Verlegung der Arztpraxis in die Schweiz: Was bei steuerlichen Aspekten zu beachten ist
Dr. jur. Alex JanzenFür in Deutschland niedergelassene Ärzte kann der Umzug in die Schweiz aus finanzieller und beruflicher Sicht eine attraktive Option sein. Die wichtigsten steuerlichen Risiken, die eine Verlegung der Arztpraxis in die Schweiz mit sich bringt, beleuchtet Rechtsanwalt Dr. Alex Janzen im folgenden Beitrag.
In der Schweiz besteht ein wachsender Bedarf an Spezialisten auf diversen Teilgebieten der Humanmedizin, so dass qualifizierte und erfahrene Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland bei den Eidgenossen willkommen sind. Allerdings sehen sich Ärztinnen und Ärzte mit vielfältigen Fragen und Risiken konfrontiert, wenn sie den Entschluss fassen, ihre Arztpraxis aus Deutschland in die Schweiz zu verlegen.
Verkauf der Praxis in Deutschland und Verlegung der ärztlichen Tätigkeit in die Schweiz
Ärzte, die in die Schweiz auswandern und dort als selbständige Mediziner tätig sein möchten, haben zwei Möglichkeiten:
Die komplette Aufgabe bzw. den Verkauf ihrer Arztpraxis in Deutschland, gefolgt von der Verlegung der gesamten ärztlichen Tätigkeit in die Schweiz
die Gründung einer neuen Arztpraxis in der Schweiz unter Beibehalt der Arztpraxis in Deutschland
Ohne Aufstellung der Praxisveräußerungs- oder Praxisaufgabebilanz geht es nicht
Auch wenn Arzt oder Ärztin künftig nur noch in der Schweiz leben möchte: Der Gewinn aus der Veräußerung der deutschen Arztpraxis muss noch hierzulande versteuert werden. Der Veräußerungsgewinn wird errechnet, indem vom Kaufpreis die Veräußerungskosten und der Buchwert abgezogen werden.
Die Ermittlung des Buchwerts der Arztpraxis setzt die Aufstellung einer Bilanz voraus. Da viele Niedergelassene ihren Gewinn aber nur mit der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) ermitteln und weder zur Buchführung noch zur Bilanzierung verpflichtet sind, werden sie eine sogenannte Praxisveräußerungs- oder Praxisaufgabebilanz aufstellen müssen.
Der zeitliche und finanzielle Aufwand sollte hierbei nicht unterschätzt werden, da jedes betriebliche Wirtschaftsgut der Arztpraxis richtig bilanziert werden muss. Das gilt insbesondere, wenn sich bei der Führung von Anlagenverzeichnissen Fehler eingeschlichen haben. Das ist der Fall, wenn
bestimmte betriebliche Wirtschaftsgüter nicht oder nicht mit dem richtigen Eingangswert erfasst wurden
steuerliche Wahlrechte bei der Bewertung der Wirtschaftsgüter einer Arztpraxis unzutreffend ausgeübt wurden
bei der Abschreibung von betrieblichen Wirtschaftsgütern der Arztpraxis Fehler unterlaufen sind
betriebliche Verbindlichkeiten (z. B. aus tatsächlichen oder vermeintlichen Regressen von kassenärztlichen Vereinigungen oder Patienten) in Vergangenheit nicht richtig steuerlich gewürdigt wurden
Bildet die Bilanz für die Finanzbehörde die zentrale Grundlage für eine steuerliche Würdigung der Praxisaufgabe bzw. Veräußerung, wird in der Regel besonders gründlich geprüft Es ist deshalb durchaus anzuraten, die Praxisveräußerungs- oder Praxisaufgabebilanz besonders sorgfältig aufzustellen.
Steuernachzahlungen bei Praxisaufgabe nicht ausgeschlossen
Die Aufstellung der Praxisveräußerungs- oder Praxisaufgabebilanz sollte nicht dem Steuerberater allein aufgebürdet werden. Praxisinhaber sollten aktiv an der Informationsbeschaffung und etwaiger Fehlerbeseitigung mitwirken. In manchen Fällen kann es dabei zur Aufdeckung von nicht oder nicht richtig deklarierten Einnahmen oder überhöhten bzw. fehlenden Betriebsausgaben führen. Was sollte man in so einem Fall tun? Die gesetzliche Antwort darauf ist eindeutig: nach § 153 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) müssen betreffende Angaben gegenüber der Finanzbehörde angezeigt und richtiggestellt werden, sofern die maßgebliche Festsetzungsfrist für die in Frage kommenden Steuern noch nicht abgelaufen worden ist.
