Innovative Therapieoption bei zentral bedingten Paresen
Dr. Melanie SöchtigEgal ob nach einem Schlaganfall, einem Schädel-Hirn-Trauma oder aufgrund einer angeborenen Hirnschädigung – die Magnetstimulation ist eine vielversprechende Therapieoption bei zentral bedingten Muskellähmungen. Forschende arbeiten jetzt daran, das Verfahren zu optimieren.
Zentral bedingte Paresen betreffen rund ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Zu den häufigsten Ursachen zählen bei Kindern die Cerebralparese und bei Erwachsenen der Schlaganfall. Gängige Therapieoptionen wie Physio- und Ergotherapie stoßen schnell an ihre Grenzen. Das Problem: Muskeln, welche die Betroffenen nicht willentlich ansteuern können, lassen sich auch im Rahmen der Behandlung nicht aktivieren und kräftigen.
Wie bringt man gelähmte Muskeln dazu, dass sie wieder selbst kontrahieren? Diese Frage soll das auf drei Jahre angesetzte Forschungsprojekt MABEL (Magnetstimulation für die Behandlung von Erkrankungsbildern mit zentralen Lähmungen) klären. Beteiligt sind das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität (TU) München sowie die Medizintechnik-Firma Zimmer MedizinSysteme und der Softwareentwickler ImFusion. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert das Projekt mit 1,5 Millionen Euro.
Elektromagnetische Impulse aktivieren gelähmte Muskeln
In einer Pressemitteilung umreißt Dr. Michaela Bonfert, klinische Leiterin des Projektes und Oberärztin am Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums, das Vorhaben: „Wir kombinieren die repetitive neuromuskuläre Magnetstimulation (rNMS) erstmals mit einer ultraschallgestützten 3D-Navigation und Visualisierung der Behandlung, sodass gelähmte Muskeln noch zielgenauer aktiviert werden können – und der Patient diese auf Dauer wieder besser oder ganz kontrollieren kann.“
In der Abteilung für Pädiatrische Neurologie des LMU Klinikums kommt die rNMS bereits heute zum Einsatz, um den Behandlungserfolg von physiotherapeutischen Übungen bei Kindern mit Lähmungen zu verbessern. Dabei lösen elektromagnetische Impulse Kontraktionen in den gelähmten Muskeln aus und ermöglichen so direkte Trainingseffekte in der Muskulatur. Weiterhin werden Bereiche und Netzwerke im Gehirn aktiviert, welche an der Wahrnehmung, Steuerung und Ausführung von Bewegungen beteiligt sind.
Unterstützung durch künstliche Intelligenz
In künftigen Studien wollen die Forschenden die genauen Wirkmechanismen und die Dosis-Wirkungs-Beziehung von verschiedenen Parametern der Magnetstimulation untersuchen, um evidenzbasierte Simulationsprotokolle auszuarbeiten. Außerdem ist die Entwicklung einer ultraschallgesteuerten 3D-Navigation geplant, mit deren Hilfe der effektivste Punkt für die Stimulation des Muskels automatisch erkannt und direkt angesteuert werden kann.
Möglich werden soll dies mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Hierfür speisen die Forschenden Datensätze aus Magnetresonanztomografie- und Ultraschalluntersuchungen in das Programm ein. Sie hoffen, dass das System mit KI-Unterstützung künftig die Behandlungsparameter halb- oder voll automatisiert setzen kann. „Unser Ziel ist es, eine maßgeschneiderte Behandlung mit rNMS zu entwickeln, die sich an den individuellen Bedürfnissen von Patient:innen orientiert und dabei einfach anwendbar, standardisierbar und kontrollierbar ist“, so Bonfert.