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Medizin

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) infiziert hauptsächlich das Epithel der Atemwege. Mehr und mehr gibt es aber Evidenz dafür, dass es auch für neurologische Spätkomplikationen verantwortlich sein könnte. In einer Studie fanden Forschende der US-amerikanischen Tulane Universität jetzt erstmals klare Hinweise darauf, dass das RS-Virus neuronale Funktionen stören kann: direkt durch die Infektion peripherer Neuronen und indirekt durch die Infektion von residenten Monozyten. Und dass inflammatorische Zytokine wahrscheinlich bei beiden Mechanismen eine wichtige Rolle spielen. 

RS-Viren wurden 1956 in erkälteten Schimpansen entdeckt und ein Jahr später bei Kindern mit Atemwegsinfekt nachgewiesen. Die Infektion gilt seitdem als alleinige Erkrankung der Atemwege. RSV-Infektionen treten saisonal auf und betreffen alle Altersgruppen; meist sind milde Erkältungssymptome die Folge. Bei Säuglingen und Kleinkindern, aber auch bei immungeschwächten Erwachsenen sind zudem schwere Verläufe mit Lungenentzündung oder Bronchiolitis möglich. Das Virus ist auch in der Spinalflüssigkeit von Kindern mit Anfallsleiden nachgewiesen worden; 40 Prozent der RSV-positiven Kinder unter zwei Jahren haben Anzeichen einer akuten Enzephalopathie gezeigt.

In der neuen Studie wurde das RS-Virus an dreidimensionalen mikrophysio-logischen Kulturen peripherer Nerven untersucht, die aus Stammzellen und Rattenembryos gewonnen worden waren. Darin infizierten RS-Viren Neuronen, Makrophagen und dendritische Zellen auf verschiedene Weise, je nach initialer Viruslast. Infektionen mit geringer Viruslast waren vorübergehend, involvierten überwiegend Makrophagen und führten zu einer moderaten Chemokinausschüttung mit transienter neuraler Hypersensitivität. Infektionen mit höherer Viruslast dagegen waren persistent, infizierten neben den Makrophagen auch neuronale Zellen und riefen eine robuste Chemokinausschüttung hervor, die von einer progressiven Neurotoxizität gefolgt war. In Rückenmarkskulturen infizierten RS-Viren Mikroglia und dendritische Zellen, aber nicht die Neuronen, und produzierten ein moderates Chemokinexpressionsmuster.

Für Prof. Giovanni Piedimonte von der Tulane University fügen diese Ergebnisse der Bedeutung der RSV-Impfungen einen neuen Aspekt hinzu, und zwar für Ältere und auch für werdende Mütter. Die in der Studie gefundene Hyperreaktivität der Nerven könne eine Erklärung dafür sein, warum Kinder mit RSV-Infektion im Verlauf ein höheres Risiko für asthmatische Symptome haben, erklärte der Biochemiker und Pädiater. Piedimonte äußerte die Theorie, dass RS-Viren über periphere Nerven in das Rückenmark gelangen und so die Blut-Hirn-Schranke umgehen und das Gehirn infizieren können. Dies könne auf eine Verbindung zu neurologischen und Entwicklungskrankheiten hindeuten. Es brauche allerdings noch weitere Forschung, um diese Mechanismen zu untersuchen und zu bestätigen.

RKI-Ratgeber RSV aktualisiert

Das Robert Koch-Institut hat im Epidemiologischen Bulletin 1/2024 eine aktualisierte Fassung seines Ratgebers zu RSV-Infektionen publiziert. Die letzte überarbeitete Fassung stammte von 2011. Die Aktualisierung weist jetzt unter anderem auf Impfungen zur Prävention hin, die STIKO berate dazu aber noch.

Quelle:

Pollard KJ et al. J Infect Dis. 2023; doi:10.1093/infdis/jiad596