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Recht

Viele der Menschen aus der Ukraine, die jetzt vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen, sind hervorragend ausgebildete Fachkräfte. Sie haben zum Beispiel als „feldser“, auf Deutsch Feldscher, gearbeitet. Das ist die ukrainische Berufsbezeichnung für Gesundheits- und Krankenpfleger und kommt nach Angaben der Datenbank Anabin der deutschen Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten (MFA) noch am nächsten (siehe Kasten unten), ebenso wie die ukrainische Ausbildung zur Krankenschwester (medycna sestra). Den Beruf der MFA, wie wir ihn in Deutschland kennen, gibt es in der Ukraine nicht.

Gleichwertigkeitsprüfung für ukrainische Feldscher

„In nichtreglementierten Berufen, wie es der Beruf der Medizinischen Fachangestellten ist, ist eine Anerkennung keine zwingende Voraussetzung für die Berufsausübung. In diesen Berufen kann man sich direkt auf dem Arbeitsmarkt bewerben und arbeiten“, erklärt Volker Heiliger, Pressesprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Doch zumindest eine Gleichwertigkeitsprüfung kann sinnvoll sein. Durch diese erfahren Arbeitgeber, welche Qualifikationen und Fähigkeiten ein Bewerber aus dem Ausland mitbringt und erlangen dadurch ein Stück Sicherheit. Für die Gleichwertigkeitsprüfung sind grundsätzlich die Bundesländer zuständig. Das Verfahren für den deutschen Berufsabschluss der Medizinischen Fachangestellten wird für alle Bundesländer mit Ausnahme von Bayern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt von der Ärztekammer Westfalen-Lippe durchgeführt (www.aekwl.de/fuer-mfa/nach-der-ausbildung/auslaendische-abschluesse).

Personen, denen die volle Gleichwertigkeit bescheinigt wird, sind Personen mit einem deutschen Abschluss gleichgestellt. Sie erhalten allerdings kein Zeugnis, sondern einen Gleichwertigkeitsbescheid. Gibt es wesentliche Unterschiede, aber auch vergleichbare Qualifikationsinhalte, stellt die Ärztekammer die vorhandenen Berufsqualifikationen dar und beschreibt die Unterschiede zum deutschen Abschluss.

Erste Feldscher-Abschlüsse positiv beschieden

„Jeder Fall ist anders, es gibt unterschiedliche Schwerpunkte und Akzente und jeder bringt unterschiedliche Berufserfahrung mit. Daher ist immer eine Einzelfallprüfung nötig“, erklärt Heiliger. 2022 hat die Ärztekammer bislang zwei Feldscher-Abschlüsse aus der Ukraine positiv beschieden, 2021 waren es neun. „Sprache darf nicht als Bewertungskriterium bei der Gleichwertigkeitsfeststellung herangezogen werden“, weiß Heiliger. „Allerdings setzt der Umgang mit Patienten auch die Beherrschung der deutschen Sprache voraus, sodass wir die Sprachqualifikation Deutsch B1 für die berufliche Tätigkeit im medizinischen Bereich empfehlen.“

Doch neben der Frage der Gleichwertigkeit der Ausbildung stellen sich Praxisinhabern noch weitere wichtige Fragen (Stand 01.05.2022):

Darf ich ukrainische Geflüchtete in meiner Praxis beschäftigen?

Die EU-Staaten haben für die Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine die Massenzustrom-Richtlinie aktiviert, mit der ukrainische Staatsbürger einen Aufenthaltstitel nach § 24 Aufenthaltsgesetz beantragen können. Die Richtlinie wurde in den 1990er-Jahren infolge der Kriege im ehemaligen Jugoslawien geschaffen. Sie soll verhindern, dass es zu einer Überlastung der Behörden kommt, die für die Asylanträge zuständig sind.

Einen Aufenthaltstitel zu erhalten, dauert in der Regel etwas. Daher stellen die Behörden zwischenzeitlich sogenannte Fiktionsbescheinigungen aus – doch auch auf diese muss man inzwischen warten. Der Aufenthaltstitel beziehungsweise die Fiktionsbescheinigung gelten auch als Arbeitserlaubnis. Im Aufenthaltstitel sollte automatisch „Erwerbstätigkeit erlaubt“ vermerkt sein. Damit können Geflüchtete sofort anfangen zu arbeiten. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht erforderlich. Die Aufenthaltsgenehmigung gilt zunächst für zwei Jahre und kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden. Mit dem Aufenthaltstitel können Ukrainer in Deutschland übrigens auch eine Ausbildung beginnen.

Wie lange dauern die Formalitäten?

Um einen Termin bei der Ausländerbehörde zu bekommen, benötigen Geflüchtete in der Regel eine Meldeadresse oder zumindest eine Wohnungsgeberbestätigung des Vermieters. Wer diese nicht hat, kann auch keinen Aufenthaltstitel beantragen. Fehlen dann noch weitere Dokumente, kann es manchmal mehrere Wochen dauern, bis Praxisinhaber tatsächlich Bewerber aus der Ukraine beschäftigen können. Wer einen konkreten Kandidaten in Aussicht hat, kann das Prozedere unterstützen, indem er den Bewerber oder die Bewerberin beim Gang aufs Amt begleitet.

Muss ich mir als Praxisinhaber von ukrainischen Bewerbern den Aufenthaltstitel vorlegen lassen?

