Wie Sie den richtigen Anwalt finden
Ina ReinschImmer wieder wird die ARZT & WIRTSCHAFT-Redaktion gefragt: „Können Sie mir einen Anwalt empfehlen?“. Nein, können wir leider nicht, weil der „richtige“ Anwalt etwas höchst Individuelles ist. Aber wir können Ärztinnen und Ärzten sagen, wie sie selbst einen guten Anwalt für ihr Anliegen finden. Die zehn wichtigsten Fragen und Antworten zur Anwaltssuche.
Wenn Niedergelassene einen neuen Praxismietvertrag unterschreiben, eine MFA gegen ihre Kündigung klagt oder ein Regress von der Kassenärztlichen Vereinigung ins Haus flattert, ist es möglicherweise Zeit, einen Rechtsanwalt um Rat zu fragen. In Deutschland waren zum 1. Januar 2023 165.186 Rechtsanwältinnen und -anwälte zugelassen, über ein Drittel von ihnen sind Frauen. Doch wie soll man unter ihnen den oder die Richtige finden?
Es ist nicht nur die große Anzahl an Anwälten, die die Entscheidung schwer macht. Hinzu kommen 24 Fachanwaltsbezeichnungen und etliche Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte. So ist ein Fachanwalt für Strafrecht vielleicht nicht der Richtige, um ein kompliziertes Mandat im Kassenarztrecht zu übernehmen; eine Anwältin mit dem Interessengebiet Arbeitsrecht möglicherweise weniger fit im Arbeitsrecht als eine Fachanwältin für Arbeitsrecht. Vielleicht haben Kollegen einen Anwalt empfohlen, der in einem anderen Bundesland sitzt, oder der wärmstens empfohlene Anwalt in der Nähe ist einem einfach unsympathisch. Wie wichtig sind alle diese Faktoren für die Wahl des richtigen Anwalts – und damit den Erfolg in der Sache? Folgende Fragen und Antworten können für Klarheit sorgen.
Welchen Anwalt brauche ich überhaupt?
Klären Sie an erster Stelle das rechtliche Anliegen. Als Landarzt, der auf den Führerschein dringend angewiesen ist, im Verkehr geblitzt? Dann brauchen Sie einen Verkehrsrechtler. Ein Patient klagt wegen einer nicht gut verlaufenen Behandlung? Dann benötigen Sie einen auf Medizinrecht spezialisierten Anwalt. Es ist wichtig, einen Anwalt zu finden, der über Fachkenntnisse im relevanten Rechtsgebiet verfügt. Wenn das Fachgebiet – zum Beispiel Medizinrecht – klar umrissen ist, können Ärztinnen und Ärzte nach einem Fachanwalt auf diesem Gebiet suchen.
Sollte der Anwalt ein Fachanwalt sein?
Fachanwälte sind die Profis auf ihrem Gebiet. Für einen Fachanwaltstitel – zum Beispiel Fachanwalt für Migrationsrecht oder Fachanwältin für Sportrecht – müssen Rechtsanwälte besondere Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen. Erforderlich sind 120 Stunden Theorie sowie eine bestimmte Anzahl von bearbeiteten Fällen aus dem jeweiligen Fachgebiet. Derzeit gibt es 24 verschiedene Fachanwaltstitel. Anwälte dürfen maximal drei führen. Für Ärztinnen und Ärzte könnten unter anderem Fachanwälte für Strafrecht, Steuerrecht, Medizinrecht, Arbeitsrecht und Miet- und Wohnungseigentumsrecht wichtig sein. Generell gilt: Je schwieriger die Materie oder die Fragestellung, desto hilfreicher kann es sein, wenn der Anwalt über Spezialkenntnisse verfügt. Kassenarztrecht gehört beispielsweise zu den kompliziertesten Rechtsmaterien im deutschen Recht. Hier sind die Profis gefragt. Doch wie immer gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. So gibt es etwa Anwälte, die ausschließlich im Arbeitsrecht arbeiten, ohne einen entsprechenden Fachanwaltstitel zu führen, und die hervorragende Arbeit leisten.
Was bedeuten Tätigkeitsschwerpunkte und Interessenschwerpunkte bei Anwälten?
