Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Die fristlose Trennung von einem Mitarbeitenden erscheint bei manchen Vorfällen unvermeidlich. Wer als Arzt oder Ärztin einem Praxismitarbeitenden fristlos kündigt, sollte allerdings ruhig Blut bewahren und gut aufpassen, sich nicht in Widersprüche zu verstricken. Diese Erfahrung musste ein Arbeitgeber machen, der einen Mitarbeiter hinausgeworfen hatte, ihm aber für den Fall, dass er gegen die Kündigung klagen wollte, eine Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss eines eventuellen Kündigungsschutzprozesses anbot. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hielt dieses Verhalten für widersprüchlich. Obwohl der Mitarbeiter nach dem Rauswurf nicht wieder zur Arbeit erschien, muss der Chef nun Gehalt nachzahlen.

Der Mitarbeiter war technischer Leiter eines Unternehmens und verdiente 5.250 Euro im Monat. Der Chef sprach ihm gegenüber eine fristlose Änderungskündigung aus, er kündigte also den alten Arbeitsvertrag und bot ihm gleichzeitig einen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler zu einem Verdienst von monatlich 3.750 Euro an. In der Kündigung hieß es: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt.“

Angebot der Weiterbeschäftigung nicht ernst gemeint

Der Mitarbeiter lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte der Chef erneut fristlos, wiederum mit einem Schreiben, in dem er klarstellte, dass der Mitarbeiter zu Arbeit erscheinen solle, wenn er die Kündigung nicht akzeptiere. In dem anschließenden Kündigungsschutzprozess wurde festgestellt, dass beide Kündigungen unwirksam waren.

Vier Monate nach dem Rauswurf fand der Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz und forderte seinen Lohn nach. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten oder auch den ursprünglichen Arbeitsbedingungen sei ihm nicht zuzumuten gewesen. Der Arbeitgeber habe ihm zur Begründung der fristlosen Kündigungen zu Unrecht umfangreiches Fehlverhalten vorgeworfen. Im Verfahren hatte der Arbeitgeber seinerseits behauptet, die Beschäftigung des Arbeitnehmers sei ihm nicht mehr zumutbar gewesen. Er lehnte eine Gehaltsnachzahlung ab und verwies darauf, dass der Mitarbeiter ja hätte arbeiten können.

Der Fall landete schließlich vor dem BAG. Das entschied, dass der Arbeitgeber den Lohn nachzahlen muss (29.03.2023, Az. 5 AZR 255/22). Das Unternehmen habe sich aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots durch den klagenden Mann bedurft hätte. Grund dafür sei das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers. Dadurch, dass dieser selbst deutlich gemacht hatte, dass ihm eine Weiterbeschäftigung unzumutbar sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er dem Mitarbeiter kein ernst gemeintes Angebot einer Weiterbeschäftigung unterbreitet habe. Die Ablehnung eines solchen „Angebots“ lasse nicht auf einen fehlenden Leistungswillen schließen.

Fristlose Kündigung konsequent durchziehen

Was können Arbeitgeber aus dieser Entscheidung mitnehmen? Es ist nicht sinnvoll, wenn ein Chef ein Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigt (zu gesetzlichen Kündigungsfristen finden Sie hier weitere Informationen) und dabei aus Angst vor Annahmeverzugsansprüchen gleichzeitig die Weiterbeschäftigung anbietet für den Fall, dass der Arbeitnehmer mit der Kündigung nicht einverstanden ist. Mit einem solchen Verhalten widerlegt er den für eine außerordentliche Kündigung erforderlichen wichtigen Grund selbst, denn er gibt zu erkennen, dass ihm eine Weiterbeschäftigung doch zumutbar ist. Wer sich fristlos trennen will, sollte das konsequent signalisieren.

Fristlose Kündigung
Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort. Die üblichen Kündigungsfristen müssen nicht eingehalten werden. Der Grund für die Kündigung muss allerdings so schwerwiegend sein, dass er das Einhalten der Kündigungsfrist unzumutbar macht.