Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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 Viele Ärzte haben – ebenso wie andere Gewerbetreibende – ab den 80er Jahren und später ihre Kredite zur Praxisfinanzierung auf Anraten der Bank mit einer Lebensversicherung verbunden. Das erweist sich nach einer mehr als 10-jährigen Niedrigzinsphase als ein Bumerang für die Kreditnehmer. Trotz der von ihnen laufend eingezahlten Beiträge werden – Schätzungen zufolge – ca. 80 Prozent aller Kreditverträge, die mit Lebensversicherungen abgesichert wurden, von einer Finanzierungslücke betroffen sein. Die meisten Kreditnehmer ahnen nichts davon.

Auszahlung reicht nicht für Tilgung

Denn bekannt wird diese Unterdeckung vielen Kreditnehmern erst, wenn der Tag der Fälligkeit naht und die Bank die Tilgung des Kreditvertrages verlangt. Das, was die Versicherungen heute aufgrund der alten Papiere ausschütten, kommt in vielen Fällen den ursprünglich in Aussicht gestellten „Erträgen“ nicht nach. Die Kredite können so – entgegen der Erwartung der Versicherungsnehmer – nicht oder nur teilweise getilgt werden. Hinsichtlich der Restsumme verlangt die Bank – in einer Manier als wäre sie beim Abschluss der Lebensversicherung nie dabei gewesen – die sofortige Zahlung.

Nachfinanzierung als Lösung

Nicht alle Kreditnehmer haben das nötige Kleingeld in der Tasche, um die Restsumme auf einen Schlag tilgen zu können. Und so bleibt dann nur eine erneute Nachfinanzierung. Als wäre das nicht schon ärgerlich genug, wird das für Kreditnehmer, die älter als 50 Jahre sind, nicht einfach sein. Denn die Banken vergeben ab dem Alter in der Regel keine Kredite mehr. Dann ist eine Nachfinanzierung in der Regel somit nicht mehr möglich.

Es fragt sich also, welche Möglichkeit den Kreditnehmern bleibt, aus dieser Situation einigermaßen unbeschadet heraus zu kommen. Oft sind die laufend zu zahlenden monatlichen Beiträge für die Lebensversicherung außerdem sehr hoch, so dass viele Versicherungsnehmer verständlicherweise den Wunsch haben, sich von der Police ganz zu trennen. Dafür stehen den normalen Versicherungsnehmern generell drei Wege zur Verfügung. Beleuchten wir diese mal speziell für den Fall der Versicherungsdarlehen als Tilgungsaussetzer.

1. Die Kündigung

Normale Versicherungsnehmer können die Lebensversicherung kündigen. Mit der Kündigung zahlt die Versicherung den zum Zeitpunkt der Kündigung bestätigten Rückkaufswert aus. Hierbei kann der Versicherungsnehmer sehr viele seiner zuvor eingezahlten Einlagen verlieren, denn häufig liegt der Rückkaufswert sehr viel niedriger als die Summe aller eingezahlten Beiträge, insbesondere wenn der Vertrag noch nicht lange läuft. Auch steuerlich kann die Kündigung nachteilig sein. Mit einer Kündigung verschenken die Versicherungsnehmer ein Großteil ihrer bereits investierten Gelder an die Versicherung. Eine Kündigung ist daher nur in ganz wenigen Fällen wirtschaftlich vertretbar.

Gar nicht möglich ist die Kündigung jedoch bei Versicherungsdarlehen mit Tilgungsaussetzer. Denn in dem Fall ist der Kreditnehmer gar nicht mehr der Inhaber der Versicherung, denn diese wurde an die kreditgebende Bank abgetreten. Bei Versicherungsdarlehen mit Tilgungsaussetzer entfällt also die Möglichkeit einer Selbstkündigung.

2. Der Policenverkauf

„Normale“ Versicherungsnehmer können eine Police jederzeit an professionelle Ankäufer verkaufen. Dadurch ist steuerlich etwas gewonnen. Doch auch im Fall des Verkaufes kann der Versicherungsnehmer meist nur ein kleines Plus zum Rückkaufswert vom Käufer erhalten. Den größten Gewinn streicht der Käufer selber ein. Wie er diesen erhält, darüber schweigt sich der Ankäufer der Police meist aus.