Jeder Rechtsanwalt kann unabhängig von einem Fachanwaltstitel Interessenschwerpunkte benennen, auf denen er über Spezialkenntnisse verfügt. Hat der Anwalt mindestens zwei Jahre nachhaltig auf seinem Fachgebiet gearbeitet, kann er diese Spezialisierung als Tätigkeitsschwerpunkt bezeichnen. Eine inhaltliche Kontrolle findet aber nicht statt. Manche Anwälte bezeichnen sich auch als Spezialist. Diese Bezeichnung gibt es offiziell nicht. Die Rechtsprechung verlangt aber, dass ein solcher Anwalt Kenntnisse hat, die mit einem Fachanwalt vergleichbar sind.
Gibt es Fälle, in denen ich mir zwingend einen Anwalt nehmen muss?
Ja. Man bezeichnet dies als Anwaltszwang. Er besteht zum Beispiel bei Zivilprozessen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten. Auch in bestimmten Straf- und Bußgeldverfahren benötigen Beschuldigte einen Rechtsanwalt als Verteidiger. Er kann selbst gewählt oder vom Gericht bestellt werden. Arzthaftungsprozesse finden in der ersten Instanz fast immer vor einem Landgericht statt, weil der Gegenstandswert hier in der Regel mehr als 5.000 Euro beträgt. Hier besteht Anwaltszwang.
Für außergerichtliche Verhandlungen ist ein Anwalt dagegen nicht zwingend erforderlich. Anwaltszwang besteht darüber hinaus an den großen deutschen Gerichten wie dem Bundesgerichtshof, den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht, dem Bundesfinanzhof und dem Bundessozialgericht. An Amtsgerichten können Ärztinnen und Ärzte allein auftreten, müssen sich also nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ausnahmen gibt es für bestimmte Familiensachen. Auch wenn kein Anwaltszwang besteht, empfiehlt es sich in vielen Fällen, einen Anwalt hinzuzuziehen.
Ist es besser, einen Anwalt in meiner Nähe zu nehmen?
Heute lassen sich über moderne Kommunikationsmittel viele Probleme gut mit einem Anwalt lösen, der nicht vor Ort ist. Sollte es aber zu einer Gerichtsverhandlung, einer Anhörung oder einem Schlichtungsvorschlag vor Ort kommen, fallen für einen auswärtigen Anwalt bei seiner Anreise zusätzliche Kosten an. Hinzu kommt: Ein Anwalt aus der Umgebung ist in der Regel mit den Gepflogenheiten der Gerichte oder Kassenärztlichen Vereinigungen vor Ort vertraut, kennt die beteiligten Richter, Staatsanwälte oder Prüfgremien oft aus früheren Verfahren und kann daher die Erfolgsaussichten besser einschätzen und die Prozesstaktik an den Beteiligten ausrichten.
Taugt der Anwalt von der Rechtsschutzversicherung?
Gleich vorweg: Ärztinnen und Ärzte, die über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, müssen nicht den von der Assekuranz vorgeschlagenen Anwalt nehmen. Sie dürfen auch einen anderen Anwalt beauftragen. Den vorgeschlagenen zu nehmen, hat den Vorteil, dass Ärzte nicht selbst nach einem Rechtsbeistand für ihr Anliegen suchen müssen. Oft erhalten Anwälte, die von der Rechtsschutzversicherung empfohlen wurden, aber kein besonders hohes Honorar, sodass sie in dem Ruf stehen, gerade komplizierte und zeitaufwendige Fälle nicht mit dem erwünschten Engagement zu betreiben. Pauschal lässt sich die Frage aber nicht beantworten.
Sollte ich bei der Anwaltssuche persönlichen Empfehlungen oder Bewertungen im Internet folgen?
Empfehlungen von Kollegen oder Freunden sind sicher gut. Doch zu viel sollte man darauf nicht geben. Vielleicht hatte der Kollege ein ganz anderes Problem? Oder die Bekannte kommt mit einem Typ Anwalt gut klar, mit dem man selbst nichts anfangen kann. Wichtiger als Sympathie sind für den Ausgang eines Rechtsstreits Fachwissen, Erfahrung und Verhandlungsgeschick. Allerdings sollte man die Chemie auch nicht ganz außer Acht lassen. Wichtig kann für Ärztinnen und Ärzte etwa sein, ob der Anwalt zuverlässig zu erreichen ist, rasch zurückruft, den Mandanten in alle Schritte einbindet und diese auch erklärt.
