Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Abrechnung

Eine gesetzlich versicherte Frau kommt zu ihrem Hausarzt, da sie auf dem Weg zur Arbeit gestürzt ist und eine Platzwunde im Bereich der rechten Kniescheibe hat. Wie üblich wird am Praxisempfang die Versichertenkarte eingelesen. Aber ist dies ein Fall für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) oder eher für die Gesetzliche Unfallversicherung (GUV), also die entsprechende Berufsgenossenschaft? Das ist für die ärztliche Behandlung eines Notfalles wie diesem erst einmal völlig egal. Sprich, nach Anamnese und körperlicher Untersuchung wird die Platzwunde kleinchirurgisch versorgt.

Siebtes Sozialgesetzbuch

Zurück zur Frage nach dem Kostenträger: Im siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII) werden die Aspekte der gesetzlichen Unfallversicherung behandelt. Dort steht in § 8 (1), dass Arbeitsunfälle bei einer versicherten Tätigkeit erfolgen. Im aktuellen Fall uninteressant, aber durch die Corona-Maßnahmen relevant: auch für Arbeitsunfälle im Homeoffice ist die jeweilige Berufsgenossenschaft als Gesetzliche Unfallversicherung zuständig. Wenn die Frau aus unserem Beispiel als Büroangestellte arbeitet und gestürzt ist, als sie im Büro einen Aktenordner holen wollte, ist es gar keine Frage, dies gehört zur versicherten Tätigkeit.

Aber wie ist dies in unserem Beispiel?

Das steht in § 8 ( 2) SGB VII. Denn dort steht unter 1., dass der direkte Weg zur und von der Arbeitsstelle ebenso durch die Gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt ist. Das fällt unter den Begriff des Wegeunfalls. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Unter 2. steht dort, dass vom direkten Weg abgewichen werden kann, wenn man auf dem Weg zur Arbeit eigene Kinder in die Schule bringen muss oder zum Beispiel mit einer weiteren medizinischen Fachangestellten auf dem Weg zur Praxis eine Fahrgemeinschaft bildet. Den kompletten § 8 (2) SGB VII finden sie im Kasten am Ende dieses Beitrags.

Was ist ein Arbeitsunfall?

Außer der eben besprochenen Definition, dass ein Arbeitsunfall bei der versicherten Tätigkeit und ein Wegeunfall in der Regel auf dem direkten Weg vom Wohnort zur Arbeit oder umgekehrt passiert, ist noch ein weiterer Aspekt wichtig, nämlich die Kausalität. Diese wird in § 8 (1) gefordert. Dort steht nämlich: Unfälle sind nach zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Bei unserem Beispiel ist dies klar: Der Sturz auf dem Weg zur Arbeit ist kausal für die Platzwunde, somit ist dies ein Wegeunfall und die GUV zuständig. Es ist auch völlig egal, wie man den Weg zurückgelegt hat, nämlich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto. Gehen wir einen Schritt weiter: Ein Mitarbeiter bückt sich, um ein heruntergefallenes Blatt aufzuheben. Als er sich wieder aufrichten will, gelingt dies nur unzureichend, da er, wie sich bei der Untersuchung herausstellt, einen akuten Bandscheibenvorfall hat. In diesem Fall ist die Kausalität eher gering.

Prozedere bei Arbeitsunfall

Die Patientin in unserem Beispiel wird kleinchirurgisch versorgt, nachdem eine Patellafraktur mit körperlicher Untersuchung als unwahrscheinlich scheint. Dabei darf der Umfang der Erstbehandlung nach § 9 der Allgemeinen Bestimmungen der UV-GOÄ das Maß des sofort Notwendigen nicht übersteigen. Abhängig vom Zeitraum der Krankschreibung oder Behandlung gibt es zwei Optionen:

  • Wenn ein Unfall zu Lasten der GUV abgerechnet wird und dieser entweder keine Krankschreibung über den Unfalltag hinaus oder keine Behandlung von mehr als sieben Tagen erfordert, muss der Erstversorger nach § 14 UV-GOÄ am Tag der Erstversorgung, aber spätestens am folgenden Werktag einen ärztlichen Unfallbericht nach Formulartext F1050 erstatten.
  • Zudem rechnet er auf Seite zwei des Formulars die erbrachten Leistungen der Erstversorgung ab. Ganz wichtig: Unvollständig ausgefüllte Unfallberichte oder D-Arztberichte werden von der GUV nicht honoriert. Außerdem muss der erstbehandelnde Arzt die Patientin darüber informieren, dass er an die GUV Daten übermittelt.
  • Wenn solch ein Unfall eine Krankschreibung über den Unfalltag hinaus oder eine Behandlung von mehr als sieben Tagen erfordert, muss der erstversorgende Arzt einen Durchgangsarzt (D-Arzt) einschalten. Der erstbehandelnde Arzt füllt dann nur den Kopf von Formulartext F1050 aus, kann dafür aber keine Gebühr abrechnen. Der D-Arzt schreibt einen Bericht nach Formulartext F1000. Der erstbehandelnde Arzt kann in unserem Fall die UV-GOÄ-Nummern 1 und 2002 samt allgemeinen Kosten formlos in Rechnung stellen (s. Tabelle 1).

Nur der D-Arzt oder die GUV darf weitere Leistungen, zum Beispiel die Beauftragung eines Radiologen oder aber die Verordnung von Gehstöcken veranlassen! Wenn der D-Arzt meint, dass eine allgemeine Heilbehandlung ausreichend ist, kann er diese per Überweisung an den Hausarzt übertragen.

