Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Wettbewerbsrecht

Werbeanrufe in der Arztpraxis sind nicht nur lästig und stören den Praxisbetrieb, sie sind in den meisten Fällen auch unzulässig. Im Jahr 2021 sind bei der Bundesnetzagentur 79702 schriftliche Beschwerden wegen unerlaubter Werbeanrufe eingegangen. Die Beschwerdezahl zu Telefonwerbung steigt damit seit mehr als 6 Jahren kontinuierlich an. Bei unerwünschten Werbeanrufen in der Arztpraxis zeigt sich einmal mehr, wie wichtig geschulte und resolute Mitarbeiter am Empfang sind. Für sie ist es essenziell zu wissen, was am Telefon erlaubt ist und was verboten.

Sogenannte Cold Calls sind unzulässig

Unerwünschte Werbeanrufe können gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen. Nach Art. 6 I lit. f der DSGVO ist die Datenspeicherung von Daten und Rufnummern zu Werbezwecken nur gestattet, sofern die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht überwiegen. Direktwerbung am Telefon ist damit zwar nicht grundsätzlich verboten. Werden jedoch die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bei der Telefonwerbung verletzt, ist sie unzulässig. Ein sogenannter Cold Call ist dann sowohl nach Wettbewerbsrecht (§ 7 UWG) als auch datenschutzrechtlich nicht erlaubt.

Gericht verbietet Telefonwerbung bei Zahnärzten

So entschied etwa das Verwaltungsgericht Saarlouis, dass die Datenschutzbehörde es untersagen darf, dass ein Altmetallhändler Zahnarztpraxen und Labore anruft, um nach Zahngold zu fragen. Die Datenschutzbehörde durfte zudem die Löschung der gespeicherten Daten und Rufnummern anordnen (09.03.2018, Az. 1K 257/17). Der Händler hatte Kontaktdaten wie den Namen des Praxisinhabers, Anschrift und Telefonnummer aus öffentlichen Verzeichnissen ermittelt und intern gespeichert. Anschließend rief er die Praxen und Labore an, um den möglichen Ankauf von Edelmetallen zu besprechen. Zu den Angerufenen bestand zuvor keinerlei Geschäftsbeziehung. Somit war die Telefonwerbung gar nicht erlaubt.

Einwilligung muss vor dem Anruf vorliegen

Der Grund für die Untersagung und Löschungsanordnung durch die Landesdatenschutzbehörde: Die Betroffenen hatten zu keinem Zeitpunkt in die Verarbeitung ihrer Daten zu Werbe- und Geschäftszwecken eingewilligt, weder ausdrücklich noch mutmaßlich. Dies wäre aber nach § 7 II Nr. 2 UWG für die telefonische Kontaktaufnahme zu Werbezwecken erforderlich gewesen. Die Einwilligung muss dabei bereits vor dem Anruf vorliegen und sich neben dem Inhalt auch auf die Art und Weise der Werbung erstrecken. Das heißt, der Anrufer muss davon ausgehen können, dass der Betroffene einen Anruf erwartet oder diesem zumindest positiv gegenübersteht. So will man Verbraucher und Gewerbetreibende vor Belästigung durch unerwünschte Telefonwerbung schützen.

Mutmaßliche Einwilligung des Angerufenen erforderlich

Das Gericht verneinte vor allem auch eine mutmaßliche Einwilligung der Angerufenen, da der Verkauf von Edelmetallresten nicht zum originären Tätigkeitsbereich eines Zahnarztes gehöre. Im Geschäftsverkehr wird eine solche mutmaßliche Einwilligung vorausgesetzt. Sie liegt in der Regel dann vor, wenn die Anrufe sich auf das Kerngeschäft des Betroffenen beziehen oder so stark mit dessen Interessen übereinstimmen, dass sie zumutbar erscheinen. Davon kann nach der Rechtsprechung ausgegangen werden, wenn der Anruf einen sachlichen Zusammenhang zu einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung aufweist und ein konkreter Bedarf für das beworbene Produkt besteht. Das könnte bei einer Arztpraxis etwa dann der Fall sein, wenn ein Anrufer schon einmal Desinfektionsmittel geliefert hat und nun ein neues Desinfektionsprodukt bewerben will. Werbung für Weine oder private Versicherungsprodukte für den Arzt oder die Ärztin sind dagegen in der Regel verboten.

