Prostatakrebs: Rektale Untersuchung scheint keinen Vorteil zu bieten
Constanze PolenzEine Metaanalyse von Urologen der Universitätsklinik Wien stellt den Nutzen der rektalen Tastuntersuchung zur Früherkennung von Prostatakarzinomen in Frage.
2020 sind in Deutschland rund 65.820 Männer neu an einem Prostatakarzinom erkrankt. An Prostatakrebs gestorben sind im selben Jahr 15.403 Männer. Prostatakrebs ist die häufigste bösartige Erkrankung beim Mann. Im Frühstadium verläuft sie meist ohne Symptome und selbst im fortgeschrittenen Stadium sind die Beschwerden häufig unspezifisch. Deshalb sind die Vorsorgeuntersuchungen so wichtig. Denn je früher man Prostatakrebs erkennt und behandelt, desto besser die Prognose.
Rektale Tastuntersuchung ist Standard
Das herkömmliche Vorgehen bei der Prostatakrebsvorsorge besteht aus einer Untersuchung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane. Mithilfe der rektalen Tastuntersuchung - Leistung der gesetzlichen Kranbkenkassen - beurteilt der Arzt die Prostata auf Veränderungen. Den PSA-Test, bei dem das Prostata-spezifische Antigen im Blut gemessen wird, müssen Patienten selbst bezahlen. Die ERSPC-Studie hat gezeigt, dass die Verwendung von PSA-Tests zu einem Rückgang der krebsspezifischen Sterblichkeit geführt hat. Deshalb werde der Test häufig zusammen mit der rektalen Untersuchung angewandt.
Shahrokh F. Shariat, Leiter der Klinik für Urologie der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien) sowie dem Comprehensive Cancer Center und sein Team haben in einer Metaanalyse die Wirksamkeit von gängigen Prostatavorsorgemethoden untersucht. Die Ergebnisse hat das Fachjournal „European Urology Oncology“ publiziert.
Wissenschaftler untersuchen Daten aus acht Studien
Die Forschenden analysierten acht Studien mit insgesamt 85.738 Teilnehmern. Fünf der Studien waren prospektive, diagnostische Studien, drei waren randomisierte, kontrollierte Studien. Primäre Endpunkte der Metaanalyse waren der positive Vorhersagewert und die Krebserkennungsrate durch die rektale Tastuntersuchung. Zu den sekundären Endpunkten gehörte der positive Vorhersagewert und die Krebserkennungsrate entweder durch den PSA-Test allein oder PSA-Test und Tastuntersuchung gemeinsam.
Laut der Studienautoren deuten die Ergebnisse der Metaanalyse darauf hin, dass die rektale Tastuntersuchung allein oder auch zusammen mit einem PSA-Test keinen signifikanten Vorteil bei der Früherkennung von Prostatakrebs im Vergleich zum PSA-Test allein haben könnte. Die Krebserkennungsrate war vor allem dann niedriger als die des PSA-Tests, wenn ausschließlich eine rektale Tastuntersuchung stattfand.
Tastuntersuchung möglicherweise nicht nötig
„Die Aussagekraft der rektalen Untersuchung bei der Erkennung von Prostatakrebs ist nicht besonders beeindruckend, was darauf hindeutet, dass es möglicherweise nicht notwendig ist, diese Untersuchung routinemäßig als Teil eines Screenings durchzuführen, wenn keine klinischen Symptome und Anzeichen vorliegen“, resümiert Shahrokh Shariat. Viele Männer kämen wegen der unangenehmen Tastuntersuchung nicht zur Vorsorge. Er und seine Kollegen erhoffen sich, „dass mit der Abschaffung dieser Barriere mehr Männer zur Prostatakarzinom-Vorsorge gehen.“
Quelle:https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Prostatakrebs/prostatakrebs_node.html;
https://euoncology.europeanurology.com/article/S2588-9311(23)00292-4/fulltext;