Zertifiziertes Hygienekonzept: Wie Ärzte Patientenängste vor einem Praxisbesuch verringern
A&W RedaktionIn Zeiten der Pandemie sind viele Patienten vorsichtig, bevor sie sich in die Hände eines Facharztes begeben. Vor allem Personen, die einer Risikogruppe angehören, sind verängstigt und vermeiden Arztbesuche. Um das Vertrauen der Patienten zurück zu gewinnen, können Praxisinhaber nun ihr Hygienekonzept zertifizieren lassen.
Die Corona-Krise trifft vor allem niedergelassene Fachärzte. Patienten verschieben den Termin beim HNO-, Haut- oder Augenarzt auf unbestimmte Zeit oder canceln die geplante Behandlung ganz. Die Folge: Wartezimmer bleiben leer, Umsätze brechen ein, einige Praxen mussten sogar Kurzarbeit anmelden. So sind je nach Fachrichtung die Umsätze aus der Behandlung von Privatpatienten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 35 bis 70 Prozent zurückgegangen, meldet der Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen.
Hohe Umsatzeinbußen
„Mein Umsatz ist um gut die Hälfte eingebrochen“, sagt Dr. med. Sven Fischer (Name geändert). Die Sprechstunde des Hautarztes, der neben allgemeiner auch ästhetische Dermatologie anbietet, besuchten mit Inkrafttreten der Corona-Maßnahmen fast nur noch chronisch Kranke und Tumorpatienten. Nach telefonischer Voranmeldung kamen wenige Notfall-Patienten in die Praxis. Verschiebbare Eingriffe durften lange nicht stattfinden. „So leere Wartezimmer habe ich in mehr als 20 Jahren Berufsleben noch nie erlebt“, sagt der Wahl-Hesse, der in einem Facharztzentrum arbeitet. Seit der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen zur Infektionsprävention hat sich das medizinische Angebot in dem Ärztehaus erheblich reduziert. Einige Praxisinhaber – darunter auch er – haben wegen ausbleibender Patienten Kurzarbeit angemeldet.
„Von leeren Wartezimmern und damit verbundenen Umsatzeinbußen sind vor allem Fachärzte betroffen“, weiß Markus Sobau, der seit mehr als 25 Jahren Ärzte oder Physiotherapeuten in Unternehmerfragen betreut. Inzwischen sei allerdings das Wissen bei den Entscheidern und der Leidensdruck bei vielen Patienten größer. „Natürlich ist es die Pflicht von Praxisinhabern, Patienten und Mitarbeiter zu schützen“, betont der Berater für Heilberufler. Nun gelte es jedoch, die reguläre Arbeit unter Einhaltung der Hygienevorschriften wiederaufzunehmen. „Um sowohl gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Patienten, als auch wirtschaftliche Schäden für Ärzte im Rahmen zu halten.“ Niemand habe schließlich etwas davon, wenn Praxen Kurzarbeit anmelden oder gar schließen müssen, statt ihre für die Gesellschaft wichtigen Aufgaben weiter ausführen können.
Staatlich gefördertes Hygiene-Konzept schafft Vertrauen
Auch wenn fehlende Umsätze bei weiterlaufenden Kosten so manchem Facharzt schlaflose Nächte bereiten, der niedergelassene Hautarzt Fischer findet: „Die gesundheitlichen Folgen für Patienten sind soweit überschaubar.“ Denn gehe es jemandem sehr schlecht, würde er sich melden und trotz der Corona-Maßnahmen einen Arzt aufsuchen. Der Dermatologe hofft auf einen baldigen Regelbetrieb: „Ich bin optimistisch, dass sich unser Tagesgeschäft mit den Lockerungen nun nach und nach reguliert.“
Berater Sobau glaubt, dass persönliches Vertrauen auf beiden Seiten eine wichtige Grundvoraussetzung für die Wiederaufnahme eines Normalgeschäfts ist. Dabei könne ein Hygiene-Konzept helfen. „Der Vorteil eines Hygiene-Konzeptes ist, dass stets nachgewiesen werden kann, wer zum Beispiel wann was desinfiziert und gereinigt hat“, erläutert Sobau. Der Patient kann sich die Dokumentation und auch die Bestätigung, dass nach den Standards des Infektionsschutzgesetzes gearbeitet wird, jederzeit zeigen lassen.
„Der Einsatz von Schutzmitteln wie Masken, Schutzkitteln und Handschuhen hat sich inzwischen in fast allen Praxen etabliert“, weiß der Berater aus seinem Berufsalltag. Die Dokumentation fehle allerdings mancherorts, ebenso wie die Nachweispflicht. Ein Hygiene-Konzept schaffe einen systematischen Rahmen für das richtige Verhalten. „Das sind in aller Regel Kleinigkeiten, die gerne mal vergessen werden. Benutzte Handtücher sollen etwa nicht aufeinandergelegt werden, sondern nebeneinander“, gibt der Fachmann ein Beispiel. Ein individuell angepasstes System und einen zugehörigen Eintrag ins deutsche Hygiene-Register fördert derzeit das Bundeswirtschaftsministerium mit einem Sonderprogramm. „Neben einem Einsatz von drei bis vier Stunden Schulung und Ortsbegehung haben Praxisinhaber in der Regel einen Selbstbehalt zwischen 500 und 900 Euro zu leisten“, erklärt Sobau. Die Restlichen Kosten der insgesamt rund 3000 Euro übernimmt die Bundesregierung im Rahmen der Wirtschaftshilfen.
Mehr Informationen unter: https://www.hygiene-schafft-vertrauen.de/