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Datenschutzrecht

Patientenakten sind tabu. Zumindest wenn es um die Frage geht, ob Behörden in einer Arztpraxis kontrollieren dürfen, ob der Arzt oder die Ärztin zu Unrecht Medikamente verordnet hat, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden (10.03.2022, Az. 3 C 1.21).

In dem Fall war dem Münchener Landratsamt bei einer unangekündigten Überprüfung in einer Apotheke ein Ritalin-Rezept aufgefallen, das ein Allgemeinmediziner seinem 27-jährigen Sohn auf dem dafür erforderlichen Betäubungsmittelrezept ausgestellt hatte. Bei einem weiteren unangekündigten Besuch in der Apotheke und einer Visite in der Praxis kam eine zweistellige Zahl weiterer Verordnungen zutage. Die Behörde forderte von dem Arzt Unterlagen an, die eine Begründung dafür liefern sollten, aufgrund welcher Diagnose und Therapie er 14 Patienten Methylphenidat und weitere Betäubungsmittel verordnet hatte – mit anderen Worten also die Patientenakten. Sie drohten zudem mit einem Zwangsgeld. Der Arzt wehrte sich.

Bayerische Richter erhalten Rüffel von höherem Gericht

Das Verwaltungsgericht München gab seiner Klage teilweise statt. Zwar sei er zur Vorlage der Rezeptdurchschläge verpflichtet, nicht jedoch der Patientenakten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah das anders: Eine Einsichtnahme in die Patientenakten sei verhältnismäßig. Nach dem BtMG komme einer wirksamen Überwachung besondere Bedeutung zu. Teilnehmer am Verkehr mit Suchtstoffen seien diesbezüglich weniger schutzbedürftig. Die „herausragende Bedeutung des Schutzguts der Volksgesundheit“ rechtfertige eine auch anlasslose Kontrolle.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ging nun seinerseits mit den strengen bayerischen Richtern ins Gericht. Die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs zuständigen Behörden seien nicht befugt, zur Kontrolle der Betäubungsmittelverordnungen Einsicht in ärztliche Patientenakten zu nehmen, heißt es in dem Urteil. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG dürften sie zwar Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einsehen sowie Abschriften oder Ablichtungen anfertigen, soweit diese für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können. Zu diesen Unterlagen zählten jedoch nicht die Patientenakten. Diese Auslegung sei nicht vom BtMG gedeckt und verstoße gegen Bundesrecht.

Derzeit keine Rechtsgrundlage für Einsicht in Patientenakten

Gleichzeitig ermahnten sie jedoch den Gesetzgeber, eventuell eine Regelung zu treffen. Anhand der Angaben auf einem Betäubungsmittelrezept lasse sich die medizinische Begründung der Verschreibung nicht feststellen. Das Ziel, eine effektive Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zu gewährleisten, könne daher dafür sprechen, den Überwachungsbehörden auch die Befugnis einzuräumen, ärztliche Patientenunterlagen einzusehen. Dafür müsse der Gesetzgeber jedoch eine Rechtsgrundlage schaffen. Weder Wortlaut und Entstehungsgeschichte von § 22 BtMG noch die Gesetzessystematik enthielten aber Anknüpfungspunkte dafür, dass Patientenakten nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Begriff „Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr“ umfasst sein sollen.

§ 22 Betäubungsmittelgesetz
Überwachungsmaßnahmen

§ 22 Absatz 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) besagt sinngemäß, dass die mit der Überwachung beauftragten Behörden Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einsehen und Abschriften oder Ablichtungen daraus anfertigen dürfen. Das Gericht hat nun klargestellt, dass mit diesen Unterlagen nicht die Patientenakten an sich gemeint sind und damit der strengen Auslegung des Gesetzes durch die bayerischen Verwaltungsrichter einen Riegel vorgeschoben.