Privatpatienten: Psychiatrische Untersuchung per Telemedizin
Dieter JentzschSeit Beginn des Jahres gibt es Neuigkeiten zur Abrechnung ärztlicher Leistungen aus dem Abschnitt „G“ der GOÄ. Allgemeinmediziner, Internisten, Dermatologen und Fachärzte anderer Fachgebiete haben bei diesen Gesprächsleistungen mehr Freiheiten. Es dürfte weniger Rückfragen der Kostenträger geben.
Früher wurde oft behauptet, die 800er GOÄ-Positionen stünden ausschließlich Fachärzten für Psychiatrie oder Psychotherapie zu. Schon 2016 stellte die Bundesärztekammer (BÄK) allerdings klar, dass diese Leistungen (bis auf ganz wenige Ausnahmen) von allen Ärzten erbracht und liquidiert werden können.
Ausgelöst durch Corona galt seit April 2020 für viele Leistungen des Abschnitts „G“ der GOÄ die Ausnahme, dass sie dann per Videokontakt erbracht werden konnten, wenn Ärzte und Patienten sich pandemiebedingt nicht treffen konnten oder dies nicht zumutbar war. Seit dem April 2020 wurde diese Sonderregel immer wieder verlängert.
Relativ überraschend haben BÄK und PKV-Verband zum Jahresbeginn 2022 bekannt gegeben, dass losgelöst von den Sonderbedingungen in der Corona-Pandemie auch bei Privatpatienten die meisten Leistungen aus dem Abschnitt „G“ der GOÄ telemedizinisch (per Telefon oder als Videokonferenz) erbracht werden können. Dies gilt nun dauerhaft. Kurz zuvor war vom Gemeinsamen Bundesausschuss ebenfalls grünes Licht für die Abrechnung telemedizinischer Leistungen im GKV-Bereich gegeben worden.
Ärztliche Sorgfaltspflichten haben Vorrang
In den Bekanntgaben dazu wird erläutert, dass die ärztlichen Sorgfaltspflichten während der Diagnose und Behandlung gerade psychischer Symptome und Erkrankungen Vorrang haben. Sind also Ärzte überzeugt, dass sie Patienten persönlich treffen müssen, ist ein Video- oder Telefonkontakt nur zweite Wahl. Ärzte verantworten dies im Rahmen der Therapiefreiheit.
Psychiatrische Leistungen gehören inzwischen nicht allein bei den darauf spezialisierten Fachärzten zum Praxisalltag. Was sie durch ihre Gesprächsführung herausfinden, geht oftmals vom Patienten unbemerkt in weitere Leistungen über. Ob nach der Diagnostik durch Allgemeinmediziner oder andere Fachärzte dann ein Psychotherapeut oder Psychiater die Behandlung übernehmen muss, wird häufig schon beim Erstkontakt mit dem Patienten klar.
Die GOÄ fordert nicht den Facharztstatus
Am Beispiel der Nummer 801 GOÄ – gleich, ob im direkten Kontakt oder telemedizinisch erbracht – muss bei der Honorarabrechnung auf die Begriffe „vollständig“ und „eingehend“ geachtet werden! In der GOÄ wird eine „eingehende“ psychiatrische Untersuchung verlangt. Nummer 801 gilt bereits dann als vollständig erbracht (§ 4 GOÄ!), wenn aus den acht grundlegenden Bestandteilen einer psychiatrischen Untersuchung, nämlich Affekt, Antrieb, Bewusstsein, Denkablauf, mnestische Funktionen, Orientierung und Wahrnehmung, nur drei Teilbereiche untersucht wurden.
Dehnte sich die Untersuchung im Videokontakt noch auf weitere Teilbereiche aus, ist der Ansatz eines höheren Faktors nach § 5 GOÄ möglich. Den Ansatz des höheren Faktors können Ärzte z. B. mit dem Hinweis auf den Zeitaufwand oder die erhöhte Schwierigkeit bei mehr als drei Teilbereichen begründen.
Wechselseitige Leistungsausschlüsse
Gleichwohl gelten die wechselseitigen Leistungsausschlüsse. Neben Nummer 801 können nämlich die Nummern 4, 8, 715 bis 718, 825, 826, 830 und 1400 nicht berechnet werden. Finden Videokontakte außerhalb der üblichen oder vereinbarten Sprechzeiten statt, z. B. abends, nachts, samstags, sonn- oder feiertags, kann der sonst übliche Zuschlag bei Nummer 801 aus einem ganz einfachen Grund nicht angesetzt werden: Den Zuschlag gibt es nämlich nur für die GOÄ-Nummern 1, 3, 4, 5, 6, 7 oder 8!
Bei der Liquidation ist ebenfalls darauf zu achten, dass die formalen Bedingungen des § 12 GOÄ erfüllt werden. Wurde Nummer 801 auf telemedizinischem Weg erbracht, ist dies in der Rechnung anzugeben. Dies geschieht z. B. durch die Textangabe „801 – Videokontakt/-konsultation entsprechend 801 eingehende psychiatrische Untersuchung“.