Stiftung Kindergesundheit warnt vor Honigkonsum im Säuglingsalter
Dr. Melanie SöchtigIn der Volksmedizin gilt Honig als potentes Heilmittel. Doch vor allem für Babys unter einem Jahr kann der Verzehr des beliebten Naturprodukts tödlich enden.
Schon vor langer Zeit haben die Ärzte in Ägypten, Griechenland und Rom auf die heilende Kraft von Honig gesetzt. Noch heute gehört eine warme Milch mit Honig zu den beliebtesten Hausmitteln, wenn Kinder unter Halsschmerzen oder Husten leiden.
Doch was bei älteren Kindern einen erholsamen Schlaf und die Genesung fördern kann, bringt Babys im ersten Lebensjahr unter Umständen in Lebensgefahr. Darauf verweist die Stiftung Kindergesundheit in einem aktuellen Newsletter.
Warum Honig für Kinder zum Gift werden kann
Der Grund für die Warnung: Als Naturprodukt mit variierender Zusammensetzung kann Honig auch Sporen des hochgefährlichen Bakteriums Clostridium botulinum enthalten. Wenn Kinder vor ihrem ersten Geburtstag derart verunreinigten Honig konsumieren, besteht die Möglichkeit, dass sich das Bakterium im Darm ansiedelt, dort auskeimt und das Nervengift Botulinumtoxin produziert. Eine Botulinumvergiftung kann bei Säuglingen und Kleinkindern zu Atemlähmungen und im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen.
Die Hintergründe hierzu erklärte Prof. Berthold Koletzko, Stoffwechselspezialist der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit, wie folgt: „Im Magen-Darm-Trakt gesunder Kinder und Erwachsener leben rund 100 Billionen Bakterien. Diese so genannte Darmflora bildet das größte Immunsystem im Organismus, das als Zentralorgan der Gesundheit über unser Wohl wacht. Die Darmflora eines Babys und auch die Immunabwehr sind jedoch in den ersten Lebensmonaten noch nicht vollständig entwickelt. Säuglinge und Kinder im ersten Lebensjahr sollten ebenso wie auch erwachsene Personen mit einem geschwächtem Immunsystem auf den Verzehr von naturreinem Honig verzichten“.
Trinkschwäche bei Säuglingen als Symptom einer Botulinumvergiftung
Beim sogenannten Säuglingsbotulismus beträgt die Inkubationszeit ungefähr zehn Tage. Erste Anzeichen können eine Trinkschwäche, Schluck- und Sprachstörungen, eine Verstopfung oder eine Muskelschwäche sein. Letztere macht sich bei Babys beispielsweise dadurch bemerkbar, dass sie den Kopf kaum halten können. Darüber hinaus können Röcheln und Schnarchgeräusche auf Schwierigkeiten beim Atmen hindeuten.
Bei einer Botulinumvergiftung müssen sowohl Kinder als auch Erwachsene so schnell wie möglich intensiv-medizinisch behandelt werden. Unter Umständen benötigen die Betroffenen eine künstliche Beatmung. Jeder Verdacht auf einen Botulismus muss dem Gesundheitsamt gemeldet werden.
Honig in Säuglingsnahrung ist ungefährlich
Aufgrund der Gefahr eines Säuglingsbotulismus rät die Stiftung Kindergesundheit davon ab, Kindern unter einem Jahr Honig zu geben. Auch das Bestreichen der Brustwarze einer stillenden Mutter, des Schnullers oder des Trinkflaschen-Saugers mit Honig als Anreiz zum Trinken ist aus Sicht der Experten nicht empfehlenswert.
Keine Gefahr sehen sie allerdings in Säuglingsfertignahrung, Breien oder Keksen, die mit Honig gesüßt wurden. Im Rahmen des Herstellungsprozesses werden die gefährlichen Clostridium botulinum-Bakterien in der Regel zuverlässig abgetötet.
Honigkonsum birgt weitere Risiken
Generell sollten auch ältere Kinder und Erwachsene Honig als Brotaufstrich oder als
Süßungsmittel wegen des hohen Zuckergehaltes nur gelegentlich und in geringen Mengen
verzehren, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit.
„Der im Honig enthaltene Zucker besteht zum Großteil aus den Einfachzuckern Fruktose und Glukose. Das sind für den Körper schnell verwertbare kalorienreiche Energielieferanten“, so Koletzko. „Ihr regelmäßiger, hoher Verzehr begünstigt ebenso wie Rüben- oder Rohrzucker die Entstehung von Übergewicht und erhöht das Risiko für die Entstehung von Zahnkaries sowie der Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus“.
Steckbrief Clostridium botulinum
Das Bakterium Clostridium botulinum zählt zu den klassischen Erregern von Lebensmittelvergiftungen. Seine Sporen sind äußerst widerstandsfähig und werden erst bei Temperaturen über 100 Grad Celsius abgetötet. Unter sauerstofffreien Bedingungen in Lebensmitteln kann das Bakterium das Gift Botulinumtoxin, welches auch als Botox bekannt ist, produzieren. Dabei handelt es sich um eines der stärksten bekannten Nervengifte. Es ist eine Million Mal giftiger als Zyankali. Nach dem Verzehr können Lähmungserscheinungen auftreten. Das Krankheitsbild wird als Botulismus bezeichnet.