Bewertungen von Anwälten auf bestimmten Internetportalen sind ebenfalls nur bedingt aussagekräftig. So kann der bewertete Anwalt etwa gezielt besonders zufriedene Mandanten um die Abgabe einer Bewertung bitten. Interessanter für potenzielle Mandanten ist eigentlich ein Blick auf die Website des Anwalts: Welche Rechtsgebiete deckt er ab? Welche Kompetenzen hat er (Fachanwaltstitel, Veröffentlichungen, Professur)? Wie stellt er sich selbst, seine Arbeitsweise und seine Kanzlei dar?
Wie kann ich im Internet einen geeigneten Anwalt finden?
Es gibt zahlreiche Seiten, auf denen Ärztinnen und Ärzte nach einem geeigneten Anwalt suchen können. Bekannte Seiten sind zum Beispiel:
- anwalt.de
- anwalt24.de
- klugo.de
- anwalt-suchservice.de
- anwaltsauskunft.de (die Anwaltssuche des Deutschen Anwaltvereins)
- die Verzeichnisse der lokalen Rechtsanwaltskammern (davon gibt es 28)
Auf den Seiten lässt sich meistens nach dem Rechtsgebiet und dem Standort filtern. Auf der Seite „frag-einen-anwalt.de“ können Nutzer eine Rechtsfrage stellen und angeben, was ihnen die Antwort wert ist. Die Frage wird dann für das genannte Honorar von einem Rechtsanwalt beantwortet. Für komplizierte Fallgestaltungen dürfte sich dieses Vorgehen eher nicht eignen. Das liegt daran, dass ein Anwalt, um einen Sachverhalt rechtlich zuverlässig beurteilen zu können, in der Regel detailliertere Informationen sowie Einblick in sämtliche Schriftstücke und Verträge haben muss. Die Seite ist dennoch interessant, weil man über die Antworten anderer Nutzer oft auf gute Anwälte stößt.
Muss mir der Anwalt sympathisch sein?
Es gibt Menschen, die ihren Anwalt ausschließlich nach Sympathiegesichtspunkten auswählen. Eine gute Chemie erleichtert natürlich die Zusammenarbeit. Wichtiger ist aber die fachliche Kompetenz. Der Anwalt muss sein Fachgebiet beherrschen, gut argumentieren können und Verhandlungsgeschick besitzen. Gänzlich unsympathisch sein sollte man sich aber nicht. Sie müssen zwar keine Freundschaft mit dem Anwalt schließen, werden aber bei größeren Rechtsstreitigkeiten einige Zeit mit ihm verbringen. Daher ist es zum Beispiel wichtig, dass Sie dieselbe Strategie verfolgen. Wer eher eine gütliche Einigung anstrebt, als auf Biegen und Brechen Recht zu bekommen, wird sich bei einem Anwalt, der wegen jeder Kleinigkeit zu einer Klage rät, nicht gut aufgehoben fühlen.
Was kostet der Anwalt?
Privatpersonen zahlen für eine Erstberatung maximal 226,10 Euro (inkl. Mehrwertsteuer). Für Freiberufler wie Ärztinnen und Ärzte kann es aber teurer werden. Bei einer Mandatierung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einige Anwälte rechnen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ab. Hier richteten sich die Kosten nach dem Gegenstandswert (außergerichtlich) beziehungsweise Streitwert (gerichtlich) der Sache.
Andere treffen eine Vergütungsvereinbarung und lassen sich etwa nach Zeitaufwand bezahlen. Verlangt werden üblicherweise zwischen 150 und 500 Euro je Zeitstunde. Gezahlt wird zum Beispiel für jede angefangenen sechs Minuten oder 15 Minuten. Auch Pauschalhonorare sind möglich.
Fachanwälte sind in der Regel teurer als Anwälte ohne Fachanwaltstitel, in Großstädten wie München oder Hamburg sind die Honorare oft höher als in kleineren Orten. Was der Anwalt kostet, sollten Sie zu Beginn offen mit ihm besprechen. Zusätzlich zu den Kosten des Anwalts fallen bei einem Prozess noch Gerichtskosten an. Vom Deutschen Anwaltverein gibt es einen Prozesskostenrechner, der die eigenen Anwaltskosten, die der Gegenseite sowie die Gerichtskosten je nach Streitwert berechnet (anwaltsblatt.anwaltverein.de/apps/prozesskostenrechner).
Checkliste |
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Wie Sie sich auf den Termin beim Anwalt vorbereiten
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