Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Das Inflationsjahr 2022 ist auch an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nicht spurlos vorübergegangen. Die durchschnittlichen Aufwendungen je Arztpraxis lagen bei 466.000 Euro und damit elf Prozent über dem Vorjahreswert, wie das Statistische Bundesamt mitteilt.

Zu den Arztpraxen zählen dabei Einzelpraxen, fachgleiche sowie fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften (BAG/Gemeinschaftspraxen) und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) – Zahnarztpraxen und psychotherapeutische Praxen sind in einer gesonderten Statistik erfasst. Die allgemeinen Verbraucherpreise haben sich währenddessen um 6,9 Prozent verteuert.

Diese Auswirkungen haben die gestiegenen Kosten auf den Reinertrag

Ein Kostenfaktor für Praxisinhaberinnen und -inhaber ist zudem das Personal. Im erfassten Zeitraum von 2022 haben sie im Schnitt 225.000 Euro für angestellte Ärzte, MFAs und weitere Mitarbeiter investiert. 2021 waren es noch 203.000 Euro.

Die durchschnittlichen Einnahmen sind um 5,3 Prozent auf 796.000 Euro gestiegen, allerdings sind sie damit weniger stark als die Aufwendungen gestiegen, was Auswirkungen auf den Reinertrag hat: Dieser ist je Praxis 2022 gegenüber 2021 um 1,5 Prozent auf 331.000 Euro (2021: 336.000 Euro) gesunken.

Zu beachten ist außerdem, dass diese Durchschnittswerte stark von Praxen mit sehr hohen Einnahmen und Aufwendungen beeinflusst sind. So verzeichnete die Hälfte aller Arztpraxen median betrachtet Einnahmen bis 487.000 Euro und einen Reinertrag von höchstens 230.000 Euro.

Die Angaben des Statistischen Bundesamtes basieren auf einer repräsentativen Erhebung, wonach stichprobenartig maximal sieben Prozent der Praxen bundesweit analysiert werden. Das Ergebnis wird dann auf die Gesamtheit aller Einrichtungen hochgerechnet. Seit dem Berichtsjahr 2021 erscheint die Kostenstrukturstatistik jährlich, damit ist auch der direkte Vorjahresvergleich möglich.    

Bessere Verhandlungsposition für die Ärzteschaft durch steigende Kosten?

Vor dem Hintergrund der laufenden Honorarverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gewinnen die Zahlen nochmal an Brisanz. Die KV Rheinland-Pfalz sieht die Erhebung beispielsweise als Alarmsignal und sorgt sich um die Existenz vieler Praxen.

Aktuell ringen Ärztevertreter und Kassen um die Anpassung des Orientierungswerts für das Jahr 2025. Die KBV fordert eine Anhebung um knapp sechs Prozent, die Krankenkassen lehnen die Forderung ab und haben bislang 1,6 Prozent angeboten. In den kommenden Tagen soll diesbezüglich weiterverhandelt werden.

Zur Debatte steht mittlerweile auch, die Berechnung des Orientierungswerts grundsätzlich zu reformieren. Dafür sprachen sich neben der KV Rheinland-Pfalz auch der Hartmannbund und die KV Hessen aus.    

Kommentar: Was ist die ambulante Versorgung den Kassen noch wert?

Der Rahmen für die jährlichen Finanzierungsverhandlungen für den Orientierungswert ist begrenzt, das räumt selbst die KBV ein. Denn sie sind, anders als bei Tarifverhandlungen, einem gesetzlich engen Korsett unterworfen – in diesem Fall dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Allerdings weist der Gesetzestext auch darauf hin, dass die vom Statistischen Bundesamt jährlich erstellte „Kostenstrukturstatistik im medizinischen Bereich“ für den einheitlichen Bewertungssmaßstab (EBM) berücksichtigt werden soll. Denn die Eurowerte der EBM-Positionen werden mithilfe des Orientierungswertes berechnet. Insofern wäre es dieses Mal sehr verwunderlich, wenn die GKV dies bei den Verhandlungen unter den Tisch fallen lässt. Der Vorwand, es gebe hohe finanzielle Belastungen durch geplante Gesetzesvorhaben, kann auch nicht als Argument gelten. Denn wenn die ambulanten Strukturen immer weiter zurückgehen, ist gar nicht erst abzusehen, welche Kosten auf Kliniken und Kassen zukommen werden.