Ist dies das Ende des selbstständigen Notarztes?
A&W RedaktionViele Mediziner fahren neben ihrer normalen Praxistätigkeit Notarztdienste auf Honorarbasis. Damit könnte es schon bald vorbei sein. Zwei aktuelle Urteile stufen die selbstständigen Notärzte im Rettungsdienst als Arbeitnehmer ein – mit weitreichenden Folgen.
Seit Langem mehren sich die Zeichen, dass eine freie honorarärztliche Tätigkeit in Deutschland nicht mehr gewünscht ist. Die jüngere sozialgerichtliche Rechtsprechung bestätigt diesen Eindruck. Zwei Landessozialgerichte (LSG) mussten sich unlängst damit auseinandersetzen, unter welchen Voraussetzungen ein Notarzt in den Betrieb des Rettungsdienstes eingegliedert bzw. abhängig beschäftigt ist (LSG Schleswig-Holstein, Az. L 5 BA 51/18 und LSG Baden-Württemberg, Az. L 4 BA 732/19). Die Antwort auf diese Frage entscheidet nicht nur darüber, ob das Honorar des betreffenden Arztes oder der Ärztin sozialversicherungspflichtig ist. Sie hat auch weitreichende steuerliche Auswirkungen.
Im einen Verfahren ging es um einen 45-jährigen Arzt, der hauptberuflich in eigener Praxis tätig ist und nebenberuflich für verschiedene Auftraggeber Bereitschaftsdienste als Notarzt übernahm. Im anderen Fall hatte das Gericht den Status einer Ärztin der Luftrettung zu prüfen, die – naturgemäß – mit dem Hubschrauberpersonal (Pilot und Rettungsassistent) arbeitsteilig zusammenwirkte, um Patienten optimal zu versorgen. In beiden Fällen pochten die Mediziner auf ihren Status als Selbstständige. Vergebens.
Kein eigener Hubschrauber, keine Selbstständigkeit
Beide Landessozialgerichte verneinten eine selbstständige Tätigkeit und stellten für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung darauf ab, dass der Träger des Rettungsdienstes nach den Vorgaben des Rettungsdienstgesetzes verpflichtet sei,
- die technischen, baulichen und sonstigen stationären Anlagen wie Rettungswache, Leitstelle und Alarmierung,
- die sächliche Ausstattung in Form von Rettungsmitteln und
- die personelle Ausstattung mit rettungsdienstlichem Fachpersonal
zu stellen. In dieser Umgebung nehme der Notarzt seine Tätigkeit nach Weisung der Leitstelle in arbeitsteiliger Zusammenarbeit mit den anderen am Einsatz beteiligten Mitarbeitern des Trägers wahr. Dies bewirke eine Eingliederung in den Betrieb des Trägers. Der vom Notarzt erbrachte Dienst entspreche damit dem Betriebszweck des Trägers, sodass von einer abhängigen Beschäftigung des Notarztes auszugehen sei.
Es geht um mehr als nur die Sozialversicherung
An diesem Befund ändert nach Meinung des LSG Schleswig-Holstein auch die Regelung des § 23 c Abs. 2 SGB IV nichts: Sie stellt klar, dass Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt im Rettungsdienst gegebenenfalls nicht beitragspflichtig sind. Das aber ficht das Gericht nicht an. § 23 c Abs. 2 SGB IV besage lediglich, dass die vom Notarzt erwirtschafteten Einnahmen nicht der Beitragspflicht unterliegen. Ob der Arzt im Rettungsdienst vom Status her als Selbstständiger oder als Arbeitnehmer einzuordnen sei, gehe aus der Norm hingegen nicht hervor. Deshalb komme es weiterhin auf die Einordnung im Betrieb Rettungsdienst an. Mehr noch: Da der Sicherstellungsauftrag die Träger bundesweit dazu verpflichtet, rettungsdienstlichen Strukturen in organisatorischer, personeller und sächlicher Hinsicht zu erreichten, kann die Rechtsprechung der beiden LSG grundsätzlich auf alle anderen Bundesländer übertragen werden.