Die Zinsen sinken: Das sollten Anleger jetzt beachten
Gerd HübnerMitte Oktober hat die Europäische Zentralbank die Zinsen bereits zum dritten Mal in diesem Jahr gesenkt. Welche Auswirkungen hat das auf die verschiedenen Anlageklassen?
„Die Zinsen wirken auf Vermögenswerte wie eine Schwerkraft“, soll der legendäre Investor Warren Buffett gesagt haben. Was er damit meint: Sind die Zinsen hoch, dann drückt das die Bewertungen aller Anlageklassen nach unten. Sinken sie, dann rechtfertigt das eine höhere Bewertung und die Preise der Vermögenswerte steigen.
Seit Juni dieses Jahres befinden wir uns nun in einem Zinssenkungszyklus. Dreimal hat die Europäische Notenbank den Leitzins in diesem Jahr schon gesenkt – aktuell liegt er bei 3,25 Prozent. Doch was passiert, wenn die Zinsen sinken? Worauf sollten sich Anleger einstellen?
Leitzins: Auswirkungen auf Tageskonten & Festgeld
Zuallererst hat der Leitzins Auswirkungen auf die kurzfristigen Zinsen. „Sparer, die ihr Geld auf Tageskonten liegen haben oder als Festgeld anlegen wollen, müssen deshalb mit einer sinkenden Verzinsung rechnen“, sagt Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg. Tatsächlich ist der Zins für Festgeldanlagen bei den meisten Kreditinstituten schon gesunken – von über vier Prozent in der Spitze auf unter drei Prozent.
Und selbst wer jetzt noch zu drei Prozent sein Geld fest anlegt, wird nicht viel Freude haben. „Festgeld läuft nur einen bestimmten Zeitraum, oft nur ein Jahr“, sagt Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung in Stuttgart. „Man muss heute aber damit rechnen, dass die Zinsen nach einem Jahr noch niedriger sind.“
Festverzinsliche Wertpapiere
Die Experten raten deshalb sich die aktuell noch attraktiven Zinsen längerfristig zu sichern. Eine Möglichkeit dazu bieten festverzinsliche Wertpapiere. Die Idee dahinter: Bei Anleihen bekommt der Anleger den Kupon über die gesamte Laufzeit. „Wenn Sie eine zehnjährige Anleihe kaufen, dann bekommen Sie die Verzinsung eben für zehn Jahre“, erklärt Rath.
Das Risiko: Dass es zu Zahlungsschwierigkeiten bei dem Emittenten kommt. „Das ist gerade in einem konjunkturell schwierigen Umfeld, wie wir es aktuell haben, nicht auszuschließen“, sagt Kaim. „Ich würde deshalb auf gute Bonitäten setzen, also eher Unternehmensanleihen aus dem Investment-Grade-Bereich, dafür aber eine längere Laufzeit.“ Schließlich bieten Anleihen mit längerer Laufzeit bei sinkenden Zinsen zusätzlich die Chance auf Kursgewinne. Für ein Investment in Anleihen empfiehlt Rath Exchange Traded Funds (ETFs). „Damit investieren Sie breit gestreut in viele Titel und können auch die Laufzeiten passend auswählen.“
Aktien: Chancen durch sinkende Zinsen
Chancen versprechen in einem Umfeld sinkender Zinsen auch Aktien. „Das gilt vor allem, wenn wir keine Rezession erleben, sondern eine sanfte Landung“, so Kaim. „Dann hätten wir sinkende Zinsen, die zu niedrigeren Refinanzierungskosten führen, bei gleichzeitig stabilen Unternehmensgewinnen, was ein ideales Umfeld für Aktien wäre.“ Dass die Aktienkurse in einem Zinssenkungszyklus aber nur steigen, davon ist nicht auszugehen. „Ich rechne zwar grundsätzlich damit, dass sinkende Zinsen höhere Bewertungen bei Aktien rechtfertigen, aber sie sind aktuell schon nicht mehr günstig und wir haben viele Unsicherheitsfaktoren und Risiken, weshalb Korrekturen nicht ausgeschlossen werden sollten“, so Rath.
Zudem ist fraglich, ob der gesamte Aktienmarkt gleichermaßen profitiert. „Wir sehen gerade im Euroraum eine schwache wirtschaftliche Entwicklung, weshalb ich zyklische Branchen wie Automobil oder Chemie eher meiden würde“, sagt Kaim. Dafür empfiehlt er, Unternehmen aus wachstumsstarken Branchen, insbesondere Technologietitel, zu wählen.
Immobilien: Was sinkende Zinsen hier bedeuten
Auch für den Immobilienmarkt sind sinkende Zinsen generell gute Nachrichten. „Tatsächlich sind die Finanzierungskosten wieder rückläufig“, sagt Kaim. „Lagen sie in der Spitze bei über 4,5 Prozent, so bekommen Kunden eine zehnjährige Finanzierung zum Teil derzeit für unter drei Prozent.“ Zudem scheinen sich die Immobilienpreise zu stabilisieren. „Zum Teil steigen sie sogar wieder“, so Rath. „Niedrigere Finanzierungskosten, hohe Mieteinnahmen und die gestiegenen Löhne führen insgesamt dazu, dass die Haushalte wieder mehr Geld in der Kasse haben und langsam wieder in Immobilien investieren.“
Viele Anlageklassen scheinen also im Umfeld sinkender Zinsen interessanter zu werden, während Tages- oder Festgeld an Attraktivität verlieren. Anleger sollten deshalb die Chancen, die der Zinssenkungszyklus bietet, nutzen
Zinssenkungen – gute Nachrichten für die Anschlussfinanzierung
Mit den aggressiven Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank kletterten auch die Konditionen für Baufinanzierungen – von etwa einem Prozent Anfang 2022 bis auf über vier Prozent in der Spitze. Wer in dieser Zeit eine Anschlussfinanzierung benötigte, für den hatten sich die Zinskosten massiv verteuert. Die gute Nachricht: Inzwischen ist die Baufinanzierung mit unter drei Prozent wieder möglich. Wer vor zehn Jahren ein Darlehen mit zehn Jahren Laufzeit aufgenommen hatte, musste damals rund 1,9 Prozent Zinsen zahlen. Dank der jüngsten Zinssenkungen ist eine Anschlussfinanzierung somit heute nicht mehr viel teurer.
Nicht beunruhigen lassen sollten sich Hausbesitzer auch davon, dass Banken zuletzt Kunden, die eine laufende Baufinanzierung haben, aufforderten, ihren Energieausweis vorzulegen. „Tatsächlich“, erläutert Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung, „muss man zwischen einer Finanzierung beim Kauf und der Anschlussfinanzierung oder Prolongation unterscheiden. Während beim Kauf der Energieausweis entscheidend ist, weil der Käufer in der Regel innerhalb von 24 Monaten bei einer renovierungsbedürftigen Immobilie die Heizung erneuern muss, genießt der Hauseigentümer Bestandsschutz in Bezug auf seine Heizung.“
Auch hat der energetische Zustand einer Immobilie und somit auch der Energieausweis bei der Anschlussfinanzierung keinen Einfluss auf die Konditionen. „Das ist nur beim Verkauf der Immobilie der Fall“, erklärt Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung. „Denn eine energetisch sanierte Immobilie hat einen besseren Werterhalt und wird einen höheren Verkaufspreis erzielen.“