Ja, das ist zu empfehlen. Denn ausländische Arbeitnehmer dürfen nur dann beschäftigt werden, wenn sie einen Aufenthaltstitel besitzen, der sie dazu auch berechtigt. Der Praxisinhaber muss also prüfen, ob das der Fall ist. Für die Dauer der Beschäftigung sollte er eine Kopie in digitaler oder schriftlicher Form aufbewahren.

Wie werden ukrainische Arbeitnehmer gefördert?

Zum Beispiel über den Eingliederungszuschuss (EGZ), also einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt. Dieser kann vor Aufnahme der Beschäftigung bei der zuständigen Agentur für Arbeit beantragt werden. Förderhöhe und -dauer werden individuell festgelegt. Um überhaupt festzustellen, ob die beruflichen Kompetenzen ausreichen, bietet sich die „Maßnahme bei einem Arbeitgeber zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ (MAG) an. Mit ihr können Arbeitgeber vorhandene berufsfachliche Kenntnisse eines geflüchteten Menschen feststellen. Das Programm ist auf einen Zeitraum von sechs Wochen begrenzt und muss vorab bei der Agentur für Arbeit oder im Jobcenter beantragt werden. Fahrkosten, Kinderbetreuungskosten oder Kosten für bewilligte Sprach- oder Fachkurse können von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter übernommen werden. Mit dem Aufenthaltstitel haben ukrainische Geflüchtete auch einen Anspruch auf staatlich geförderte Sprach- und Integrationskurse bis zum Sprachniveau B1.

Wer hilft mir als Praxisinhaber, wenn ich offene Fragen habe?

Der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit. Er unterstützt bei der Suche nach Bewerbern und berät bei Fragen zur Beschäftigung von Geflüchteten (arbeitsagentur.de/unternehmen/arbeitgeber-service).

Was muss ich bei einem Arbeitsvertrag mit einem Bewerber oder einer Bewerberin aus der Ukraine beachten?

Wenn der Bewerber noch keinen Aufenthaltstitel besitzt, ist es ratsam, den Arbeitsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Fiktionsbescheinigung zu schließen. Den Arbeitsvertrag dürfen Praxisinhaber in deutscher Sprache verfassen, auch wenn der Bewerber kein Deutsch spricht. Von einem rein englischen Vertrag ist eher abzuraten. Denn kommt es im Arbeitsverhältnis zu Streit, müssen Praxisinhaber möglicherweise eine teure beglaubigte Übersetzung anfertigen lassen.

Medizinische Fachberufe in der Ukraine: Was machen ein feldser und eine medycna sestra?
Den Beruf der MFA gibt es in der Ukraine nicht. Die Ausbildung zum feldser, auf Deutsch Feldscher, deckt aber einen Teil des Aufgabenspektrums ab und ist im Vergleich zur Krankenpflegeausbildung bezogen auf Diagnostik und Therapie auf ein höheres Maß an Selbstständigkeit ausgerichtet. Die Deutsche Referenzqualifikation ist Gesundheits- und Krankenpfleger/in.

In der Sowjetunion und in der heutigen Ukraine bestand die Möglichkeit, sowohl auf der Basis einer zehnjährigen als auch einer acht- oder neunjährigen Schulbildung eine zweieinhalb- bis dreieinhalbjährige Ausbildung zu absolvieren. Ein Feldscher führt allgemeine und klinische Untersuchungen durch, stellt Vordiagnosen bei akuten und chronischen Erkrankungen, assistiert bei Operationen, beherrscht Grundlagen der Schwangerschaftsdiagnostik, leitet selbstständig die regelrechte Geburt und untersucht das Neugeborene. Auch die medizinische Notfallversorgung und Reanimationsmaßnahmen gehören zu den Aufgaben. Wenn ein Arzt nicht erreichbar ist, sind Feldscher befugt, ärztliche Tätigkeiten wie Wundbehandlung, Gewebeentnahmen, Geburtshilfe oder Gabe von Medikamenten selbstständig durchzuführen.

Die medycna sestra (Krankenschwester) entspricht ebenfalls am ehesten dem Beruf Gesundheits- und Krankenpfleger/in. Das Aufgabengebiet liegt in erster Linie in der Durchführung einfacher diagnostischer, therapeutischer und physiotherapeutischer Maßnahmen. Darüber hinaus bereitet die medycna sestra die Patienten auf Labor-, Röntgen- und weitere Untersuchungen vor und verabreicht Medikamente. Sie beherrscht Reanimationstechniken und kann Nothilfe leisten. Die Berufsausbildung hat in den vergangenen 15 Jahren zahlreiche Reformen durchlaufen. Im Rahmen des Bologna-Prozesses wurde ein dreistufiges Bachelor-/Master-/PhD-System eingeführt und die Ausbildung deutlich akademisiert. Seit 2020 wurde sie noch einmal reformiert.

Unter dem Begriff Referenzqualifikation versteht man den deutschen Beruf, mit dem die ausländische Qualifikation verglichen werden kann. Diese Zuordnung bedeutet aber nicht, dass die ausländische Qualifikation auch gleichwertig ist. Die Gleichwertigkeit wird ausschließlich über ein Anerkennungsverfahren festgestellt, das bei der hierfür zuständigen Behörde beantragt werden muss.

Quelle: Anabin, Das Informationsportal zu ausländischen Bildungsabschlüssen