Jameda: Ärzte sehen Patientenbewertung künftig vor Veröffentlichung
Marzena SickingDie Begeisterung vieler Ärzte für das Online-Arztbewertungs-Portal Jameda hält sich in Grenzen. Zu den Gründen dafür zählt u.a. die Veröffentlichung von kritischen Patientenfeedbacks. Auf entsprechende Kritik konnten Ärzte bisher nur nach Veröffentlichung der Bewertung reagieren. Das soll sich jetzt ändern.
Was genau ist jameda?
jameda wurde 2007 gegründet und ist nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Arzt-Patienten-Portal. Patienten finden hier Adressen von Ärzten in ihrer Nähe und können die Praxis bewerten. Ärzte können auf jameda ein professionelles Profil ihrer Praxis anlegen und zusätzlich Services wie Online-Terminvereinbarung und Video-Sprechstunde anbieten. Nach Angaben von jameda nutzen jeden Monat mehr als 8 Mio. Patient:innen die Arztsuche.
Woher hat Jameda seine Daten?
Jameda erstellt aus allgemein zugänglichen Daten von allen Ärzten sogenannte Basisprofile. Diese enthalten Namen, akademischem Grad, Fachrichtung, Praxisanschrift, weiteren Kontaktdaten und Sprechzeiten. Patienten können das Portal nicht nur für die Arztsuche nutzen, sie können nach der Behandlung auch direkt eine Arztbewertung abgeben.
Warum sind nicht alle Ärzte begeistert von jameda?
Das Bewertungsportal steht daher immer wieder in der Kritik. Denn negative Bewertungen durch Patienten im Internet können einer Arztpraxis erheblichen Schaden zufügen. Im Kern geht es immer um die Frage, ob die negative Bewertung berechtigt ist oder nicht oder ob es sich sogar um eine Fake-Bewertung handelt.
Wie Arztbewertungen auf jameda funktionieren
Jameda hat angekündigt, bei der Prüfung der Arztbewertungen der Patienten künftig neue Wege zu gehen. Ab sofort erhalten alle auf dem Portal registrierten Ärzte und Heilberufler eine E-Mail über den Eingang und den Inhalt einer neuen Arztbewertung. Dies geschieht, bevor die Arztbewertung überhaupt auf ihrem Profil veröffentlicht wird.
Widerspruch bisher nur nach Veröffentlichung möglich
Bisher bekamen auf Jameda gelistete Ärzte Kritik erst mit, wenn die Arztbewertung bereits auf dem Portal veröffentlicht und damit für andere Patienten sichtbar war. Jetzt gibt es zumindest etwas Vorlauf: Ab Erhalt der Benachrichtigung über eine neue Bewertung kann der Arzt bzw. die Ärztin innerhalb einer 24-stündigen Frist reagieren.
Ärzte können dabei aus drei Möglichkeiten wählen:
- Den Beitrag auf Jameda direkt und ohne Wartefrist veröffentlichen lassen,
- diesen kommentieren
- oder, wenn man z.B. an eine Fake-Bewertung glaubt, ihn dem jameda Qualitätsmanagement zur weiteren Prüfung melden.
Diese drei Optionen gab es bisher auch schon, allerdings erst nach Veröffentlichung des Patientenbeitrags.
Nehmen Ärzte jameda Arbeit ab?
Erste Kritik zu dem neuen Weg wird auch hier aut. Besonders viel Zeit räumt das Bewertungsportal den Ärzten für die Sichtung der Jameda Bewertung mit 24 Stunden nämlich nicht ein. Außerdem profitiert das Unternehmen ebenfalls, weil es den Ärzten so die Vorarbeit der Plausibilitätsprüfung überlässt, so die Vermutung. Denn der bei ihnen oftmals so verhassten Veröffentlichung der negativen Bewertungen von Patienten grundsätzlich widersprechen können Ärzte auch weiterhin nicht.
