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Steuerrecht

Es ist das wahre Horrorszenario: Montagmorgen, die Sprechstunde beginnt und vor der Tür stehen neben den ersten Patienten der Staatsanwalt, die Kripo und die Vollzugspolizei mit einem Durchsuchungsbeschluss. Gleichzeitig klingelt das Handy: Auch zu Hause soll durchsucht werden, die Familie ist außer sich. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung oder auch Betrug, etwa zu Lasten der Krankenkassen. „Seit Ärzte und Krankenhäuser immer stärker in den Fokus der Strafverfolger gerückt sind, ist diese Szene keine Seltenheit mehr“, so Tim Müller, Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht.

1. Ruhe bewahren!

Bleiben Sie ruhig und höflich, eine Durchsuchung beweist noch gar nichts. Und: Schweigen Sie zu allen Vorwürfen, denn dazu haben Sie als Beschuldigter das Recht. Das gilt auch für den Ehepartner und Ihre Kinder. „Jede Form von Verbrüderung mit den Fahndern ist fehl am Platz“, so Tim Müller. Lassen Sie sich auch nicht auf Verlockungen ein und widerstehen Sie Verhandlungsangeboten wie: „Erzählen Sie doch einfach, wie es war, dann können wir uns die Durchsuchung sparen“ oder „Ein schnelles Geständnis und wir sind wieder weg“.

Jedes Wort zur Sache steht irreparabel im Raum und wird Ihnen später vorgehalten. Schweigen ist Gold! Auch mögliche Zeugen wie Mitarbeiter, Patienten oder die Haushälterin haben das Recht, sich vor einer Aussage von einem Anwalt ihrer Wahl beraten zu lassen. Auch hier sollten Spontanäußerungen verhindert werden.

2. Profi hinzuziehen!

Rufen Sie sofort Ihren Anwalt an! Wenn Sie keinen Hausanwalt haben, dann suchen Sie in den Gelben Seiten nach einem Strafverteidiger oder nach einem 24-Stunden-Anwaltsnotdienst. Da der Ernstfall häufig mit Hektik verbunden ist, Probleme mit den Steuerbehörden für Betroffene aber nur selten eine echte Überraschung sind, sollte man sich bereits im Voraus die Nummer eines kompetenten Anwalts notieren. Genauso wie die Nummer Ihres Steuerberaters sollte sich in Ihrem Telefonbuch deshalb auch die Nummer Ihres Anwalts befinden.

„Zwar müssen die Beamten nicht erst auf sein Eintreffen warten, tun dies aber häufig trotzdem“, so Tim Müller. Wichtig: Die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt darf Ihnen nicht verwehrt werden, wohl aber Gespräche mit Dritten. Versuchen Sie beim Vorwurf der Steuerhinterziehung trotzdem, auch mit Ihrem Steuerberater Kontakt aufzunehmen, und sei es nur, um ihn vorzuwarnen – oft ist der nächste Stopp der Fahnder nämlich genau dort.

3. Informationen sammeln!

Lassen Sie sich die Namen des Durchsuchungsleiters und der Mitarbeiter geben und notieren Sie alle Informationen, die Sie bekommen können. Dies können Namen, Aktenzeichen oder Telefon-Durchwahlen sein. Hier ist aufmerksames Zuhören statt Reden gefragt. „Lassen Sie sich von den Fahndern außerdem ein Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände anfertigen, denn dazu sind diese verpflichtet“, so Tim Müller. Dabei sollte auf Genauigkeit und konkrete Bezeichnung der einzelnen Gegenstände geachtet werden: also nicht „5 Leitz-Ordner“, sondern „1 Ordner Haus in Spanien“, „1 Ordner Bankbelege von Oktober 1999 bis Mai 2001“.

Wenn möglich sollten auch vor Ort die Seiten durchnummeriert werden, damit hinterher kein Streit darüber entsteht, ob etwas fehlt. Lassen Sie sich am Ende den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss aushändigen. Sie haben nach Paragraf 107 Strafprozessordnung ein Recht darauf.

