Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Steuerrecht

 1. Das „Stempel-Urteil“ des BFH

Die Frage, ob es sich um eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit des Arztes handelt, beschäftigt Behörden und Gerichte schon seit Jahrzehnten. Das erste wegweisende Urteil zu diesem Thema fällte der Bundesfinanzhof bereits 1963.

Wie das Gericht damals entschied, setzt eine freiberufliche Tätigkeit immer voraus, dass der Arzt von einfachen Routinefällen abgesehen, seine Patienten grundsätzlich selbst untersucht und maßgebend für die Behandlung ist. In dem Fall ging es um einen Facharzt für orthopädische Chirurgie, der neben seiner Arztpraxis auch eine Unfallklinik sowie eine Zweigstelle der Praxis betrieb und insgesamt sieben Ärzte beschäftigte. Das Finanzamt ging aufgrund der Angestellten von einer gewerblichen Tätigkeit aus.

Wie der Bundesfinanzhof erklärte, kommt es bei der Beurteilung aber darauf an, ob die Arbeit den Stempel des steuerpflichtigen Praxisinhabers trägt. Also, ob er die Patienten selbst untersucht und die weiteren Behandlungsschritte bestimmt. Ist dies der Fall, dürfen diese durchaus von anderen Ärzten durchgeführt werden. Ein Arzt, der in seinem Tätigkeitsbereich hingegen nicht mehr leitend und eigenverantwortlich tätig ist, übt ein Gewerbe aus (Az: IV 373/60 U).

2. Freiberufliche Tätigkeit trotz Beschäftigung angestellter Ärzte

2015 hat der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Urteil wiederholt (16.07.2015, Az.: VIII R 41/12), dass Ärzte ihren Beruf auch dann freiberuflich ausüben können, wenn sie Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie durch regelmäßige und eingehende Kontrollen maßgeblich auf die Tätigkeit des angestellten Fachpersonals Einfluss nehmen. Das bedeutet, dass sie Voruntersuchungen bei den Patienten selbst durchführen, jeweils die Behandlungsmethode festlegen und sich um die Behandlung schwieriger Fälle selbst kümmern müssen.

Im Streitfall ging es um eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie in der Rechtsform einer GbR. Die Gesellschafter waren als mobiler Anästhesiebetrieb in den Praxen anderer Ärzte tätig. Jeweils einer der Gesellschafter führte dabei immer die Voruntersuchung durch und schlug die Behandlungsmethode vor. Die eigentliche Anästhesie führte ein angestellter Arzt aus. Das Finanzamt ging aufgrund dieser Beschäftigung von einer gewerblichen Tätigkeit der GbR aus.

Das sah der Bundesfinanzhof anders: Freiberuflich tätige Ärzte dürfen sich durchaus die Hilfe qualifizierten Personals holen, wenn sie dabei weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig sind. Diesen Anforderungen hatten die Gesellschafter mit den von ihnen geführten Voruntersuchungen und der Festlegung der Behandlungsmethode genüge getan, wie der Bundesfinanzhof bestätigt.

3. Ärzte dürfen für Honorarrückforderungen Rückstellungen bilden

Bei Überschreitung der vorgegebenen Verschreibungsrichtgrößen um mehr als 25 % dürfen Ärzte im Jahresabschluss Rückstellungen für Honorarrückforderungen der Krankenkassen bilden. Das hat der Bundesfinanzhof bestätigt.

In dem Fall ging es um zwei Ärzte, die im Jahresabschluss für ihre Gemeinschaftspraxis Rückstellungen für mögliche Honorarrückforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung gebildet hatten. Mit den Rückforderungen mussten sie rechnen, weil sie die Verschreibungsrichtgrößen pro Quartal um 216 %, 198 %, 169 % und 195 % überschritten hatten. Das zuständige Finanzamt beurteilte die Lage anders und löste die Rückstellungen gewinnerhöhend auf.

Der Bundesfinanzhof gab den Ärzten Recht: Bei einer Überschreitung der Verschreibungsrichtgrößen um mehr als 25 % müsse mit Rückforderungen der Krankenkassen gerechnet werden, denn diese Reaktion sei gesetzlich vorgegeben. Da auch bereits ein entsprechendes Prüfverfahren eingeleitet wurde, seien die Rückstellungen begründet. Ob ihre Höhe zutreffend bemessen wurde, wollte das Gericht allerdings nicht beurteilen und verwies die Sache deshalb zur weiteren Klärung zurück an die Vorinstanz.

4. Mindestanforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch

Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss immer das Datum und das Ziel der jeweiligen Fahrt angeben. Somit reicht es nicht aus, beim Fahrtziel jeweils nur den Straßennamen anzugeben. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs hervor.

In dem verhandelten Fall wollte ein Gesellschafter den geldwerten Vorteil seines Dienstwagens nicht mit der 1 % Regelung, sondern auf Grundlage seiner Fahrtenbücher versteuern. Diese Fahrtenbücher wiesen allerdings Lücken auf: Neben dem jeweiligen Datum wurden oft nur die Ortsangaben aufgeführt, Namen der Aufgesuchten und Zweck der Fahrt sowie gefahrene Kilometer fehlten meist. Diese Angaben wurden erst nachträglich durch eine Auflistung ergänzt, die der Gesellschafter anhand seines Tageskalenders erstellt hatte.

Der Bundesfinanzhof erklärte das so geführte Fahrtenbuch für nicht ordnungsgemäß. Eine vollständige Aufzeichnung verlange grundsätzlich Angaben zu Ausgangs- und Endpunkt jeder einzelnen Fahrt im Fahrtenbuch selbst. Durch die nachträgliche Auflistung auf Basis des Tageskalenders waren nach Ansicht der Richter weder Vollständigkeit noch Richtigkeit der Eintragungen gewährleistet (01.03.2012, Az.: VI R 33/10).

5. Keine Privilegien für Ärzte beim Fahrtenbuch

Daran, dass ein Fahrtenbuch immer vollständig und richtig geführt werden muss, ändert auch die ärztliche Schweigepflicht nichts. Das musste eine Ärztin erfahren, die beim Reisezweck immer nur „Untersuchung“ oder „Hausbesuch“ vermerkt hatte, die Namen der Patienten aber nicht im Fahrtenbuch erfasste. Gegenüber dem Finanzamt erklärte sie, dass sie der ärztlichen Schweigepflicht unterliege und die Patientenbesuche im Fahrtenbuch daher nicht weiter personalisieren dürfe. Daraufhin wollte das Finanzamt das Fahrtenbuch nicht anerkennen, der Fall landete vor Gericht.

Doch auch die Richter am Bundesfinanzhof hatten kein Einsehen: Ein Fahrtenbuch müsse mit hinreichender Gewähr vollständig und richtig sein. Zu diesem Nachweis gehöre es auch, dass die Geschäftspartner bzw. in diesem Fall Patienten mit Namen und Adresse angegeben sind. Die Schweigepflicht zwinge Ärzte keinesfalls dazu, die Maßstäbe der Fahrtenbuchführung herabzusetzen. Davon würden noch keine schützenswerten Interessen berührt. Alternativ könnte zudem statt Namen auch die Patientennummer angegeben werden (16.3.06, Az.: BStBl II, 625).

6. Mietklausel „zzgl. Mehrwertsteuer“ gilt nicht für Ärzte

In manchen Mietverträgen für gewerbliche Räume findet sich eine Klausel, wonach die Nettomiete plus „jeweils gültige Mehrwertsteuer“ zu bezahlen ist. Für betroffene Ärzte bedeutet das in der Regel, dass sie nur die Nettomiete zu entrichten haben bzw. die bereits entrichtete Umsatzsteuer zurückverlangen können.

Wie der Bundesgerichtshof in einem dazugehörigen Urteil erklärte, sind solche Formulierungen nämlich wörtlich zu nehmen und damit für die meisten Ärzte unwirksam. Nach dem Wortlaut schuldet der Mieter die Nettomiete plus „gültige Mehrwertsteuer“. Da ärztliche Leistungen aber grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sind, könne die per Gesetz umsatzsteuerfreie Nutzung des Mietobjektes nicht einfach durch Vereinbarungen im Mietvertrag steuerpflichtig gemacht werden, so die Richter (BGH, Az. XII ZR 292/02).