Wie jameda erklärt, ist das Misstrauen der Ärzte gegenüber dem Portal aber unberechtigt: „Mit der Neuerung, dass wir von jameda Ärzte bei Eingang eines neuen Patientenerfahrungsberichtes vor Veröffentlichung informieren, setzen wir einen Wunsch um, den die Ärzteschaft an uns herangetragen hat. Durch dieses Entgegenkommen nehmen uns die Ärzte keine Arbeit ab – selbstverständlich prüft das jameda Qualitätsmanagement weiterhin auch schon vorab auf Authentizität. Mit der Anpassung setzen wir vielmehr verbesserte Qualitätsstandards um.“
jameda ist das Feedback der Ärzte wichtig
Auch Dr. Florian Weiß, Geschäftsführer von jameda betont die positiven Aspekte der Neuerung: „jameda ist davon überzeugt, dass authentische und konstruktive Patientenerfahrungsberichte einen wertvollen Beitrag für mehr Qualität im Gesundheitswesen leisten und Patienten so die wichtige Wahl des passenden Arztes erleichtern. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass diese Art der Transparenz Ärzte vor Herausforderungen stellt. Daher stehen wir schon immer in einem engen Austausch mit Ärzten und deren Vertretern. Mit dem Angebot, Ärzten schon vor Veröffentlichung eines Berichtes die Möglichkeit zur Reaktion zu geben, möchten wir daher nicht nur die Qualitätsprüfung um eine weitere Instanz verbessern, sondern Ärzten auch das Signal geben, dass wir ihre Anliegen sehr ernst nehmen und – wenn möglich – immer bereit sind, jameda mit ihrem Feedback weiterzuentwickeln.”
Update 10 /2021: Laut BGH kein Anspruch auf Löschung von Daten
Am 12.10.2021 prüfte der Bundesgerichtshof anhand von zwei Klagen (Az: VI ZR 489/19 und Az: VI ZR 488/19), ob Ärzte einen Anspruch auf Löschung ihrer Daten von der Plattform jameda haben. Die zwei Zahnärzte wurden auf dem Arztbewertungsportal anhand von Basisprofilen dargestellt. Sie hatten aber nie eine Einwilligung gegeben, auf dem Bewertungsportal gelistet zu werden. Mit ihren Klagen verlangten sie zum einen die vollständige Löschung ihrer Daten. Zum anderen forderten sie, dass das Portal es auch in Zukunft unterlässt, Profile über sie zu veröffentlichen.
Das Zahnarztpaar argumentierte, jameda sei kein neutraler Informationsvermittler, da Premium-Kunden gegenüber Kunden mit Basisprofilen unzulässige Vorteile hätten. Dies wäre ein Widerspruch zum Transparenzanspruch der Plattform.
Nachdem das Landgericht Bonn (Az. 9 U 157/18 bzw. 18 U 143/18) den beiden Klagen stattgegeben hatte, wurden die Anträge auf Löschung in den dagegen gerichteten Berufungen vor dem Oberlandesgericht Köln (Az. 15 U 89/19 bzw. 15 U 126/19) zurückgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts ist die Zulässigkeit der Profilerstellung an Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zu messen. Demnach muss die Verarbeitung der Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Nutzer erforderlich sein und darf die Interessen der Kläger als betroffene Personen nicht überwiegen.
Das Gericht berief sich außerdem auf die Grundsätze des BGH-Urteils vom 20. Februar 2018 (VI ZR 30/17, GRUR 2018, 636). Danach erfüllt jameda eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion. Die sei nur hinfällig, wenn die Stellung als neutraler Informationsmittler nicht mehr gewahrt werde. Das sei unter anderem der Fall, wenn das Portal seinen eigenen Kunden in Gewinnerzielungsabsicht verdeckte Vorteile verschaffe und die Basiskunden nur als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benutzt würden. Das konnten die Richter aber hier insgesamt nicht erkennen.
Der BGH verneinte in seinem Urteil einen Anspruch auf Löschung der Profile von der Plattform, da die Funktion von jameda als neutraler Informationsmittler gesellschaftlich erwünscht sei. Zudem sah der BGH keine verdeckte Vorteilsverschaffung in der Darstellung der Premium-Profile. Die Revision der Kläger wurde vollständig zurückgewiesen.