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Recht

Belästigung, ungleicher Lohn für gleichwertige Tätigkeit, vermeintliches Vergessen bei der Beförderung, Diskriminierung beim Bewerbungsverfahren oder Benachteiligung aufgrund von Schwangerschaft oder Elternzeit gehören primär bei Frauen zum Arbeitsalltag. „Bemerkenswert ist dabei, dass in zahlreichen Unternehmen noch immer eine Informationslücke darüber klafft, was Sexismus überhaupt bedeutet, welchen rechtlichen Rahmen es dafür gibt und wann Arbeitgeber einschreiten müssen“, weiß Rebecca Gellert, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Arbeits- und Immobilienrecht bei der Korten Rechtsanwälte AG.

Was versteht man im Arbeitsalltag unter Sexismus?

Sexismus im Job ist mehr als ein „dummer Spruch“ des Kollegen oder die Aufforderung des Chefs, als Dienstkleidung einen Rock zu tragen. „Wer sich im deutschen Recht auf die Suche nach einer Definition begibt, wird im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fündig“, so Rebecca Gellert.

Demnach fallen alle Handlungen und Äußerungen, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts herabwürdigen darunter. Anzügliche Bemerkungen, ungewollte Berührungen und obszöne Witzeleien gehören zu den verbreitetsten Ausprägungen des Sexismus im Arbeitsalltag.

„Unangebrachte Fragen mit sexuellem Hintergrund fallen aber ebenso darunter, wie Hinterherpfeifen oder das Teilen von pornografischen Inhalten“, fügt die Juristin an. Selbst kurze Berührungen können eine Belästigung darstellen, sofern sie unerwünscht sind.

Was Sexismus ist, entscheidet das Opfer

Im Job verschwimmen dabei die Grenzen zwischen vorsätzlichem und unbeabsichtigtem Sexismus. „Hinzu kommt, dass er sich oft auch ironisch und vermeintlich wohlwollend zeigt und ‚nur als Spaß‘ unter Kollegen gemeint war“, erläutert die Anwältin. Es gilt jedoch: Nicht die Beurteilung der Aggressoren ist ausschlaggebend, sondern das Unwohlsein der Betroffenen im Zusammenhang mit einer objektiven Betrachtung durch einen Dritten.

Wie Opfer von Sexismus am Arbeitsplatz reagieren sollten

Werden Menschen im Job mit Sexismus konfrontiert, wissen sie häufig nicht, wie sie damit umgehen sollen. Zumeist ist die erste Reaktion Scham, dicht gefolgt von Selbstzensur und Vermeidungsstrategien. Was also tun? „Fühlen sich Mitarbeiter in einer Situation unwohl, belästigt oder genötigt, gilt es, das sexistische Gebaren des Gegenübers offen anzusprechen und zu hinterfragen“, erklärt Rebecca Gellert. „Führt das zu keiner Verbesserung der Situation, heißt es Unterstützung suchen.“

Suchen Sie sich Verbündete!

Vertrauenspersonen innerhalb des eigenen Unternehmens, beispielsweise Kollegen oder Vorgesetzte, stellen dabei gute Ansprechpartner dar – sofern sich diese nicht despektierlich verhalten. Sollte auch das keine Wirkung zeigen, können Betroffene sich mit dem Betriebsrat oder der zuständigen Gewerkschaft in Verbindung setzen. „In einigen größeren Firmen gibt es mittlerweile eigene Stellen für Beschwerden“, unterstreicht die Rechtsanwältin.

Parallel dazu arbeiten manche Unternehmen auch proaktiv am Betriebsklima, indem sie einen verbindlichen Verhaltenskodex mit Richtlinien für einen respektvollen und rücksichtsvollen Umgang vorgeben.

Fristlose Kündigung nach Belästigung nicht ausgeschlossen

In jedem Fall obliegt es dem Arbeitgeber, Beschwerden über Sexismus nachzugehen und, falls erforderlich, diskriminierendes Verhalten zu unterbinden. „Je nach Schwere des Falls stehen dem Unternehmen hier verschiedene arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Verfügung“, weiß die Juristin. Sollten Rüge und Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung führen, kann es auch zur Umstrukturierung eines Teams oder als Ultima Ratio zur Kündigung kommen. Auch eine fristlose Kündigung ist nicht ausgeschlossen.

Was Arbeitgebern blüht, wenn sie nach Sexismus-Vorwürfen nicht reagieren

Haben Betroffene das Gefühl, ihr Arbeitgeber kommt der Fürsorgepflicht nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maße nach, stehen ihnen drei Handlungsoptionen offen. Laut § 13 AGG kann eine Beschwerde eingereicht werden, die der Betrieb prüfen muss. Außerdem steht es Beschäftigten auf Grundlage von § 14 AGG frei, die Tätigkeit ohne Gehaltseinbußen einzustellen, sofern dies dem eigenen Schutz dient.

Darüber hinaus besteht gemäß § 15 AGG ein Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz, soweit ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot erfolgt ist. Die schriftliche Geltendmachung eines solchen Anspruchs unterliegt grundsätzlich einer Frist von zwei Monaten. „Ob eine Benachteiligung vorliegt, ist dann im Einzelfall und unter Abwägung sämtlicher Umstände zu prüfen“, schließt Rebecca Gellert.

Quelle und weitere Informationen unter: www.korten-ag.de