Eigene Praxis: Mit wem verhandle ich mein Arztgehalt?
André BernertPraxis-Experte André Bernert gibt in einer fünfteiligen Ratgeberserie wichtige Tipps zum Thema Praxisfinanzen. Im ersten Teil geht es um das „Gehalt“ des Praxisinhabers und die Frage, warum viele Praxisinhaber dessen Höhe nicht kennen.
Im Gegensatz zu angestellten Ärzten, die in Krankenhäusern, Kliniken oder anderen medizinischen Einrichtungen arbeiten, haben Sie als Praxisinhaber*in eigentlich die volle Kontrolle über Ihr Gehalt (mit den Einschränkungen durch den Versorgungsauftrag, aber grundsätzlich ist das so). Allerdings ist es wichtig, hierbei auch alle Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören Fragen wie: Wie hoch sind die Einnahmen, wie hoch die Praxiskosten und wie hoch sind die Steuern, die das Finanzamt fordert? Tatsächlich fällt das vielen Ärzten und Ärztinnen sehr schwer.
Wer bestimmt das Gehalt des Praxisinhabers?
Trotzdem: Die Höhe Ihres Gehalts bestimmen Sie selbst, Punkt. Eigentlich könnte ich an dieser Stelle den Artikel beenden, weil alles gesagt ist. Doch so trivial ist es dann doch nicht. Je höher Ihr Praxisumsatz und je geringer Ihre Praxiskosten, desto mehr Gewinn haben Sie. Je höher wiederum Ihr Gewinn ist, desto höher sind auch Ihre Steuern, die Sie an das Finanzamt abführen müssen. Auch das wirkt sich auf Ihr Gehalt aus.
Wenn jeder Monat gleich aussehen würde, könnte man anhand dieser Angaben trotzdem schon das exakte „Gehalt“, also das Geld, welches Sie für Ihren Lebensunterhalt und Freizeitaktivitäten zur Verfügung haben, definieren. Durch Feiertage, Urlaube, Krankheit und sonstiger Variabilität, wie zum Beispiel der GKV- und PKV-Scheinzahl, sieht jeder Monat jedoch anders aus. Also müssten Sie jeden Monat Ihr Gehalt neu ermitteln.
Allerdings ginge das nur nachträglich, weil Sie erst einmal sehen müssten, was tatsächlich am Ende übrigbleibt. Doch auch das geht nicht, weil die KV Ihnen ja lediglich einen Abschlag und erst nach mehreren Monaten die sogenannte Restzahlung zahlt. Beim Privatumsatz hängt es wiederum davon ab, wann Sie die Rechnungen stellen und wann diese bezahlt werden. Und dann gibt es auch noch Kosten, die nur einmal pro Jahr oder quartalsweise (Versicherungen etc.) anfallen. Auch das verändert wieder alles. Sehen Sie, das meine ich mit komplex.
Diskrepanz auch innerhalb von Fachgruppen
Welche Höhe ist also angemessen und realistisch? Nun, es gibt niedergelassene Orthopäden, die 160.000 € verdienen und welche, die mit mehr als 360.000 € nach Hause gehen. Ähnliches gilt natürlich auch für Gynäkologen, Internisten und auch anderen Fachgruppen. Selbstverständlich sind auch Gewinne von über einer halben Million und mehr dabei.
Deshalb: Um erst einmal ein Gespür dafür zu bekommen, was realistisch ist, sind Vergleiche mit fachgleichen Praxen hilfreich.
Allerdings ist auch der zweite Blick wichtig, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Schauen Sie sich beim Vergleichen unbedingt an, ob bei Ihnen die gleichen Bedingungen herrschen. Beachten Sie beispielsweise, dass die zur Verfügung stehenden Arzt- und Personalstunden entscheidende Kriterien sowohl auf der Umsatz- als auch auf der Kostenseite darstellen. Arbeit ein Kollege oder eine Kollegin deutlich mehr als Sie, dann ist es auch wahrscheinlich, dass er oder sie mehr verdient.
Wie viel Geld wollen Sie verdienen?
Um das Gehalt zu ermitteln, das zu Ihnen und Ihrer Praxis passt, ist aber eine ganz andere Frage von großer Bedeutung: Ihr Mindset.
Als Praxisberater habe ich ein Ziel. Ich möchte Ärzten und Ärztinnen helfen, ihre Praxis selbstbestimmt führen können. Deshalb drehe ich die Perspektive bei meinen Kunden um und stelle folgende Frage: Wie viel Geld wollen Sie denn verdienen? Nur wenige haben sofort eine Antwort parat. Vielen fällt es schwer, einen Betrag zu nennen und schauen mich dann fragend an.
Wenn Sie auf diese Frage ebenfalls keine exakte Antwort haben, dann lesen Sie unbedingt den zweiten Teil der Serie „Praxisfinanzen“ (ET: 2.12:2023). In diesem zeige ich Ihnen, wie Sie an die Antwort kommen und warum diese so wichtig ist. Spoiler: Einfach nur mehr und härter arbeiten ist sicherlich nicht die Lösung…
PS: Bleiben Sie patientenorientiert und lassen Sie sich dabei helfen, wo Ihre Praxis es braucht (Ihre Patienten tun das ja auch)