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Recht

Sterbehilfe-Organisationen in Deutschland haben im Jahr 2021 nach eigenen Angaben in 346 Fällen Suizide begleitet oder Assistenz für eine Selbsttötung vermittelt. Die „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“, „Dignitas Deutschland“ und „Sterbehilfe Deutschland“ stellten Ende Februar 2022 entsprechende Zahlen vor. Die „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“ vermittelte demnach 2021 120 Sterbewillige an Sterbehelfer. „Dignitas“ wurde in 97 Fällen tätig, „Sterbehilfe Deutschland“ in 129. Beim Verein „Sterbehilfe Deutschland“, der vom ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch gegründet wurde, waren es im Jahr 2020 im Vergleich noch 75 Fälle. Gründe für den Sterbewunsch der Betroffenen waren den Angaben zufolge schwere Erkrankungen, aber auch sogenannte Lebenssattheit.

Suizidhilfe soll laut Gesetzentwurf strafbar bleiben

Die Organisationen sind umstritten. Seit 2015 galt in Deutschland ein Gesetz, das die geschäftsmäßige Suizidhilfe unter Strafe stellte. Das Bundesverfassungsgericht urteilte im Februar 2020, dass es verfassungswidrig sei. Sterbehilfevereine sind seitdem wieder tätig. Das Gericht legte dem Gesetzgeber zudem nahe, eine neue gesetzliche Regelung zu schaffen. Doch geschehen ist seitdem nichts. Trotz mehrerer Gesetzentwürfe hat es der Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode nicht geschafft, ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen. Aus dem neu gewählten Parlament gibt es nun neue Vorschläge, die die Sterbehilfe regeln sollen.

Der neueste Gesetzentwurf von 85 Abgeordneten aller Fraktionen mit Ausnahme der AfD sieht vor, dass die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich strafbar sein soll. Als Strafandrohung ist eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. Unter bestimmten Voraussetzungen soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung aber nicht rechtswidrig sein. Zudem soll ein Werbeverbot für die Hilfe zur Selbsttötung neu eingeführt werden. Die Initiatoren möchten erreichen, dass es keinen gesellschaftlichen Druck in Richtung Selbsttötung gibt. Dies gelänge nur mit einem grundsätzlichen Verbot.

Die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe soll dann nicht rechtswidrig und damit nicht strafbar sein, wenn die suizidwillige Person volljährig und einsichtsfähig ist, sich mindestens zweimal von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein „individuell angepasstes, umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch“ absolviert hat. Letzteres soll abklären, ob psychische Erkrankungen vorliegen, die die autonome Entscheidungsfindung beeinträchtigen und hinterfragen, ob das Sterbeverlangen freiwilliger, ernsthafter und dauerhafter Natur ist.

Beratung durch Ärztinnen und Ärzte

Zwischen den zwei Untersuchungsterminen sollen mindestens drei Monate liegen. In Ausnahmefällen soll auf die zweite Untersuchung verzichtet werden können, wenn sie der suizidwilligen Person nicht zumutbar ist, zum Beispiel bei Vorliegen einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer gleichzeitig begrenzten Lebenserwartung.

Das Beratungsgespräch sollen Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten, psychosoziale Beratungsstellen und die Sucht- oder Schuldnerberatung durchführen können. Laut Entwurf soll zwischen der abschließenden Untersuchung und der Selbsttötung eine Wartefrist von mindestens zwei Wochen liegen. Im Betäubungsmittelgesetz soll parallel die Möglichkeit geschaffen werden, im Falle einer nachgewiesenen freiverantwortlichen Selbsttötungsentscheidung die Anwendung eines Betäubungsmittels zu erlauben.

Blick über die Grenze in die Niederlande
Das sagt die Statistik
In den Niederlanden sind die Tötung auf Verlangen und die Beihilfe zum Suizid seit 2002 zwar weiterhin strafbar, aber mit Strafausschließungskriterien für Ärztinnen und Ärzte. Dort gab es 2016 5.856 Fälle von Sterbehilfe. Im Jahr 2017 stieg die Zahl auf 6.585. 2018 waren 6.126 und 2019 6.361 Fälle zu verzeichnen. Im ersten Pandemiejahr 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg auf 6.938 Fälle. Das sind 19 Fälle pro Tag. Durchgeführt wurde die aktive Sterbehilfe mehrheitlich von Hausärzten (82,4 %) und zu Hause (81,8 %). Die meisten Menschen, die in den Niederlanden Suizidhilfe in Anspruch nahmen, litten unter einer Krebserkrankung (65 %).
Quelle: Regionale Toetsingscommissies Euthanasie, Jaarverslag 2020