Praxis gründen und übernehmen in der Hochzinsphase: So kann es gehen
Themenpartner VirchowbundDie Zinsen sind hoch und werden es bleiben. Viele Ärztinnen und Ärzte, die gründen möchten, fragen sich: Ist das finanziell überhaupt zu schaffen? Ja, ist es – mit diesen Tipps von Virchowbund-Praxisberaterin Margaret Plückhahn und der Steuerberatungsgesellschaft für Ärzte Bischoff & Partner.
Ärztinnen und Ärzte, die sich selbstständig machen wollen, stehen zurzeit vor der Herausforderung, eine Praxisgründung oder -übernahme überhaupt zu finanzieren. Gleichzeitig stehen viele Praxisinhaber vor dem Problem, geeignete Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Die steigenden Zinsen verschärfen diese Situation zusätzlich.
Selbst in Zeiten hoher Zinsen ist es durchaus möglich, eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen. Viele Ärzte, die im Ruhestand oder kurz davor sind, haben dies selbst erfolgreich getan. Diese Ratschläge können Ihnen den Weg ebnen:
1. Erkunden Sie Finanzierungsmöglichkeiten in Ihrer Region: Prüfen Sie zuerst, ob es in Ihrer Region Förderkredite oder andere Formen der Unterstützung gibt, die für Sie in Frage kommen könnten. Beispielsweise bietet die KfW öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten wie Gründerkredite, Startgeld oder ERP-Förderkredite an. Die Verfügbarkeit solcher Unterstützung variiert regional stark und unterliegt unterschiedlichen Fristen und Bedingungen.
2. Erstellen Sie einen soliden Businessplan: Mit steigenden Zinsen werden Kredite teurer, weshalb Banken strengere Anforderungen an angehende Praxisinhaber stellen, um sicherzustellen, dass diese die zusätzlichen finanziellen Belastungen bewältigen können. Ein detaillierter und überzeugender Businessplan ist entscheidend, um die Kreditbewilligung zu sichern.
3. Kalkulieren Sie alle Kosten ein: Berücksichtigen Sie nicht nur den Kaufpreis oder die Übernahmegebühr, sondern auch einmalige zusätzliche Ausgaben wie technische Ausrüstung, Materialien und Erstausstattung. Eine genaue Kostenplanung ist entscheidend.
Stellen Sie sicher, dass Ihr Plan angemessene die wirtschaftliche Anlaufzeit der Praxis berücksichtigt. Einkalkuliert werden müssen die laufenden Kosten wie etwa die Miete. Mittlerweile sind die Mieten zunehmend indexiert und an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Lesen Sie hier weitere Informationen und Tipps zur Indexmiete.
Auch die Personalkosten schlagen zu Buche. Diese sollten Sie aufgrund des Fachkräftemangels nicht zu niedrig ansetzen. Durch gutes Praxismanagement und durchdachte Arbeitsorganisation können Sie den Personalbedarf evtl. etwas senken. Mitglieder des Virchowbundes können hierfür die Praxisberatung nutzen.
In den Kostenplan gehören auch Ihre Lebenshaltungskosten und die Altersvorsorge.
Die Virchowbund-Praxisberaterin warnt: Derzeit nehmen die öffentlichen Ausgaben im Gesundheitswesen zu, die Finanzierung durch die Krankenkassen wächst aber nicht mit. Daher kann es heute länger dauern, bis sich eine Praxis wirtschaftlich gefestigt hat. Die Banken wissen dies natürlich auch und legen bei der Prüfung für einen Kredit strengere Maßstäbe an. Daher ist eine realistische Kostenplanung Ihrerseits besonders wichtig.
4. Steuern Sie die Belastungen über die Kreditlaufzeit: Sie können die monatliche Belastung eines Bankkredits reduzieren, indem Sie die Rückzahlung über einen längeren Zeitraum strecken. Dann zahlen Sie monatlich niedrigere Raten.
Planen Sie tilgungsfreie Jahre von Anfang an mit ein und denken Sie an die Möglichkeit von Sondertilgungen. Außerdem sollten Sie bedenken, dass die Tilgung am Ende der Kreditkaufzeit aus versteuerten Gewinnen finanziert wird.
Behalten Sie die Zinsentwicklung im Auge, sodass Sie eine Zinsbindung wählen können – sind Zinssteigerungen oder Unsicherheit zu erwarten, ist eine Zinsbindung über die gesamte Kreditlaufzeit sinnvoll.
5. Nutzen Sie Chancen auf dem Land: Sind Sie als Praxisübernehmer bereit, ins ländliche Umfeld zu pendeln oder Ihren Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen, treffen Sie dort zurzeit wahrscheinlich auf eine Auswahl an Praxen, denn der Mangel an Nachwuchs steht gerade auf dem Land einer Vielzahl an Praxisabgebern gegenüber.
Neben der Recherche nach Förderung kann es hilfreich sein, wenn Praxisabgeber und Praxisübernehmer zusammen ein Konzept erarbeiten, das beiden nützt: Ein Gesamtpaket aus Kaufpreis, direkter oder indirekter Förderung, z.B. durch die Kassenärztliche Vereinigung, eine zeitweilige Mitarbeit des abgebenden Arztes etc. In Kombination mit den höheren Zinsen führt dies zu niedrigeren Übernahmepreisen.
Auch heute ist die Niederlassung für viele nicht nur persönlich der richtige, sondern auch ein erfolgversprechender Weg. Schließlich haben die meisten der heutigen Praxisabgeber ebenfalls in einer Hochzinsphase gegründet und dennoch weit mehr an Lebenseinkommen erwirtschaftet als angestellte Ärztinnen und Ärzte (Chefärzte und -ärztinnen ausgenommen).
Die Selbstständigkeit in der Praxis bietet immer noch die Möglichkeit, ein solides Einkommen zu erzielen, mit einem gut durchdachten Ansatz auch bei hohen Zinsen und Herausforderungen. Auf seiner Homepage gibt der Virchowbund weitere Tipps.
Von A wie Arbeitsrecht bis Z wie Zulassung: Der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands (Virchowbund) antwortet in der Kolumne „Praxis aktuell“ auf häufige Fragen, die niedergelassene und angestellte Ärzte und MFA im Praxisalltag umtreiben und gibt Tipps aus Rechts- und Praxisberatung.