Notfallbehandlung im Urlaub: Krankenkasse muss nur ortsübliche Kosten erstatten
Marzena SickingIn deutschen Krankenhäusern genießen Patienten eine Behandlung auf hohem Niveau. Diese Standards erreichen viele Kliniken im Ausland nicht. Wer sich auf einer Reise behandeln lassen muss, darf von seiner Krankenkasse dennoch nicht mehr als die Kostenübernahme für den örtlichen Standard erwarten.
Die Leistungspflicht einer deutschen Krankenkasse für eine stationäre Behandlung in der Türkei richtet sich nach türkischem Recht. Das hat das Sozialgericht Gießen in einem Urteil vom 12.03.2019 bestätigt (Az.: S 7 KR 261/17).
Muss ein deutscher Bundesbürger während eines Türkeiurlaubs vor Ort stationär behandelt werden, dann gelten für die Leistungserstattung nur die Sätze, die der türkische Sozialversicherungsträger für eine vergleichbare Behandlung in einem Vertragskrankenhaus gezahlt hätte. Weitere Kosten, beispielsweise für die Behandlung in einer Privatklinik, muss die Versicherung nicht übernehmen.
Versicherte verlangt Kosten für Privatklinik zurück
Geklagt hatte eine in Offenbach lebende Frau, die im Juni 2016 während eines Türkeiurlaubs eine Herzattacke erlitt. Sie wurde in eine Privatklinik gebracht und erhielt dort einen Herzschrittmacher eingesetzt. Sie hatte nicht aktiv nach einer Behandlung in einer Privatklinik gefordert, war während des Transports bewusstlos.
Nach der erfolgreichen Operation stellte die Privatklinik der Frau 13.000 Euro in Rechnung, die diese zunächst selbst bezahlte. Sie stellte einen Erstattungsantrag bei ihrer Versicherung, erhielt allerdings nur 1.252,41 Euro zurück.
Die Versicherung begründete die Kürzung damit, dass diese Summe auch in der Türkei angefallen wäre. Dagegen klagte die Versicherte und verlangte die volle Kostenerstattung. Sie erklärte, dass die Voraussetzungen des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens erfüllt seien und sie zudem erst nachträglich erfahren habe, dass es sich um eine Privatklinik gehandelt habe.
Gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt
Doch obwohl sie selbst die Behandlung in der privaten Klinik gar nicht verlangt hatte, hatte ihre Klage keinen Erfolg und sie bleibt auf den zusätzlichen Kosten sitzen. Das Sozialgericht Gießen erklärte, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine komplette Erstattung nicht erfüllt seien.
Laut dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit können deutsche Versicherte bei einem Aufenthalt in der Türkei Anspruch auf entsprechende Leistungen haben, wenn die Behandlung aufgrund ihres Zustands sofort benötigt wird.
Gleiche Behandlung in Vertragsklinik
Ein medizinischer Notfall habe in diesem Fall zwar vorgelegen, allerdings richte sich der Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung dann auch nach türkischem Recht. Deshalb sei nicht die Kostenforderung der Privatklinik der Maßstab für den Kostenerstattungsanspruch, sondern der Kostenansatz, den der türkische Sozialversicherungsträger bei einer Behandlung in einem Vertragskrankenhaus hätte zahlen müssen.
Die deutlich geringere Abrechnung der Versicherung, die auf einer entsprechenden Auskunft des türkischen Sozialversicherungsträgers basierte, hat das Gericht trotz der erheblichen Differenz zum Rechnungsbetrag als zutreffend erachtet. Falsch war die Rechnung trotzdem nicht, denn auch in der Türkei sind die Kosten für eine Behandlung in einer Privatklinik deutlich höher als die Behandlung in einem staatlichen Vertragskrankenhaus.
Kosten für Privatklinik werden nur im Ausnahmefall erstattet
Für die Erstattung der Kosten für die Behandlung in einer Privatklinik hätte es weiterer Voraussetzungen bedurft. Konkret: Einen Anspruch hätte die Versicherte nur gehabt, wenn der türkische Sozialversicherungsträger seinen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Zwar habe die Privatklinik einen Vertrag mit dem türkischen Sozialversicherungsträger. Für die Notfallbehandlung hätten deshalb nach türkischem Recht auch keine weiteren Kosten anfallen dürfen. Dies hätte aber vorausgesetzt, dass die Klinik erfährt, dass die Klägerin nach dem DT2SVA berechtigt ist. Hierzu hätte die Klägerin einen Nachweis mit sich führen bzw. sich ihn während des Krankenhausaufenthaltes beschaffen müssen. Nachdem dies nicht passiert sei, habe die Klinik eine Privatrechnung stellen dürfen.