Selbstständig – oder trügt der Schein? Was Sie wissen müssen
Themenpartner VirchowbundSie lassen sich von einem Kollegen oder einer Kollegin in der Arztpraxis vertreten oder sind als Honorararzt tätig? Dann sollten Sie sicher sein, dass keine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Ein Check kann sich lohnen.
Ob jemand selbstständig oder abhängig arbeitet, liegt nicht immer klar auf der Hand. In vielen Arztpraxen kommt sogenannte „Scheinselbstständigkeit“ vor, ohne dass sich die betroffenen Personen darüber im Klaren sind.
Scheinselbstständigkeit tritt auf, wenn jemand laut Vertrag als externer Dienstleister für eine Arztpraxis (oder ein Krankenhaus) arbeitet, jedoch faktisch wie ein regulärer Angestellter behandelt wird. Ein Beispiel: Eine Ärztin, die als “freie Mitarbeiterin” in einer Praxis aushilft, oder ein Physiotherapeut, der im Auftrag der Praxisinhaberin zusätzliche Leistungen für die Patienten erbringt.
Ob Sie Inhaber einer Praxis sind oder Arbeitnehmer, wie zum Beispiel eine angestellte Ärztin oder Mitarbeiterin: Es ist wichtig, die Kriterien für abhängige und selbstständige Tätigkeiten zu kennen. Eine falsche Einschätzung des Beschäftigungsstatus kann erhebliche finanzielle und rechtliche Risiken nach sich ziehen.
Folgende Unterschiede gibt es zwischen selbstständiger und abhängiger Beschäftigung:
Abhängig beschäftigt | Abhängig beschäftigt/angestellt | Unabhängig beschäftigt/selbstständig |
Eingliederung in den Praxisbetrieb | ja | Kann frei über die Arbeitskraft verfügen |
Weisungsgebundenheit bei Zeit und Ort | ja | frei in der Entscheidung |
Weisungsgebundenheit bei Aufgaben | bei manchen Aufgaben | frei in der Entscheidung |
Ablehnung von Aufträgen | nicht möglich | möglich |
Nutzung von Arbeitsmitteln | Arbeitsmittel werden gestellt | eigene Betriebsstätte und Arbeitsmittel |
Exklusivität | Nur für einen Arbeitgeber tätig | möglich für mehrere Arbeitgeber zu arbeiten |
Vertragliche Verpflichtungen | per Arbeitsvertrag verpflichtet | Dienstvertrag für bestimmte Leistungen |
Bezahlung und Rechnungsstellung | wie Angestellter mit Gehaltsabrechnung | höhere Bezahlung als Arbeitnehmer und Rechnungsstellung |
Eigenes Kapital | nicht involviert | involviert |
Sozialversicherungsschutz | ist gegeben, ebenso Anzahl von Urlaubstagen | kein Mindesteinkommen, kein Urlaubsanspruch, Unternehmensrisiko |
Beschäftigung von Personal | kein eigener Arbeitgeber bei abhängiger Beschäftigung | möglich, eigenes Personal zu beschäftigen |
Werbung für das eigene Unternehmen | nicht möglich | möglich |
In Sachen Weisungsgebundenheit haben Ärztinnen und Ärzte eine besondere Stellung: Sie üben einen freien Beruf aus und erhalten in ihrer ärztlichen Tätigkeit keine Weisungen, selbst wenn sie angestellt sind. Allerdings hängt dies auch davon ab, in-wieweit sie in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sind, zum Beispiel in einem Krankenhaus.
Eine Scheinselbstständigkeit kann Konsequenzen haben, sobald sie bekannt wird oder Verdachtsmomente vorliegen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Sozialversicherung prüft, ob der vermeintlich unabhängige Dienstleister tatsächlich ein Mitarbeiter ist. Auch bei Vertragsbeendigung und einer anschließenden Kündigungsschutzklage kann die Scheinselbstständigkeit aufgedeckt werden.
In solchen Fällen können Sozialversicherungsträger Nachforderungen stellen:
• Der bisherige Auftraggeber, der dann als tatsächlicher Arbeitgeber gilt, müsste die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung rückwirkend bis zu vier Jahre nachzahlen.
• Es können zusätzlich Säumniszuschläge von 1 % pro Monat anfallen.
• Rückwirkend müsste die Lohnsteuer beglichen werden.
• Darüber hinaus besteht die Gefahr eines Strafverfahrens gemäß § 266a des Strafgesetzbuches aufgrund der Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung.
Wenn Sie unsicher sind, wie die Beschäftigung einzustufen ist, können Sie bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Klärung des Status stellen. Zusätzlich bietet der Virchowbund eine individuelle Rechtsberatung als Teil der Mitgliedschaft an.
Von A wie Arbeitsrecht bis Z wie Zulassung: Der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands (Virchowbund) antwortet in der Kolumne „Praxis aktuell“ auf häufige Fragen, die niedergelassene und angestellte Ärzte und MFA im Praxisalltag umtreiben und gibt Tipps aus der Rechtsberatung.