Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Schwangere Frauen genießen im Arbeitsleben besonderen Schutz. Ihnen darf in der Regel nicht gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Mutterschutzgesetz MuSchG). Doch wann der Schutz rechnerisch genau beginnt, darüber gibt es immer wieder Streit. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass es bei seiner bisherigen Rechtsprechung bleibt und den Beginn der Schwangerschaft bei natürlicher Empfängnis auf 280 Tage vor dem errechneten Entbindungstermin festlegt (24.12.2022, Az. 2 AZR 11/22).

266 oder 280 Tage – das ist hier die Frage

Die Frage, ab wann eine Schwangerschaft besteht, kann für Praxisinhaber dann relevant werden, wenn sie einer Mitarbeiterin kündigen, die ihre Schwangerschaft noch nicht bekannt gegeben hat oder sogar selbst noch nichts von ihr weiß. Hat die Mitarbeiterin das Bestehen ihrer Schwangerschaft noch nicht mitgeteilt, muss sie dies innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung nachholen – es sei denn, sie hat den Grund für die Überschreitung der Frist nicht zu vertreten. Ein klassischer Fall dieses nicht Vertretenmüssens liegt dann vor, wenn die Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft erst zu einem späteren Zeitpunkt feststellt.

Mediziner werden sich nun zu Recht fragen, was so schwer daran sein soll, den Beginn der Schwangerschaft zu bestimmen. Da man in der Regel den genauen Tag der Empfängnis nicht kennt, berechnet man die Schwangerschaftsdauer ab dem ersten Tag der letzten Periode. Dadurch verlängert sich die Schwangerschaft rein rechnerisch um 14 Tage auf 280 Tage (40 Wochen). An dieser Berechnungsmethode gibt es immer wieder Kritik. Einige Stimmen plädieren dafür, bei der Berechnung 266 Tage zugrunde zu legen. Damit käme man dem tatsächlichen Tag der Empfängnis deutlich näher.

Der Streit um die richtige Berechnungsmethode spiegelt sich auch in dem vom BAG entschiedenen Fall wider. Hier trat nämlich genau dieser seltene Fall ein, dass eine Mitarbeiterin zum Zeitpunkt der Kündigung noch nichts von ihrer Schwangerschaft wusste. Nun kam es auf die Berechnungsmethode an. Rechnete man vom voraussichtlichen Geburtstermin 266 Tage zurück, wäre die Mitarbeiterin zum Zeitpunkt der Kündigung nicht schwanger gewesen. So entschieden auch die beiden Vorinstanzen und wiesen ihre Kündigungsschutzklage ab.

Werdende Mütter sollen gut geschützt sein

Das BAG sprach nun ein Machtwort und machte deutlich, dass es an der 280-Tage-Berechnung festhält. Sie markiere die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen kann. Damit würden zwar auch Tage einbezogen, in denen eine Schwangerschaft eher unwahrscheinlich ist. Es gehe hier aber nicht um die Bestimmung des naturwissenschaftlichen Beginns der Schwangerschaft, sondern um eine Berechnungsmethode für die Bestimmung des Kündigungsverbots.

Auf eine Wahrscheinlichkeitsrechnung verzichtet das Gericht bewusst, um zu gewährleisten, dass jede tatsächlich Schwangere den Kündigungsschutz in Anspruch nehmen kann. Da sich – sofern nicht ausnahmsweise der Tag der Konzeption zweifelsfrei feststeht – Fehler und Ungenauigkeiten nicht vermeiden lassen, sei es geboten, zunächst von der für die Arbeitnehmerin günstigsten Berechnungsmethode auszugehen. Anderenfalls würde man in Kauf nehmen, dass diejenigen Arbeitnehmerinnen aus dem Kündigungsschutz herausfallen, bei denen die Konzeption bereits zu einem vor dem 266. Tag liegenden Zeitpunkt erfolgte. Das habe der Gesetzgeber nicht gewollt.

Besonderer Kündigungsschutz
In der Regel ist die Kündigung einer Arbeitnehmerin während ihrer Schwangerschaft und vier Monate nach der Geburt verboten. Die schwangere Frau soll vor den psychischen Belastungen, die mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes verbunden wären, geschützt werden. Doch es gibt Ausnahmen, nämlich dann, wenn betriebs- oder verhaltensbedingte Gründe für eine Kündigung vorliegen. Hier kann die zuständige oberste Landesbehörde eine Kündigung der Schwangeren ausnahmsweise legitimieren.