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Geldanlagen

Die meisten Finanzberatungsunternehmen überlegen sich werbewirksame Strategien um Anlegern dabei zu helfen, Vermögen aufzubauen und zu vermehren. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt und bedarf auch größter Umsicht und Anstrengung, um das bestmögliche Ergebnis für die Anleger zu erreichen.

Erweitert man jedoch den zeitlichen Fokus über die Phase des Vermögensaufbaus hinaus, stellt man fest, dass das „Reich werden“ nur eine Phase im Lebenszyklus eines Vermögens darstellt. Weitere Phasen sind der Vermögensschutz und die Vermögensübertragung. Jede dieser Phasen hat ihre eigenen Prioritäten und Anforderungen, denen Rechnung getragen werden muss. Die Phasen gehen meist fließend ineinander über, müssen es aber nicht (z.B. wenn ein plötzlicher Erbfall eintritt).

„If you have won the game, stop playing it!“ -William Bernstein

Um ein genaueres Bild über die Phase des Vermögensschutzes zu erhalten, schauen wir uns die Bedürfnisse vermögender Menschen genauer an, also Menschen, die die Vermögensaufbauphase schon abgeschlossen haben. Zur Analyse ziehen wir zum einen amerikanische Studien heran. Wir haben uns aber auch erlaubt, die Lebenssituationen unserer vermögendsten Anleger genauer zu beleuchten.

Eines haben diese Menschen gemein. Sie können Ihren Lebensstil aus eigenen finanziellen Mitteln vollumfänglich gestalten. Den Lebensstil behalten zu können, also der Erhalt des Lebensstandards bedeutet, dass keinerlei Einschränkungen im Bezug auf Lebensqualität hingenommen werden müssen. Man lebt im Ruhestand so weiter, wie man es von jeher gewohnt ist.

Laut einer amerikanischen Studie aus dem Jahre 2005, sind die größten Ziele vermögender Menschen, neben dem Erhalt des Lebensstandards, die Versorgung der Nachkommen, die persönliche Sicherheit und Gesundheit, sowie die Unterstützung wohltätiger Zwecke. Das Vermögen zu vermehren, spielt keine Rolle mehr. Während es also in der Aufbauphase darum geht, sich einen gewissen Lebensstil zu erarbeiten, geht es in der Phase des Vermögenserhalts darum, diesen zu konservieren. Damit ändert sich die Zielsetzung der Investitionen und Anlagen komplett.

Reich werden = Vermögensaufbau

In der Aufbauphase müssen wir gewisse Risiken eingehen, um eine vernünftige Rendite zu erwirtschaften. Wir nutzen hierzu das Humankapital aus unserer Arbeit oder unternehmerischen Tätigkeit. Sinnvolle Risiken einzugehen bedeutet, sein Vermögen Schwankungen auszusetzen, um durch diese Schwankungen eine Rendite zu erwirtschaften. Rendite ist gemäß einer alten Börsenweisheit die Belohnung für eingegangenes Risiko. Minimierung des Risikos erfolgt durch breite Diversifikation und lange Laufzeit, um Negativschwankungen durch die Kraft der Finanzmärkte langfristig wieder ausgleichen zu können.

Reich bleiben = Vermögenserhalt

Sobald nicht mehr unser Humankapital für unser Auskommen in erster Linie herangezogen werden kann, wir also aus unserem „Ersparten“ leben müssen und wollen, wechseln wir von der Aufbauphase in die Phase des Vermögenserhalts. Diese Phase tritt bei angestellten Menschen oft abrupt mit der Rentenphase ein. Bei vermögenden Menschen ist dieser Übergang oft fließend, indem die Arbeitsleistung langsam zurückgefahren und der Nießbrauch des Vermögens sukzessiv gesteigert wird.

In der „Reich bleiben“ Phase haben wir daher die zeitliche Ausgleichsmöglichkeit für Marktschwankungen und handwerkliche Fehler nicht mehr. Wir sind darauf angewiesen, dass unser Vermögens funktioniert, wie wir es uns im Vorfeld überlegt haben. Es ist also eminent wichtig, unser Vermögen krisensicher aufzustellen. Rendite als Anlageziel tritt massiv in den Hintergrund. Unter Vermögensschutz versteht man daher, sein Vermögen gegen alle möglichen Risiken abzusichern.

Gegen Risiken absichern

Mögliche Risikofelder sind:

1. Persönliche Risiken
2. Politische Risiken
3. Steuerliche Risiken
4. Zivilrechtliche Risiken

1. Persönliche Risiken: Während in der Aufbauphase handwerkliche und emotionale Fehlentscheidungen verziehen bzw. geheilt werden können, ist in der Schutzphase des Vermögens kein Platz dafür. Zu teure Finanzprodukte, fachliche Fehler, wie Market Timing und Stock Picking oder emotionale Kurzschlusshandlungen können fatale Folgen haben. Sie müssen Ihr Vermögen vor sich selbst und ihren Handlungen schützen. Hierzu müssen externe Fachkräfte und Spezialisten ins Boot genommen werden.

2. Politische Risiken: Was passiert bei einem Regierungswechsel in Deutschland? Bekommen wir eine Regierung, die vermögensfreundliche Entscheidungen trifft oder wählen wir in Deutschland eine Regierung, die nachhaltige Belastungen für vermögende Anleger beschließt? Welche regulatorischen Eingriffe werden zur Belastungsprobe für Vermögen? Bekommen wir eine Bankenkrise und welche Folgen können daraus entstehen? Wie gehen wir mit der europäischen und deutschen Staatsverschuldung um? Diese Fragen müssen geklärt werden, um Vermögen langfristig zu schützen.

