„Grober Aufklärungsfehler“: Keine Beweislastumkehr zulasten des Arztes
Judith MeisterEin multimorbider Patient verklagt seinen Arzt auf 50.000 €, weil dieser einen „groben Aufklärungsfehler“ begangen haben soll. Mit diesem Begriff konnten die Gerichte allerdings wenig anfangen – und einen Behandlungsfehler sahen sie auch nicht.
Trotz multipler Vorerkrankungen sucht ein alkoholabhängiger 65-jähriger Patient über Monate hinweg seinen Hausarzt nicht auf. Keine gute Idee in seinem Zustand: Er litt unter anderem an einer dekompensierten Herzinsuffizienz, einer gastrointestinalen Blutung bei Refluxösophagitis, unter Bluthochdruck und schwerem Übergewicht. Zu den weiterhin bekannten Diagnosen zählten zudem ein Diabetes mellitus Typ 2 ohne Medikation sowie eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium 3. Außerdem hat der Mann diverse Ulcera und litt unter Psoriasis.
Im August wurde der Patient mit erheblicher Atemnot in ein Krankenhaus eingeliefert. Die poststationäre Behandlung übernahm ein niedergelassener Arzt. Er führte nicht nur die internistisch empfohlene Medikation fort, sondern verordnete dem Patienten auch Ibuprofen, da dieser über Schmerzen in den Kniegelenken klagte.
Viele Vorerkrankungen – viele Folgeprobleme
Im Behandlungszeitraum erfolgten regelmäßige Wundvisiten wegen offener Stellen an beiden Unterschenkeln und Fersen sowie am Steißbein und im Bereich der Großzehe. Im Oktober desselben Jahres dokumentierten die Ärzte dann einen ersten Erfolg: „Dekubitus im Sakralbereich ist abgeheilt“. Zur Kontrolle der Nierenfunktion wurden zudem mehrfach Blutuntersuchungen durchgeführt.
Im Frühjahr des Folgejahres war der Mann erneut in stationärer Behandlung, unter anderem wegen Nierenversagen und akuter Diarrhoe aufgrund einer Adenovirus-Infektion. Zwei Monate später folgte ein weiterer Klinikaufenthalt wegen Dekubitus vierten Grades im Sakralbereich sowie Fersennekrosen.
Nach seiner Entlassung verklagte der Mann den niedergelassenen Arzt, der ihn in der Klinik behandelt hatte, und forderte ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000 €. Sein Vorwurf: Der Hausarzt habe ihn nicht ausreichend darüber aufgeklärt, dass Ibuprofen angesichts der vorbestehenden Niereninsuffizienz und weiterer Erkrankungen kontraindiziert, zumindest grob behandlungsfehlerhaft gewesen sei.
Gericht bestätigt dem behandelnden Arzt korrektes Vorgehen
Mit seinem Vortrag hatte der Mann aber weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg.
Nicht belegt, so das Oberlandesgericht (OLG) Dresden, sei bereits, dass im konkreten Fall die Gabe von Ibuprofen wegen der Nieren- und Herzinsuffizienz kontraindiziert war. Zwar seien angesichts der erheblichen Vorerkrankungen des Patienten engmaschige hausärztliche Kontrollen erforderlich. Die standardgemäßen Vorgaben seien aber eingehalten worden.
Weiter führte das Gericht aus, dass, auch wenn dem Arzt ein Behandlungsfehler vorzuwerfen wäre, der Patient nicht den Beweis erbracht hätte, dass dieser für sein akutes Nierenversagen verantwortlich war. Vielmehr war dieses laut dem Sachverständigen auf den starken Flüssigkeitsverlust aufgrund der anhaltend massiven Durchfälle infolge der Darminfektion zurückzuführen. Ein Zusammenhang mit der Ibuprofen-Medikation sei zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht wahrscheinlich.
Da der Patient nicht von Beweiserleichterungen profitierte, war sein Ansinnen auch deshalb nicht durchsetzbar. Zwar komme es bei „groben Behandlungsfehlern“ zu einer Beweislastumkehr zugunsten der Geschädigten. Einen „groben Aufklärungsfehler“ gebe es als Rechtsbegriff jedoch nicht, so das Gericht. Deshalb war und blieb der Patient beweispflichtig (Az. 4 U 245/23).