Homo oeconomicus: Von der Psychologie der Anleger oder warum nur ein kühler Kopf zum Erfolg führt
Karsten MattUm an der Börse positive Renditen zu erwirtschaften, gehören Rationalität und ein kühler Kopf in schwierigen Phasen zu den Grundvoraussetzungen. Soweit die Theorie, die Realität sieht allerdings anders aus. Gegen den wünschenswerten Homo oeconomicus spricht die Psychologie der Anleger, meint Karsten Matt.
Anleger zerstören Ihre Renditen und merken es nicht einmal. Grund ist, dass wir auf viele Situationen intuitiv reagieren. Forscher nennen dieses Verhalten Instinktverhalten, angeborenes Verhalten oder Steinzeithirn. Unser Gehirn unterscheidet dieses Verhalten strikt von erlerntem Verhalten. Und hier liegt das Problem, denn angeborenes Verhalten reagiert unreflektiert und unmittelbar auf Schlüsselreize. Diese Reize lassen sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen.
Willkommen in der Steinzeit
Stellen wir uns vor, wie sitzen in einer Steinzeithöhle und vor der Tür taucht ein Säbelzahntiger auf. Welches Verhalten ist sinnvoll? Wir können vor die Höhle gehen und versuchen den Tiger zu streicheln. Keine gute Idee, denn dieses Verhalten führt unweigerlich dazu, dass man früher oder später ausstirbt. Eine viel bessere Reaktion ist es, auf unseren Körper zu hören. Dieser reagiert mit Angst, denn Säbelzahntiger und Steinzeitmenschen harmonieren einfach nicht miteinander. Wir verstecken uns in der Höhle und überleben dadurch. Die menschliche Rasse ist also in der Evolution so weit vorangekommen, weil sie die größten Angsthasen waren und nicht die mutigsten und tapferen Krieger. Wenn wir gegen den Säbelzahntiger vorgehen wollten, mussten wir uns mit anderen Steinzeitmenschen zusammenschließen und gemeinsam den Tiger bekämpfen. Das führte letztlich dazu, dass der Säbelzahntiger ausgestorben ist und nicht wir.
Was hat unser Gehirn daraus gelernt?
- Laute Informationen sind wichtiger, als leise Informationen.
- Angst zu haben ist wichtiger, als Freude zu spüren.
- Die Gemeinschaft ist wichtiger, als das Individuum.
Diese Faktoren machen sich Banken und Versicherungen heute noch zu Nutze. Jede Werbung, egal ob Print oder Fernsehen wird auf drei Bausteinen aufgebaut: Angst, Gemeinschaft, laute, bzw. plakative Darstellung.
Gedanken Schranken: Es lebe die Irrationalität
Unser intuitives Verhalten führt dann durchaus zu absurdem Verhalten an der Börse. Die Klarheit der Gedanken geht uns verloren, weil sich Schranken bilden, die den klaren Blick und das anvisierte finanzielle Ziel versperren.
Erste Schranke: Angst vor Verlust
Wir reagieren überängstlich an den Finanzmärkten. Die Angst vor Verlust ist mehr als doppelt so stark ausgeprägt, wie die Freude auf Gewinn. Weil unser Gehirn immer zuerst Schmerz vermeiden und erst dann Freude gewinnen will, versuchen wir diesen Schmerz zu umgehen, indem wir auf aktives Management setzen. Wir glauben daran, dass es Menschen gibt, die uns sagen, wann man in Märkte einsteigen muss, welche Aktien wir kaufen sollen und wann es besser ist, wieder aus den Märkten auszusteigen. Nachweislich funktioniert Market Timing und Stock Picking nicht, Eugene Fama weist es seit den 60er Jahren regelmäßig nach, dennoch hofft unser Unterbewusstsein darauf.
Zweite Schranke: Nur was alle machen, kann wirklich gut sein
Unser Gehirn versucht jederzeit synaptische Verbindungen zu erstellen, um Entscheidungen, die wir treffen wollen oder bereits getroffen haben zu verifizieren. Wenn wir z.B. überlegen ein grünes Auto zu kaufen, werden wir in der Folgezeit eine Menge grüne Wagen an uns vorbeifahren sehen. Ganz einfach weil sich unser Bewusstsein darauf fokussiert. Überlegen wir eine finanzielle Entscheidung zu treffen, haben wir das Bedürfnis, diese Entscheidung durch Personen unseres Vertrauens absichern zu lassen. Dazu greifen wir gerne auf den Rat von Freunden, Familie und Kollegen zurück. Und selbst wenn diese Personen keinerlei finanzielle Ausbildung genossen haben, kann deren negative Reaktion dazu führen, dass wir eine inhaltlich richtige und logische Finanzentscheidung nicht treffen. Dieses Verhalten führt dazu, dass in Deutschland das meiste Geld immer noch liegt, wo es bereits seit gefühlt 100 Jahren liegt, nämlich auf Sparbüchern, in Rentenversicherungen und in Bausparverträgen. Die Renditemusik spielt definitiv woanders.
Dritte Schranke: Made in Germany
Gerade wir Deutschen neigen dazu, überproportional in die eigenen Unternehmen und Märkte zu investieren. Wir vertrauen gerne darauf, dass deutsche Produkte weltweit einen guten Ruf genießen. Der Trugschluss liegt darin, dass gute Produkte auch eine gute Rendite fürs Portfolio bedeuten. Deutschland hat weltweit eine Marktkapitalisierung von gerade mal 2%. Wir verschenken also 98% Renditemöglichkeit und bauen uns stattdessen ein riesiges Klumpenrisiko. Wenn der deutsche Finanzmarkt schwächelt, wie z.B. 2011, als der MSCI Germany um fast 15% verloren hat, kann es für den in Deutschland investierten Anleger zu einem großen Problem werden. Für weltweit investierte Anleger bedeutete das Jahr 2011 lediglich eine marginale Verschiebung, der MSCI World verlor weniger als 2%.
Emotion und Geldanlage unbedingt trennen
Wenn wir also unser eigenes Gehirn nicht austricksen können, dann müssen wir uns anderer Gehirne bedienen. Nur so schaffen wir es, Emotion und Geldanlage zu trennen. Am einfachsten geht das, indem wir uns einem Coach anvertrauen, der sich um unser Portfolio kümmert. Zahlen Sie diesem Coach ein gutes Geld, damit er einen guten Job machen kann. Wer sich einen vordergründig kostenlosen Coach sucht, sollte sich die Frage stellen, wer das Gehalt des Coaches zahlt. Egal wer es ist, er wird niemals ihre, sondern immer seine eigenen Interessen vorrangig vertreten.
Anleger, die ihr Portfolio selbst verwalten, verlieren, je nachdem, welche Studie man heranziehen möchte, durchschnittlich zwischen 3% und 5% Rendite pro Jahr. Die Gründe sind in unserem intuitiven Verhalten, also unserem Steinzeithirn begründet. Addiert man dazu noch die durchschnittlichen Produktkosten eines deutschen Finanzproduktes, die durchaus zwischen 3% – 4,5% liegen können, muss man schon sehr sportlich an der Börse unterwegs sein, um eine positive Rendite zu erwirtschaften.
Fazit: „Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken“
Wer dieses einfache Prinzip von Heinz Erhardt beachtet, sich an den Grundlagen des Investierens orientiert und einen Coach zu Rate zieht, wird langfristig positive Investmenterfahrungen machen müssen. Wer günstig kauft, breit streut und seine eigenen intellektuellen Grenzen akzeptiert wird mit seiner Geldanlage eine Menge Freude haben.