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Allgemeinmedizin

Der Klimawandel verändert die Welt, und ihre Bewohner müssen sich mit ihr verändern. Das trifft nicht nur auf uns Menschen zu, sondern auch auf andere Lebewesen, wie beispielsweise Pilze. Der Klimawandel erzeugt Bedingungen, die förderlich für das Entstehen neuer fungaler Pathogene sind. Und er regt Pilze dazu an, sich an bislang unwirtliche Umwelten anzupassen, zum Beispiel verschmutzte Habitate oder städtische Gebiete. All das kann zur geografischen Ausbreitung mancher Pilze in Regionen führen, die für sie traditionell als nicht endemisch gelten. Pilze könnten sich auch an die Temperaturen am und im menschlichen Körper anpassen und Infektionen bei immungeschwächten Personen hervorrufen. Als bekanntestes Beispiel ist in einer aktuellen Arbeit einer internationalen Forschergruppe Candida auris genannt, bei dem eine solche Anpassung an Säugetier-Körpertemperaturen ausweislich klinisch nachgewiesener Stämme bereits stattgefunden hat.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Verbreitung von Pilzen aus?

In einem wissenschaftlichen Review haben sich die Autoren um den Grazer Mykologen Prof. Martin Hönigl mit der Frage beschäftigt, wie sich Klimawandel, Katastrophen und soziale Faktoren auf die Verbreitung von Pilzerkrankungen weltweit auswirken. Der Hauptfokus der Studie lag auf den Folgen des Klimawandels. Die Erderwärmung führt zum Beispiel zu vermehrten Naturkatastrophen, und diese würden erwiesenermaßen Pilzerkrankungen in der Bevölkerung hervorrufen, so die Expertengruppe. Es sei davon auszugehen, dass diese Erkrankungen weltweit häufiger werden. Gleichzeitig würden Infrastrukturen und Ressourcen zur Diagnose in den nach Naturkatastrophen überforderten Gesundheitssystemen aber oft fehlen, prophezeien die Autoren. Ein Grund für vermehrte Infektionen sind durch die Ereignisse selbst verteilte Sporen: Winde oder Waldbrände führen dazu, dass sie freigesetzt und verteilt werden. So wurden bei Feuerwehrleuten im Anschluss an Waldbrand-Einsätze Pilzerkrankungen nachgewiesen; in Küstenregionen war nach Waldbränden ebenso eine höhere Rate an Pilzerkrankungen bemerkbar. Nach Vegetationsbränden in Kalifornien in den Jahren 2014 bis 2018 war eine Zunahme der Einweisungen wegen Kokzidioidomykose („Valley Fever“, Wüstenrheumatismus) zu verzeichnen.

Infektionsanfällige Wunden nach physischen Traumata

Zusätzlich kommt es infolge von Katastrophen bei Menschen zu physischen Traumata, die sie wiederum anfälliger für eine Infektion machen, unter anderem nach Kontakt mit verschmutzten Gewässern. Nach dem Tsunami im Indischen Ozean 2004 und nach dem Stufe-5-Tornado im US-Bundesstaat Missouri 2011 gab es zum Beispiel Ausbrüche von Mukormykose. 

Auch auf lange Sicht können Katastrophen nachwirken: Häuser werden beispielsweise durch Flutungen zum perfekten Habitat für Pilze, die sich dann über Jahre oder Jahrzehnte im Gemäuer breit- und die Bewohner krank machen können, warnen die Autoren. So sei ein Jahr nach Hurrikan Harvey von 2014 in Houston in Texas, USA, eine erhöhte Inzidenz invasiver Schimmelpilzinfektionen beobachtet worden.

Die Autoren geben in ihrem Review einen Ausblick, welche Schritte angesichts dieser Herausforderungen nötig sind. „Neben allgemeinen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sind die global koordinierte Bereitstellung von Ressourcen für die Überwachung von Pilzinfektionsausbrüchen, die Verbesserung der diagnostischen Kapazitäten, das Training von Gesundheitsfachkräften und öffentliche Sensibilisierungskampagnen unerlässlich“, so Hönigl.

Mangelernährung durch Pilze

Auch pflanzenpathogene Pilze wie Puccinia striiformis oder Fusarium graminearum können vom Klimawandel profitieren und die Lebensmittelsicherheit gefährden, was Immunschwäche fördert.

Quelle:

Seidel D et al. LancetMicrobe 2024;5:e594–605