Die Möglichkeit, eine Versicherung zu verkaufen, fällt aber bei Versicherungsdarlehen, die als Tilgungsaussetzer eingesetzt werden, weg. Denn mit Abschluss des Kreditvertrages hat der Versicherungsnehmer alle Rechte aus der Lebensversicherung an die Bank abgetreten. Der Versicherungsnehmer kann also die Police auch nicht an einen Dritten verkaufen.

Die Rückabwicklung

Es gibt noch eine dritte Möglichkeit, sich aus dem Vertragsverhältnis zu lösen, die aber nur wenigen Versicherungsnehmern bekannt ist. Es ist die Rückabwicklung des Versicherungsvertrages.

Auch die Rückabwicklung kann im Falle eines abgetretenen Versicherungsdarlehens mit oder ohne Tilgungsaussetzer nicht ohne Einverständnis der Bank vorgenommen werden. Doch Banken zeigen sich schnell kooperationsbereit, wenn sie erst einmal die Vorteile einer Rückabwicklung in der verfahrenen Situation erkannt haben.

Eine Rückabwicklung findet auf juristischem Wege entweder durch eine außergerichtliche Einigung oder – sofern diese gescheitert ist – durch eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Versicherungsgesellschaft statt.

Verträge werden rückwirkend aufgelöst

Jede erfolgreiche Rückabwicklung führt dazu, dass die Verträge rückwirkend aufgelöst werden. Die Versicherungsnehmer sind so zu stellen, als wäre der Vertrag nie zu Stande gekommen. Insbesondere bei Verträgen mit längerer Laufzeit führt das zu zahlreichen Rechtsansprüchen der Versicherungsnehmer gegenüber den Versicherungsgesellschaften, die weit höher liegen als der bloße Rückkaufswert und sich in barer Münze auszahlen. Man kann mit der Rückabwicklung – mit Ausnahme der Beiträge, die auf die mitversicherten biometrischen Risiken entfallen – alle eingezahlten Beiträge zurück verlangen. Darüber hinaus können bspw. auch Zinsen auf den Sparanteil verlangt werden sowie je nach Vertragskonstellation weitere Schadensersatzansprüche. Mit der Rückabwicklung erzielen die Versicherungsnehmer also – sofern die Rückabwicklung dem Grunde und der Höhe nach aussichtsreich ist – ein weitaus besseres rechnerisches Ergebnis als bei einer Kündigung des Versicherungsvertrages. Die obergerichtliche Rechtsprechung gewährt den Versicherungsnehmern in den berechtigten Fällen einer Rückabwicklung Rechtsansprüche, die über die Zahlungsansprüche des Versicherungsnehmers bei einer Kündigung weit hinausgehen.

Eine erfolgreiche Rückabwicklung setzt allerdings voraus, dass der Versicherungsvertrag nicht nach den geltenden Richtlinien zu Stande gekommen oder fortgeführt worden ist und diese Rechtsverstöße nachweisbar sind. Hier kommen alle denkbaren Rechtsfehler – wie zum Beispiel ein Verstoß gegen die von den obersten Gerichten aufgestellten Grundsätze zur Beraterhaftung oder Verstöße gegen die Verbraucherrechterichtlinie – in Betracht.

Hoher Anteil der Verträge betroffen

Die Erfahrung zeigt, dass ein hoher Anteil der Versicherungsverträge, die ab dem Jahre 1982 abgeschlossen wurden solche Unzulänglichkeiten aufweisen (vgl. auch Urteil des BGH zur Beraterhaftung, abgedruckt in BGH NJW 1982, 1095 ff.). Der Versicherungsnehmer kann derartige Rechtsverletzungen als juristischer Laie natürlich nicht selbst feststellen. Hierfür bedarf es der fachkundigen Prüfung einer darauf spezialisierten Kanzlei. Sie hat das nötige Know-how. Zusätzlich bedarf es für die Erfolgseinschätzung auch mehrerer für den jeweiligen Versicherungsvertrag anzufertigender, finanzmathematischer Berechnungen und Gutachten.