Das Gericht entschied im vorliegenden Fall zudem, dass Werbeanrufe der vorliegenden Art geeignet seien, den Praxisbetrieb zu stören. Insbesondere müsse auch der Gefahr der Nachahmung durch konkurrierende Unternehmen entgegengewirkt werden.

Bußgeld nach Beschwerde möglich

Verbraucher werden übrigens besonders vor unerwünschten Werbeanrufen geschützt. Daher sollte man bei Werbeanrufen in der Arztpraxis unterscheiden, ob sie dem Arzt als Unternehmer gelten oder der Privatperson. Unzulässige Werbeanrufe für Luxusprodukte wie Weine oder für private Geldanlagen kann der Praxisinhaber als Verbraucher bei der Verbraucherzentrale melden oder bei der Bundesnetzagentur anzeigen. Nach der Beschwerde kann die Bundesnetzagentur gegen das Unternehmen ein Bußgeld verhängen. Ärzte als Unternehmer können sich laut Gesetz mit einer Abmahnung wehren und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen.

Am Telefon immer klare Ansagen machen

Und was können Mitarbeiter ganz konkret tun? Allein der Hinweis, dass keine ausdrückliche Einwilligung des Praxisinhabers oder der Praxisinhaberin für diesen Anruf vorliegt, kann bewirken, dass der Anrufer ganz schnell auflegt. Wenn nicht, hilft die Aufforderung, nicht wieder anzurufen, da man ansonsten rechtliche Schritte einleiten wird. Die Empfangsmitarbeiter sollten in jedem Fall vermeiden, den Anruf durchzustellen. Umgekehrt gilt: Sollte der Arzt oder die Ärztin einen bestimmten Werbeanruf erwarten und entgegennehmen wollen, sollten sie vorher dem Empfangsmitarbeiter Bescheid geben. Bei hartnäckigen Anrufern, die unbedingt die Praxisleitung sprechen wollen, kann folgende Antwort helfen: „Bitte nennen Sie mir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer. Sollte Herr oder Frau Dr. XY Interesse haben, meldet er/sie sich. Wenn Sie keinen Rückruf erhalten, besteht kein Interesse. Bitte rufen Sie dann nicht wieder an.“

Marktforschung ist erlaubt
Anrufe für die Markt- und Meinungsforschung stellen grundsätzlich keine unerlaubte Telefonwerbung dar, solange sie nicht den Charakter wissenschaftlicher Forschung verlieren. Betreibt ein derartiger Anrufer allerdings versteckt Werbung, ist der als Meinungsumfrage getarnte Telefonanruf verboten.
Verbraucher, die auch von seriösen Meinungsforschungsinstituten keine Anrufe wünschen, können sich in die „ADM Telefon-Sperrdatei“ eintragen lassen. Diese wird vom Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. geführt und soll Anrufe von Mitgliedern des Vereins verhindern.

Checkliste: Das können Sie gegen lästige Werbeanrufe unternehmen

  • Lassen Sie sich nicht in ein Gespräch verwickeln. Legen Sie im Zweifel auf.
  • Teilen Sie dem Anrufer mit, dass Sie keine weiteren Anrufe wünschen.
  • Sperren Sie unerwünschte Nummern über Ihren Provider
  • Fertigen Sie eine Gesprächsnotiz an, in der Sie Datum, Uhrzeit, Telefonnummer und Namen des Anrufers sowie des Unternehmens und den Grund des Anrufs festhalten
  • Sie können Auskunft nach § 15 DSGVO darüber verlangen, welche Daten gespeichert wurden. Sie können auch die Löschung der Daten nach § 17 DSGVO verlangen.
  • Sollte sich der Werbeanruf an Sie als Privatperson richten, können Sie die unerlaubte Telefonwerbung bei der Bundesnetzagentur melden
    (www.bundesnetzagentur.de).