Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Alle beklagen den Ärztemangel auf dem Land. Wer jedoch in strukturschwachen Gebieten vorwiegend ältere Patienten betreut, muss oft mit Problemen rechnen. So auch ein Facharzt für Innere Medizin aus Niedersachsen. Er verordnete im Jahr 2013 – bei insgesamt 7.367 Fällen – Heilmittel in Höhe von 222.691,53 Euro. Laut der Prüfungsstelle Niedersachsen lag darin ein Überschreiten der Richtgrößen von 132,77 Prozent. 

Der Internist beantragte daraufhin die Anerkennung von Praxisbesonderheiten in 15 Indikationsgruppen des Heilmittelkatalogs und führte aus, dass er in diesen von der Fachgruppe deutlich abweichende Fallzahlen und damit einen Mehrbedarf aufweise. Dies liege an der Altersstruktur seiner Patienten, seiner Qualifikation als Internist, der ländlichen Struktur seiner Praxis und dem Umstand, dass er eine Samstagssprechstunde abhalte. 

Die Prüfungsstelle berücksichtigte jedoch nur einige Besonderheiten und kam zu dem Ergebnis, dass nach wie vor eine Richtgrößenüberschreitung von mehr als 56 Prozent vorliege. Weitere Besonderheiten könnten nicht anerkannt werden, da dafür ein substanziierter Vortrag des Arztes erforderlich sei. Daran fehle es hier.

Beweislast liegt nicht nur beim Arzt

Der Internist legte Widerspruch ein. Es sei nicht seine Aufgabe zu ergründen, warum wie viele kranke Menschen ausgerechnet seine Hilfe suchten. Das Verhältnis seiner heilmittelbedürftigen Patienten werde anschaulich, wenn man die Rangliste der 25 häufigsten Erkrankungen in seiner Praxis mit der Fachgruppe vergleiche. Hierzu legte er Statistiken der Kassenärztlichen Vereinigung zu den 25 häufigsten Diagnosen der Fachgruppe und seiner Praxis vor.

Als auch der Widerspruch erfolglos blieb, klagte der Mann. In der ersten In­stanz hatte er keinen Erfolg. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen urteilte jedoch zu seinen Gunsten. Es befand: Die Prüfgremien müssen im Rahmen der Richtgrößenprüfung den Einwand des Arztes, bestimmte verordnungsträchtige Diagnosen lägen bei seinen Patienten häufiger vor als bei der Fachgruppe, auch dann prüfen, wenn dieser die Mehrverordnungen nicht mit strukturellen Besonderheiten seiner Praxis begründen könne. 

Entsprechend muss die Prüfungsstelle nun einen neuen Bescheid erlassen (Urteil vom 23.08.2023, Az. L 3 KA 30/21).

Pflichten der Prüfer

Prüfgremien müssen Umstände ermitteln, die innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind. Das soll Vertragsärzte entlasten, die nur aufgrund einer zufälligen Häufung bestimmter Diagnosen aus medizinischen Gründen gezwungen sind, in größerem Umfang als Fachgruppenkollegen Verordnungen auszustellen und damit unverschuldet die Richtgrößen zu überschreiten.