7. Auch „Schönheits“-OPs sind manchmal steuerfrei

Ärztliche Leistungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung nicht der Umsatzsteuer. Das gilt zumindest für die Tätigkeiten, bei denen Diagnose und Behandlung der Heilung oder Linderung von Krankheiten und gesundheitlichen Störungen dienen.

Die Behandlung der Bronchitis ist also sicher steuerfrei, die Brust-OP hingegen nicht. Doch so einfach ist es nicht immer, denn es gibt durchaus auch Grauzonen: So können ästhetisch-plastische Maßnahmen wie Fettabsaugungen, Brustvergrößerungen und -verkleinerungen, sowie Straffungen durchaus steuerfrei sein, wenn sie einem therapeutischem Zweck dienen, also eine medizinische Indikation vorliegt (Az.: V R 16/12).

Ärzte, die ihren Patienten zum Beispiel eine Rauchentwöhnungstherapie anbieten wollen, sollten Suchterkrankung und Beschwerden genau dokumentieren. So kann nachgewiesen werden, dass es sich nachweislich um eine Heilbehandlung und keine Wellness-Leistung handelt.

8. Auch Laborleistungen können Heilbehandlungen sein

Vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg wurde der Frage nachgegangen, ob ärztliche Leistungen nur dann von der Umsatzsteuer befreit sind, wenn sie auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten beruhen.

Ein Finanzamt war jedenfalls der Ansicht, dass nur in solchen Fällen von echten „Heilbehandlungen“ ausgegangen werden darf. Dagegen hatte ein Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik geklagt, der mehrere Jahre für ein Laborunternehmen tätig und unter anderem auch in der Transfusionskommission tätig war. Er sollte für seine Honorare Umsatzsteuer nachzahlen.

Das sahen die Richter aber anders und erklärten, dass Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nicht zwingend ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Patient und behandelndem Arzt voraussetzen. Sie beriefen sich dabei auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs, der schon am 29.06.2011 entschieden hat (Az.: XI R 52/07, dass ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Patienten gerade nicht Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG sei.

9. Honorarärzte dürfen nicht direkt abrechnen

Niedergelassene Honorarärzte, die Leistungen im Auftrag eines Krankenhauses erbringen, dürfen wahlärztliche Leistungen grundsätzlich nicht direkt liquidieren. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Az.: III ZR 85/14).

Geklagt hatte ein niedergelassener Arzt, der eine Patientin im Krankenhaus operiert hatte. Mit der Klinik hatte er eine Kooperationsvereinbarung über eine Tätigkeit als Honorararzt geschlossen. Die Patientin unterzeichnete eine Vereinbarung über die Behandlung gegen Privatrechnung und schloss eine Wahlleistungsvereinbarung ab.

Das Honorar musste der Arzt allerdings an die Versicherung der Patientin erstatten: Wie das Gericht erklärte, dürfen nicht fest angestellte Honorarärzte, ihre Leistungen im Krankenhaus gegenüber den Privatpatienten grundsätzlich nicht als Wahlleistung (KHEntgG) erbringen und deshalb auch nicht gesondert abrechnen.

10.  Müssen Ärzte GEMA-Gebühr zahlen?

Damit sie in ihrer Praxis Hintergrundmusik aus dem Radio abspielen dürfen, müssen Ärzte und Psychotherapeuten keine Lizenzbeiträge an die GEMA zahlen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Geklagt hatte ein Düsseldorfer Zahnarzt. Er ließ in seinem Wartezimmer Radiomusik im Hintergrund laufen und hatte dafür einen Lizenzvertrag mit der GEMA abgeschlossen. Nachdem der EuGH im Falle eines italienischen Zahnarztes entschieden hatte, dass es sich in der Praxis um eine nicht gebührenpflichtige Wiedergabe handelt, kündigte er den Vertrag.

Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass die Wiedergabe von Hörfunkprogrammen in Arztpraxen nicht öffentlich und damit auch nicht vergütungspflichtig ist. Praxisinhaber, die alte Lizenzverträge mit der GEMA haben, können diese kündigen. Wer sich neu niederlässt, sollte den Abschluss eines solchen Lizenzvertrags mit Verweis auf die beiden Urteile verweigern.