Natrium-Pentobarbital: Auch Ärzte erhalten das Medikament nicht
Ina ReinschDas Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigt in einem Eilverfahren ein Einfuhrverbot für das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital aus der Schweiz. Ein Arzt hatte um eine Einfuhrerlaubnis gebeten, um Patienten damit bei deren Selbsttötungsabsichten zu unterstützen. Wie geht es weiter?
Schon seit Jahren versuchen einige schwerstkranke Menschen in Deutschland, das Mittel Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung zu erhalten. Es ist in Deutschland für sie nicht zu beziehen. Nun ist auch ein Arzt mit dem Vorstoß gescheitert, beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Einfuhrerlaubnis für das Betäubungsmittel zu erhalten.
Das BfArM hatte einen entsprechenden Antrag des Ärzteteamleiters des Vereins Sterbehilfe in Hamburg abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen entschied nun in einem Beschluss, dass das BfArM nicht verpflichtet sei, dem Arzt die Erlaubnis zur Einfuhr des Medikaments zu erteilen (08.08.2023, Az. 9 B 194/23).
Nicht mit dem Zweck des BtMG vereinbar
Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Danach muss die Erlaubnis versagt werden, wenn der beantragte Verkehr mit dem Medikament nicht mit dem Zweck des BtMG vereinbar ist. Dieser bestehe darin, die notwendige medizinische Versorgung zu sichern, Medikamentenmissbrauch und Sucht auszuschließen.
Ärzte seien danach nicht berechtigt, Betäubungsmittel an ihre Patienten abzugeben, also ihnen Betäubungsmittel zur freien Verfügung zu überlassen. Sie dürfen die Mittel nur verschreiben, verabreichen oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen. Zwar könne der Patient aufgrund einer ärztlichen Verschreibung Betäubungsmittel zur freien Verfügung erhalten. Die Abgabe eines verschriebenen Betäubungsmittels an die Patienten sei aber ausschließlich den Apotheken vorbehalten.
Das BfArM sperrt sich seit Jahren dagegen, Natrium-Pentobarbital an sterbewillige schwerstkranke Patienten abzugeben. Es sei, so die Argumentation, nicht verpflichtet, Menschen bei deren Selbsttötungsabsichten zu unterstützen. 2022 bestätigte das OVG diese Praxis. Geklagt hatten zwei Männer und eine Frau, die an verschiedenen schweren Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Krebs litten. Das Argument war damals dasselbe wie heute: Der Erwerb diene nicht dazu, die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen.
2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe aufgehoben. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, urteilten die Richter. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit ein Ende zu setzen, sei als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasse auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. Es sei aber auch „zumutbar“, die Suche auf ein Gebiet jenseits des eigenen Wohnorts oder Bundeslands zu erstrecken und die Hilfe eines Arztes oder einer Sterbehilfeorganisation in Anspruch zu nehmen. Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben beinhalte keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat.
Zwei Gesetzesvorhaben zur Regelung der Suizidhilfe sind kurz vor der Sommerpause gescheitert. Damit bleibt die Lage für schwerstkranke sterbewillige Patienten weiter unbefriedigend. Sie dürfen zwar, auch mit Hilfe anderer, ihrem Leben ein Ende setzen. Natrium-Pentobarbital gibt es dafür aber nicht.
Viele Fragen noch immer offen |
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Im Streit um das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital scheinen die Fronten verhärtet. Einerseits gesteht der Staat dem Einzelnen das Recht zu, in einer ausweglos erscheinenden Situation selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden. Andererseits erhalten weder Patienten noch Ärzte das als sehr sicher geltende Mittel. Die Vorinstanz urteilte in dem hier vorliegenden Eilverfahren, das sei zumutbar. Denn es komme auch das von der Gesellschaft für humanes Sterben eingesetzte Barbiturat Thiopental als geeignete Alternative in Betracht, das nicht den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterliege. Hier kann es offenbar jedoch zu Komplikationen mit den eingesetzten Arzneimittelkombinationen kommen. Diese Frage könne jedoch erst im Rahmen einer neuen Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren geklärt werden. |