Unmittelbar nach der Durchsuchung sollten Sie ein Gedächtnisprotokoll anfertigen, denn zwei Wochen später haben Sie eventuell Details vergessen, die wichtig werden könnten. Bitten Sie auch Ihre Mitarbeiter, wichtige Details zu protokollieren.

4. Kein Widerstand, aber auch keine freiwillige Herausgabe!

Es hat wenig Sinn, Widerstand gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme zu leisten. Wenn die Ermittler nicht über eine richterliche Durchsuchungsanordnung verfügen, werden sie sich auf „Gefahr im Verzug“ berufen, womit eine Durchsuchung auch ohne richterliche Anordnung möglich ist – notfalls mit Gewalt. Berufen sich die Beamten darauf, lassen Sie sich genau erklären, warum ein richterlicher Durchsuchungsbefehl nicht rechtzeitig erlangt werden konnte, und dokumentieren Sie dies.

Sie sind nicht verpflichtet, an Ermittlungsmaßnahmen gegen sich selbst mitzuwirken und Unterlagen freiwillig herauszugeben. Insbesondere bei Patientendaten wäre dies außerdem ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht. Lassen Sie die Unterlagen deshalb unbedingt von den Beamten offiziell beschlagnahmen.

Allerdings kann es sinnvoll sein, etwa den Tresor selbst zu öffnen oder einen Hinweis zu geben, wo sich bestimmte Akten befinden, sonst stellen die Fahnder die ganze Praxis auf den Kopf. Versuchen Sie nie, in letzter Sekunde hinter dem Rücken der Fahnder mögliche Beweismittel zu vernichten – das ist ein Haftgrund!

Vorsorglich sollte der Beschlagnahme formell widersprochen werden. Bei der Beschlagnahme von EDV-Anlagen darf nur der Teil der Anlage mitgenommen werden, der auch als Beweismittel geeignet ist – Peripheriegeräte wie Drucker und Scanner also regelmäßig nicht.

5. Keine unnötige Aufmerksamkeit erregen!

Je weniger Ihre Patienten von einer Durchsuchungsmaßnahme mitbekommen, desto besser. Diskutieren Sie mit den Beamten nicht im Flur oder im Wartezimmer, sondern bitten Sie sie in einen Behandlungsraum. Schicken Sie Ihre Patienten nach Hause, soweit das medizinisch vertretbar ist. Erklären Sie ihnen im Zweifel, dass eine unerwartete Betriebsprüfung durchgeführt wird.

6. Betrieb sicherstellen!

„Um den Betrieb sicherzustellen, sollten Sie versuchen, beim Durchsuchungsleiter zu erreichen, dass Sie von allen wichtigen beschlagnahmten Unterlagen Kopien anfertigen dürfen“, so Tim Müller. Führen Sie zum Beispiel in Anwesenheit der Beamten ein Backup der Daten auf DVD durch. Weisen Sie gegebenenfalls auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei Durchsuchungsmaßnahmen hin und erklären Sie, dass Sie Ihre Patienten ohne die Unterlagen beziehungsweise EDV-Daten nicht behandeln können.

7. Personal informieren!

Nehmen Sie sich trotz der stressigen Situation nach Ende der Durchsuchung eine halbe Stunde Zeit für eine Besprechung mit dem Praxispersonal – am besten gemeinsam mit Ihrem Anwalt. Erklären Sie Ihren Mitarbeitern, was geschehen ist, ohne sich zum Tatvorwurf inhaltlich zu äußern, und bitten Sie darum, die oben beschriebenen Gedächtnisprotokolle anzufertigen. Weisen Sie die Mitarbeiter darauf hin, dass sie als Zeugen Anspruch auf einen Anwalt als Zeugenbeistand haben und diesen auch nutzen sollten. Steht Abrechnungsbetrug im Raum, können die Mitarbeiter durchaus selbst wegen Beihilfe belangt werden – in diesem Fall steht ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu.

8. Vorbereitet sein!

Kopieren Sie diesen Beitrag und geben Sie ihn Ihren Mitarbeitern zu lesen. Notieren Sie darauf Namen und Telefonnummer Ihres Anwalts und bewahren Sie die Kopie an einer Stelle auf, wo Sie und Ihre Mitarbeiter sie schnell wiederfinden.