Gesundheit und Pflege: Das steht im Koalitionsvertrag
Ina ReinschMit Spannung erwartet – nun endlich da: SPD, Grüne und FDP haben am 24. November 2021 ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Die Vorhaben im Bereich Gesundheit und Pflege sind vielfältig: opt-out-Lösung für die ePA, Stärkung der ambulanten Versorgung, mehr Telemedizin und eine Aufhebung der Budgetierung in der hausärztlichen Versorgung sind nur einige Punkte.
Der am 24. November 2021 vorgelegte Koalitionsvertrag soll die mittel- und langfristige Zusammenarbeit der drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP während der anstehenden Legislaturperiode regeln. Er gibt einen Überblick über die wichtigsten Vorhaben der Koalition in den kommenden vier Jahren und ist als Marschpapier zu verstehen. Einen rechtsverbindlichen Vertrag stellt er nicht dar, sondern eher eine Absichtsbekundung. Der Vertrag enthält neben Kernthemen wie Digitalisierung und Klimaschutz auch zahlreiche Vorhaben im Bereich Pflege und Gesundheit. ARZT & WIRTSCHAFT hat sich den Koalitionsvertrag für Sie angesehen und die wichtigsten Eckpunkte für Ärztinnen und Ärzte zusammengefasst.
Digitalisierung in der Medizin
- Telemedizinische Leistungen inklusive Arznei-, Heil und Hilfsmittelverordnungen sowie Videosprechstunden, Telekonsile, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung will die künftige Bundesregierung regelhaft ermöglichen.
- Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des elektronischen Rezepts (eRezept) sollen beschleunigt werden.
- Für die ePA soll künftig eine opt-out-Regelung gelten. Das heißt, grundsätzlich machen alle mit, wer das nicht will, muss sich aktiv dagegen entscheiden. Bisher ist die ePA als opt-in vorgesehen.
- Die Gematik soll zu einer digitalen Gesundheitsagentur ausgebaut werden.
- Mit einem Bürokratieabbaupaket will die Ampel die Bürokratie und die Berichtspflichten im Gesundheitswesen eindämmen.
Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung
- Die künftige Regierung will die ambulante Versorgung stärken. Zu diesem Zweck soll für geeignete Leistungen eine sektorengleiche Vergütung zur stationären Versorgung durch sogenannte Hybrid-DRG (Diagnosis Related Groups) erfolgen.
- Die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich will die künftige Ampel-Koalition aufheben.
- Die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen soll erleichtert, bürokratische Hürden sollen dazu abgebaut werden.
- Entscheidungen des Zulassungsausschusses müssen künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden.
- Die Versorgung in unterversorgten Regionen soll gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen sichergestellt werden.
- Geplant ist zudem, multiprofessionelle, integrierte Gesundheits- und Notfallzentren auszubauen.
- Die Attraktivität von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen (Gesundheitsregionen) will die künftige Ampel erhöhen, der gesetzliche Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern soll ausgeweitet werden, um innovative Versorgungsformen zu stärken.
- Im ländlichen Raum will die Regierung das Angebot durch Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen ausbauen.
- Außerdem soll das Konzept der Apotheke vor Ort weiter gestärkt werden. Apotheken-Nacht- und -Notdienste sollen sich zu einem Sicherstellungsfond weiterentwickeln. Notfallbotendienste sollen in der ambulanten Notfallversorgung verordnungsfähig werden.
Rund um die Geburt
Das nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ will die künftige Regierung mit einem Aktionsplan umsetzen. Mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte sollen evaluiert werden. Zudem will die Koalition einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt einführen und den Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle stärken. Zusätzlich will sie die Möglichkeit und Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken schaffen.
Förderung der Gendermedizin
Geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention sowie in der Forschung sollen künftig besser berücksichtigt werden. Diskriminierungen und Zugangsbarrieren sollen abgebaut werden. Die Gendermedizin wird künftig Teil des Medizinstudiums, der Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe werden.
Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege
- Der Bund will eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen, um den Einsatz von Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen anzuerkennen. Dazu will er die Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3.000 Euro anheben.
- Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen schnell und spürbar verbessert werden. Zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus soll kurzfristig die Pflegepersonalregelung 2.0. als Übergangsinstrument eingeführt werden.
- Vor allem in der stationären Langzeitpflege sollen Löhne und Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte mit dem Ziel verbessert werden, die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen.
- Den Pflegeberuf will die künftige Regierung attraktiver machen, etwa mit der Steuerbefreiung von Zuschlägen oder der Abschaffung geteilter Dienste. Die Ausbildung soll durch ein bundeseinheitliches Berufsgesetz für Pflegeassistenz, Hebammenassistenz und Rettungssanitärer harmonisiert, die akademische Pflegeausbildung gestärkt werden.
- Schmerzmittel im Betäubungsmittelgesetz sollen für Gesundheitsberufe delegationsfähig werden.
Öffentlicher Gesundheitsdienst
Die künftige Ampel-Koalition will den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken. Zur Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von COVID-19 sowie für das chronische Fatigue-Syndrom soll ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen geschaffen werden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit aufgehen.