nicht allesamt arbeitsunwillige Mitarbeiter, die nichts anderes im Sinn haben, als für möglichst wenig Leistung möglichst viel Gehalt zu ergattern. Manchmal stimmen einfach Aufgaben und Mitarbeiter nicht überein. Manchmal wird zu wenig Zeit darauf verwendet, einen neuen Mitarbeiter wirklich gut zu integrieren. Wo auch immer Low Performing auftritt, sind Führungskräfte gefordert, genau hinzusehen. Ob es nun private Probleme sind, die einen Mitarbeiter nicht die volle Leistung abrufen lassen, oder gesundheitliche Probleme, die aus Angst vor negativen Konsequenzen verschwiegen werden. Low Performing ist kein neumodischer Begriff für „faule Tomate“, sondern der Name eines Phänomens, hinter dem große Nöte stecken können. Im Falle von Katja S. steht eine Angststörung hinter der Low Performance. Erst als diese Ursache in einem ruhigen Rahmen ausgesprochen werden konnte, war eine Lösung wirklich in Sicht. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sind Führungskräfte gut beraten, hoch qualifizierte Mitarbeiter so zu führen, dass sie das Optimum bringen können, ohne überfordert zu werden.

Grafik Kritikgespraech

Grafik: trueffelpix – stock.adobe.com

Autor: Thomas Eckhardt, Diplom-Psychologe