3. Steuerliche Risiken: Welche Auswirkungen sind im Falle von Steuererhöhungen zu erwarten? Bekommen wir in Deutschland eine Vermögenssteuer? Was passiert mit der Erbschaftssteuer und welche Auswirkungen hat diese auf Menschen, die Ihr Vermögen in die kommende Generation übertragen wollen? Steuerliche Rahmenbedingungen ändern sich ständig in Deutschland, Europa und der Welt. Aktiver Vermögensschutz ist, diese steuerlichen Risiken und Unwägbarkeiten weitestgehend zu eliminieren.

4. Zivilrechtliche Risiken: Nichts ist sicher, außer der stetige Wandel. Doch was passiert, wenn sich zwei vermögende Menschen scheiden lassen? Aktiver Vermögensschutz erkennt diese Problematik, bevor sie eintritt und hat eine Lösung parat, wenn sie eintritt. Wie geht man mit der Endlichkeit des Lebens um? Wie sorgt man frühzeitig dafür, dass Vermögen nicht zur Spaltung der Familie führt, sondern optimal von einer Generation zur nächsten übertragen wird?

Nathan Mayer Rothschild sagte nicht grundlos: „Es braucht viel Mut und große Vorsicht, um ein großes Vermögen aufzubauen. Und wenn man es geschaffen hat, braucht es zehnmal so viel Schlauheit, es zu behalten.“

Das Dilemma

Viele erfolgreiche Anleger erkennen nicht, dass es fundamentale Unterschiede zwischen Vermögensaufbau und Vermögensschutz gibt. Sie glauben, es reiche einfach so weiterzumachen, wie in der Aufbauphase. Wir sprechen in der Verhaltensökonomie von Overconfidence Bias, also einer Selbstüberschätzung. Selbst wenn ich als Anleger in der Aufbauphase alles richtig gemacht habe, muss ich zuerst einmal erkennen, dass sich jetzt etwas ändern muss und mein Vermögen eine Betreuung braucht. Wenn ich das Spiel gewonnen habe, muss ich aufhören zu spielen, um den Vermögenserhalt zu gewährleisten. Betrachtet man große Vermögen weltweit, erkennt man, dass mit der Größe des Vermögens, die Bereitschaft sich betreuen zu lassen wächst.

Die Lösung

1. Vermögensplan erstellen: Mit einer professionellen Finanzplanung ist das Dilemma aus der Welt zu schaffen. Ein Finanzplan liefert die Koordinaten, die benötigt werden, um alle Unwägbarkeiten im Vorfeld zu erkennen. Hierzu ist es wichtig zu wissen, wo man aktuell steht, Vermögenswerte zu analysieren und zusammenzutragen, Einnahmen und Ausgaben zu analysieren und strategisch fortzuschreiben. Im optimalen Fall erstellt man den Finanzplan noch in der Vermögensaufbauphase.

2. Vermögens-Stresstest: Was passiert, wenn ich in Ruhestand gehe? Was passiert, wenn ich nicht mehr arbeiten kann oder gar versterbe? Welche Auswirkungen hätten eine Scheidung? Wie kann ich heute schon Geld an die kommende Generation übertragen? Steht der Finanzplan, kann ich solche Stresstest Szenarien durchspielen und in Ruhe die geeigneten Schritte überlegen, um Unwägbarkeiten zu vermeiden.

Handwerkliche Fehler entfernen

1. Klumpenrisiken vermeiden: Viele deutsche Anleger haben ihr Vermögen auf deutschen Banken liegen, investieren in deutsche  Rentenversicherungen, kaufen deutsche Aktien und investieren in deutsche Immobilien. Ändern sich irgendwann in Deutschland die politischen, steuerlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen ins negative, bekommt man mit dieser Anlagestrategie massive Probleme.

2. Produktkosten auf ein sinnvolles Maß reduzieren. Weg von den teuren Finanzprodukten, die sie ihre Rendite kosten. Oftmals führen zu teuere Finanzprodukte zu negativer Nettorendite (nach Kosten und Steuern), trotz positiver Renditen an den Märkten.

3. Geografische Streuung: Je größer das Vermögen, desto sinnvoller kann es sein, legale Möglichkeiten der geografischen Diversifikation zu nutzen, um Klumpenrisiken zu vermeiden. So kann man Vermögen vor landespolitischen Machtspielen schützen und den Vermögenserhalt gewährleisten.

4. Rational handeln: Lassen Sie sich extern beraten. Nehmen Sie Berater, die die Notwendigkeit des Vermögensschutzes erkannt haben und über ein Netzwerk aus Juristen und Steuerberatern verfügen, die Sie gemeinsam auf diesem Weg begleiten können. Greifen Sie nicht auf Berater zurück, die über Produktverkauf Ihr Geld verdienen, da dort immer ein Interessenskonflikt vorliegen muss.

5. Stiftung gründen: Je größer das Vermögen, desto sinnvoller kann es sein, über eine eigene Familienstiftung nachzudenken. Ab einem liquiden Vermögen von 1 Million Euro kann eine Familienstiftung die perfekte Lösung sein, Vermögen zu schützen, bzw. in die nächste Generation zu transferieren und die genannten Risiken auszuschließen.

Karsten Matt

Honorarberater, Bürogemeinschaft Sincereo Investments

matt@sincereo.de