Eine Rückabwicklung erscheint auf den ersten Blick kompliziert und wie alle juristischen Dinge viel zu umständlich, unwägbar, kostenintensiv und langwierig. Aber das muss nicht so sein.

Rückabwicklung durch Dienstleister – darauf müssen Sie achten

Neben der Übertragung eines klassischen Anwaltsmandats an eine darauf spezialisierte Fachanwaltskanzlei gibt es inzwischen auch Rückabwicklungsdienste, bei denen das Verfahren zugunsten der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Zahlungsströme sehr kundenfreundlich ausgestaltet und zugleich vom Umfang der Dienste her erweitert worden ist.

Dadurch unterscheiden sich die Angebote der einzelnen Diensteanbieter insbesondere in vier Bereichen:

  • bei den Vorprüfungskosten,
  • bei den Vorleistungsrisiken und
  • beim Umfang der angebotenen Leistungen
  • bei der Höhe und Fälligkeit des Honorars.

Bei der Auswahl – egal, ob es sich dabei um klassische Anwaltskanzleien oder um spezialisierte Dienstleistungsgesellschaften handelt – sollten Sie eine gewisse Sorgfalt walten lassen. Lassen Sie sich am Besten Ergebnisse und Referenzen aus der Vergangenheit vorzeigen. Und achten Sie darauf, dass der Diensteanbieter eine breite Palette an Rechtsvorschriften für die Rückabwicklung prüft. So bieten viele Anwaltskanzleien/Dienstleistungsgesellschaften zwar eine Rückabwicklung an, prüfen und vollziehen diese aber nur unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung, was in der Regel auch herausgestellt wird. Die fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist aber nur ein rechtlich relevanter Gesichtspunkt unter vielen. Eine Rückabwicklung lässt sich – wie oben bereits erwähnt – jedoch auf viel mehr rechtliche Gesichtspunkte stützen. Und je mehr rechtlich angreifbare Punkte geprüft und festgestellt werden, umso aussichtsreicher ist das Verfahren und umso umfangreicher sind die Zahlungsansprüche, die sich aus der Rückabwicklung ergeben.

Nur wenige Anbieter haben komplettes Rückabwicklungsverfahren im Portfolio

Von den rund 1.200 zugelassenen auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Fachanwaltskanzleien gibt es in ganz Deutschland maximal 5-10 Anbieter, die solch ein umfangreiches Rückabwicklungsverfahren gegenüber Versicherungsgesellschaften anbieten. Achten Sie bei Ihrer Auswahl also von vornherein auf eine breite Prüfpalette der Anbieter.

Mit den Mehrwerten, die durch eine umfangreiche Prüfung und erfolgreiche Rückabwicklung im Vergleich zu einer Kündigung erzielt werden, können dann oft die problematischen Fälle der Unterdeckung von Versicherungsdarlehen mit Tilgungsaussetzern sehr zufriedenstellend für Versicherungsnehmer und Bank gelöst werden. Dies ist auch der Grund, weshalb die Bereitschaft der Banken erfahrungsgemäß sehr hoch ist, in Fällen der Tilgungsaussetzer zur Vermeidung größerer Nachteile für Bank und Kunde mit professionellen Rückabwicklern zu kooperieren. Schon viele Male hat sich diese Kooperation als sehr nützlich für Kunde und Bank erwiesen. Deshalb sollten betroffene Versicherungsnehmer den anfänglichen Mehraufwand, der daraus besteht, Informationen einzuholen, abzugleichen und auszuwerten, nicht scheuen.

*Die Autorin: Petra-Maria Große-Lordemann war 15 Jahre als Justiziarin und später als freiberufliche Anwältin für das Zivilrecht (u.a. im Verbraucherrecht) tätig und ist selbständige Teampartnerin der vertragshilfe24.de. Auf Ihrer Webseite bietet sie weitere Informationen zu Verfahren und Vorteilen der Rückabwicklung an.