Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Wir warten alle auf den nächsten Crash. Fragt man Analysten und Experten ist es keine Frage, ob ein Crash kommt, sondern nur wann er kommt. Für Einzelinvestoren und do-it-yourself Anleger ein großes Problem, denn sie sind psychologisch nicht in der Lage, das eigene Investment von ihren Emotionen zu trennen.

Nobelpreisträger Daniel Kahnemann hat wissenschaftlich nachgewiesen, dass Anleger Verluste mehr als doppelt so stark emotional belasten, als Gewinne sie erfreuen (Verlustaversion). Die Risikoaversion der Anleger steigt mit steigenden Märkten. Wenn ein schöner Gewinn absehbar ist, neigt man dazu, diese Gewinne mitnehmen zu wollen.

In fallenden Märkten verhält es sich ähnlich. ”Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende” ist ein bezeichnendes Sprichwort in Deutschland. Man verkauft also in aller Regel dann, wenn es absolut keinen Sinn macht.

Emotionen verleiten zu unlogischen Handlungen am Aktienmarkt

Bei potenziellen Anlegern verhält es sich dagegen genau andersherum. Steigen die Märkte rasant, steigt auch der Investitionswille. Optimismus in die Märkte und die Gier nach schnellem Geld verleiten oft zu unlogischen Handlungen am Aktienmarkt.

Unterstützt wird dieses Verhalten durch die Fondsindustrie. In steigenden Märkten wächst die Zahl der Fondsprodukte massiv. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Man wirft Produkte auf den Markt, die oft sinnbefreit sind und risikobehafteter als der Aktienmarkt selbst. Es werden tolle Hochglanzprospekte gedruckt, Auszeichnungen beigefügt und auf den Markt geworfen.

Anleger verstehen die Produkte nicht

Anleger kaufen dann meist, ohne zu verstehen, was sie kaufen und ohne zu wissen, ob es zu ihnen passt. Geraten wir dann in eine Bärenphase (fallende Kurse) sind die Verluste massiver, als es der Anleger vertragen kann.

Schaut man sich die Zu- und Abflüsse in Aktienfonds an, sieht man, dass die Zuflüsse in einer Bullenphase (steigende Kurse) enorm sind. Ist jedoch ein Crash eingetreten, die Aktien also billig, ist das ganze Kapital wieder abgezogen. Die Anleger verpassen dadurch meist die nachfolgende Erholungsphase ganz oder zumindest teilweise.

Anleger reagieren also extrem irrational und letztlich kontraproduktiv für ihr eigenes Vermögen.

ETF ist heute in aller Munde. Es gibt viele do-it-yourself Seiten, in denen man sich mit wenig Wissen, schnell ein eigenes Portfolio zusammenbauen kann. Laien helfen Laien, Profis findet man dort selten. Ein Portfolio mit ETF zusammenzustellen scheint durch diese Seiten vordergründig einfach. Wir streuen das Geld in verschiedene Märkte und kaufen zudem günstig ein. So weit, so richtig. Dennoch bleibt das gleiche Problem. Wir können nicht emotionslos investieren. Letztendlich ist ein ETF oder Indexfonds nur ein Produkt und nicht die eierlegende Wollmilchsau. Er unterliegt den gleichen Mechanismen wie alle börsengehandelten Produkte.

Emotion und ETF passen nicht zusammen

ETF und Indexfonds wurden konzipiert, um langfristig an den Märkten zu partizipieren. Was der bereits verstorbene Börsenguru André Kostolany postulierte, passt perfekt auf eine Geldanlage mit ETF oder Indexfonds. Er sagte einst: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich“
Die meisten ETF Anleger haben noch keinen richtigen Crash erlebt. Die Verlustaversion und Risikoaversion der Anleger sind in uns fest verankert und ändern sich nicht dadurch, dass man in ein gutes Produkt investiert.

Aber wie streicht man Emotionen aus seinen Investments?

1. Planen Sie

Für den, der seinen Zielhafen nicht kennt, ist kein Wind der Richtige. Sie müssen wissen, wie lange das Geld mindestens für Sie arbeiten kann. Dann haben Sie auch die Chance auf Gelassenheit, wenn eine Krise mitten in der Investmentphase eintritt. Der beste Plan taugt nicht, wenn er bei der ersten schwierigen Börsensituation über den Haufen geworfen wird.

2. Passen Sie das Portfolio Ihrem Plan und Risikoverhalten an

Nicht jeder Anleger hält das gleiche Risiko in einer Korrekturphase aus. Wann sind Sie als Anleger geneigt, aus den Märkten auszusteigen? Bei 10 % Verlust, bei 50 % Verlust? Oder bleiben Sie stabil bei Ihrer Anlagestrategie?

3. Streuen Sie Ihr Geld

Nur wer in allen Märkten unterwegs ist, hat die Chance ruhig zu bleiben, wenn ein Markt negativ performt. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die richtige Portfoliostruktur unabdingbar für den Anlageerfolg ist. Vermeiden Sie Klumpenrisiko und den Home Bias.

4. Suchen Sie sich einen Berater

John C. Bogle, Gründer von Vanguard, hat es sehr treffend formuliert: “Berater bewahren ihre Kunden vor kostspieligen Fehlern und genau das ist ihre Aufgabe.” Nach einer Studie von Andreas Hackethal verlieren Investoren durchschnittlich knapp 5 % Rendite durch falsches Handeln.

5. Vertrauen Sie den Märkten

Wenn wir davon ausgehen, dass die Zukunft annähernd so laufen wird, wie die Vergangenheit, werden Fondsanleger an den Märkten langfristig immer Gewinne machen. Die Börse hat deutlich mehr positive Investmentjahre als negative. Agieren Sie diszipliniert und versuchen Sie nicht den Markt zu schlagen, sondern werden Sie zum langfristigen Fondsanleger.

Wir in Deutschland sind langsam, wenn es um die Umsetzung von wissenschaftlichen Investmenterkenntnissen geht. Diese sind aber keine Geheimnisse, sondern in vielen Ländern gelebte Realität. Wenn wir wirklich erfolgreich werden wollen, müssen wir schneller und informierter werden und uns coachen lassen.

Karsten Matt

Honorarberater, Bürogemeinschaft Sincereo Investments

matt@sincereo.de