Strafbefreiende Selbstanzeige birgt Risiken
Auf der anderen Seite sind übereilte Anzeigen gegenüber der Finanzverwaltung im Sinne § 153 AO besonders risikoreich. Das deutsche Steuerrecht honoriert die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit hier mit der sog. strafbefreienden Selbstanzeige. Eine steuerbefreiende Selbstanzeige liegt nach § 371 Abs. 1 AO allerdings nur vor, wenn gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt werden.
Werden relevante Angaben gegenüber der Finanzbehörde im Sinne § 371 Abs. 1 AO nur unvollständig oder nur zum Teil erklärt oder richtiggestellt, liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr vor, d. h. der Steuerpflichtige erlangt auch dann keine Straffreiheit, wenn er die Angaben wahrheitsgetreu offenbart hat, die Angaben jedoch nicht zu allen Steuerstraftaten und bzw. oder nicht in vollem Umfang berichtigt, ergänzt oder nachgeholt wurden. Es ist deshalb dringend zu raten, bei jeder steuerbefreienden Selbstanzeige Hilfe von erfahrenen steuerlichen Berufsträgern in Anspruch zu nehmen.
Veräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn in Deutschland versteuern
Der sich aus der Bilanz ergebende Veräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn ist sowohl bei unbeschränkter als auch bei beschränkter Steuerpflicht in Deutschland zu erfassen. Unbeschränkte Steuerpflicht ist anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger in Deutschland entweder eine Wohnung zu seiner Verfügung hat oder sich in der Bundesrepublik über einen Zeitraum von regelmäßig mehr als 6 Monaten aufhält (gewöhnlicher Aufenthalt).
Die Besteuerung kann also nicht vermieden werden, wenn der Wohnsitz zwar schon in der Schweiz liegt, der Arzt oder die Ärztin in Deutschland nach wie vor eine Wohnung innehat. Selbst bei völliger Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland und bei einem tatsächlichen Aufenthalt in der Schweiz sichert sich Deutschland das Besteuerungsrecht über die beschränkte Steuerpflicht, indem auf eine Betriebsstätte im Inland (hier: eine Arztpraxis) oder auf einen ständigen Vertreter in Deutschland abgestellt wird.
Arztpraxis in der Schweiz und noch eine in Deutschland - geht das?
Vorsicht ist außerdem geboten, wenn in der Schweiz eine Arztpraxis gegründet und die deutsche Niederlassung zugleich nicht aufgegeben wird. Handelt sich bei der Arztpraxis in Deutschland nämlich um eine Kapitalgesellschaft, z. B. eine GmbH, führt der Wegzug des Gesellschafters zu einer Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG).
Die Wegzugsbesteuerung ist fällig, falls der Gesellschafter in den letzten 5 Jahren vor Ende seiner unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland zu irgendeinem Zeitpunkt unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1% an der betreffenden GmbH beteiligt war bzw. ist. Das gilt auch dann, wenn die Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf eine in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person, z. B. auf eine ausländische Kapitalgesellschaft, eine ausländische natürliche Person oder auf eine Stiftung mit dem Sitz im Ausland, unentgeltlich übertragen wurden. Oder wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands in Bezug auf die Anteile an einer Kapitalgesellschaft ausgeschlossen oder beschränkt wird.
Betreibt eine wegziehende Ärztin oder ein wegziehender Arzt die Arztpraxis in der Form eines Einzelunternehmers, droht bei einem Wegzug in die Schweiz zwar keine Wegzugsbesteuerung. Allerdings kann ein Wegzug in einem solchen Fall einen oder mehrere Tatbestände der sog. Entstrickungsbesteuerung auslösen.
Eine Entstrickungsbesteuerung ist z. B. anzunehmen, wenn ein Wirtschaftsgut, z. B. ein medizinisches Untersuchungsgerät, aus der deutschen Arztpraxis in die neue schweizerische Arztpraxis überführt wird. Für einen solchen Fall ordnet § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG explizit die Rechtsfolgen einer Entstrickungsbesteuerung: das Gesetz behandelt die Überführung eines betrieblichen Wirtschaftsguts aus einer inländischen in eine ausländische Praxis als eine Entnahme, dessen Wert den Gewinn des betreffenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr der Überführung des Wirtschaftsguts erhöht.