Abrechnung UV-GOÄ
UV-GOÄ-Nr. Legende Honorar Allgemeine Kosten
1 Symptomzentrierte Untersuchung
bei Unfallverletzungen
7,33 € 1,52 €
2002 Versorgung einer kleinen Wunde
einschließlich Umschneidung und Naht
13,03 € 5,19€

Problemfälle

Einer der Fallstricke bei der UV-GOÄ besteht darin, dass der erstbehandelnde Arzt die Weiterbehandlung mit der GUV nur abrechnen darf, wenn ihn der D-Arzt dazu beauftragt. Gesetzt den Fall, dass unserer Patientin das Aufsuchen des D-Arztes zu aufwendig ist und sie nach sieben bis zehn Tagen zum Fäden ziehen in die Praxis des Erstbehandlers kommt, so könnte er zwar die Fäden ziehen, dies aber weder nach UV-GOÄ noch EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) abrechnen. Zudem muss der behandelnde Arzt nach § 16 die GUV am Tag der Feststellung oder am ersten Werktag danach darüber unterrichten, wenn der Unfallverletzte die Heilbehandlung abbricht oder nicht ausreichend mitwirkt. Spätestens dann wird die GUV den Bericht nach § 15 UV-GOÄ anfordern. Sollte sich herausstellen, dass eine Behandlung länger als sieben Tage dauert, so ist der Betroffene unverzüglich dem D-Arzt vorzustellen.

Der Normalfall

Gehen wir zum Normalfall zurück. Die Patientin hat den D-Arzt aufgesucht und dieser hat festgestellt, dass eine allgemeine Heilbehandlung ausreicht, was in rund 80 Prozent der Unfälle zutrifft. Für die allgemeine Heilbehandlung kann der D-Arzt zur Weiterbehandlung an den Hausarzt überweisen. Mit dieser Überweisung kann der Hausarzt tätig werden und zum Beispiel das Ziehen der Fäden abrechnen.

Als Alternative zur allgemeinen Heilbehandlung gibt es die besondere Heilbehandlung. Diese ist ambulant vom D-Arzt persönlich durchzuführen. Der Blick in die UV-GOÄ zeigt, dass sowohl das Honorar als auch die Kosten für die besondere Heilbehandlung bei identischer Nummer in der UV-GOÄ etwas höher sind. Daher prüfen die Kostenträger auch, ob eine besondere Heilbehandlung wirklich nötig ist.

Generell gilt, dass die Vorgaben für die wirtschaftliche Arzneiverordnung auch in der Gesetzlichen Unfallversicherung gelten.

UV-GOÄ

Die UV-GOÄ ähnelt der GOÄ in weiten Teilen. Es gibt aber Ausnahmen. So ist es in der UV-GOÄ zum Beispiel nicht möglich, analog abzurechnen.

Auch die Legende unterscheidet sich zwischen GOÄ und UV-GOÄ. Bleiben wir bei unserer Patientin aus dem Beispiel.

  • Nach der GOÄ würden die Nr. 1 und 5 sowie die Nr. 2002 abgerechnet für Beratung, symptombezogene Untersuchung und Wundversorgung einer kleinen Wunde mit Umschneidung und Naht.
  • In der UV-GOÄ beinhaltet die Nr. 1 die symptomzentrierte Untersuchung inklusive Beratung und die Nr. 2002 wie in der GOÄ die Wundversorgung einer kleinen Wunde mit Umschneidung und Naht.

In der UV-GOÄ sind die allgemeinen Kosten bei jeder Nummer angegeben, die mit in Rechnung gestellt werden können.Alternativ kann man statt dieses pauschalierten Betrages die Kosten im individuellen Fall abrechnen. Da diese komplett belegt werden müssen, ist den meisten Kolleginnen und Kollegen der Aufwand dafür zu hoch.

Sowohl in der GOÄ als auch in der UV-GOÄ ist die Nr. 200 für den Wundverband nicht extra abrechenbar. Denn bei der Erstversorgung einer Wunde ist der Verband Bestandteil der abgerechneten Leistung. Wenn die Frau nach drei Tagen erneut in die Praxis kommen würde, da die Wunde schmerzt, so kann nach der Inspektion der Wunde der erneute Verband mit Nr. 200 abgerechnet werden. Die Nr. 1 der UV-GOÄ lässt sich aber nur einmal im Behandlungsfall neben Nummern aus den Abschnitten C bis O der UV-GOÄ abrechnen.

Behandlungsfall GOÄ vs. UV-GOÄ

Bedeutungsvoll in diesem Zusammenhang ist auch die Definition des Behandlungsfalles in der UV-GOÄ. Anders als in der GOÄ, in der ein Behandlungsfall bei gleicher Diagnose ab dem Datum des Erstkontaktes einen Monat umfasst, gilt in der UV-GOÄ ein Behandlungsfall drei Monate lang.

Weiterbehandlung

In unserem Beispielfall hat der D-Arzt die Patientin zur allgemeinen Heilbehandlung an den erstversorgenden Hausarzt zurück überwiesen. Sie kommt, da es keine Probleme gibt, nach sieben Tagen zur Wundkontrolle. Obwohl es eine kleine Wunde mit weniger als drei Zentimetern Länge ist, hatte er bei der Erstversorgung drei Einzelknopfnähte gesetzt. Denn die versorgte Wunde liegt in einem mechanisch stark belasteten Bereich. Er entfernt jetzt nur die mittlere Naht und bestellt die Patientin drei Tage später zur Entfernung der restlichen beiden Nähte ein.

Für beide Termine kann er jeweils Nr. 2007 der UV-GOÄ sowie den Verband nach Nr. 200 der UV-GOÄ ansetzen.

SGB VII §8 (Auszug)
Wegeunfälle
Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a. das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.