Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht
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Humanmediziner behandeln nur Menschen. Das klingt erst einmal selbstverständlich. Jetzt stellen wir uns aber vor, dass wir uns auf einer kleinen norddeutschen Insel befinden, die nur über eine Fähre mit dem Festland verbunden ist, welche aufgrund der Gezeiten nicht immer fahren kann. Dort gibt es nur einen niedergelassenen Hausarzt, aber keinen Tierarzt. Darf der Arzt in einer solchen Situation auch Tiere behandeln oder müssen die Tierhalter den weiten Weg zum nächsten Tierarzt auf dem Festland auf sich nehmen?

Dass diese Frage nicht nur theoretisch ist, zeigte ein Ausschnitt aus einer TV-Dokumentation im August 2024, wo ein Allgemeinmediziner neben einem Menschen auch einen Hund behandelt hat.

Erfordernis einer (tier-)ärztlichen Approbation

Gemäß § 1 Abs. 1 der Bundesärzteordnung (BÄO) dient ein Arzt der Gesundheit von Menschen. Um diesen Beruf auszuüben, benötigt er nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 BÄO eine Approbation, die ausschließlich für die Humanmedizin gilt.

Eine ähnliche Regelung gilt auch für die Tiermedizin. So legt § 1 Abs. 1 der Bundestierärzteordnung (BTÄO) fest: Der Tierarzt ist berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen […]. Für diese Tätigkeit ist nach § 2 Abs. 1 BTÄO eine tierärztliche Approbation erforderlich. Ein Humanmediziner darf also ohne tierärztliche Approbation keine Tiere behandeln.

Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz?

Es stellt sich die Frage, ob Heilkunde ausgeübt werden kann, ohne Arzt zu sein. Nach § 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes (HPG) bedarf es einer Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, wenn jemand nicht als Arzt zugelassen ist. Gilt dieser Erlaubnisvorbehalt auch für die Behandlung von Tieren? Nein, das HPG bezieht sich gemäß § 1 Abs. 2 nur auf die Behandlung von Menschen. Tierheilpraktiker benötigen hingegen keine staatliche Zulassung oder Befähigungsnachweise. So ist auch die Berufsbezeichnung „Tierheilpraktiker“ nicht geschützt. Dennoch unterliegen sie bei der Anwendung von Arzneimitteln und in Bezug auf den Tierschutz gesetzlichen Regelungen, wie dem Arzneimittelgesetz (AMG), Tierarzneimittelgesetz (TAMG) oder dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Eingriffe nur durch Tierärzte erlaubt

Nach dem Tierschutzgesetz dürfen Eingriffe an warmblütigen Tieren, die eine Betäubung oder Schmerzstillung erfordern, nur von einem Tierarzt durchgeführt werden (§ 5 Abs. 1 TSchG). Ein Verstoß dagegen ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 7 TSchG. Ebenso dürfen Amputationen oder das Entnehmen beziehungsweise Zerstören von Organen oder Gewebe nur von Tierärzten vorgenommen werden (§ 6 Abs. 1 S. 3 TSchG), andernfalls liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 8 TSchG vor. Möglich ist hingegen eine gemeinsame Untersuchung und Behandlung von Tierärzten mit Ärzten, Zahnärzten oder Naturwissenschaftlern (so bspw. § 25 Abs. 1 S. 1 Berufsordnung Tierärzte Bayern).

Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente nach dem Arzneimittelgesetz

Nach § 48 Abs. 1 AMG dürfen durch den Apotheker verschreibungspflichtige Arzneimittel nur beim Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung abgegeben werden. Ein Heil- oder Tierheilpraktiker ist nicht zur Verschreibung verschreibungspflichtiger Arzneimittel berechtigt.  Dabei geht die Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass ein Arzt, Zahnarzt und Tierarzt nur die jeweiligen Arzneimittel verschreiben kann, die er im Rahmen seiner ärztlichen, zahn- oder tierärztlichen Berufsausübung einsetzt. So kann nach dem Bundesgerichtshof die Verschreibung nur für den Bereich gelten, in dem der Arzt ausgebildet und bestallt worden ist.  Damit bezieht sich die Verschreibungsberechtigung des Arztes, Zahn- oder Tierarztes nach § 48 Abs. 1 AMG nur auf die jeweilige Approbation bzw. Berufserlaubnis.  Diese Norm ist allerdings nur an den Apotheker und nicht an den Arzt selbst adressiert.  Hat der Apotheker Bedenken an der ordnungsgemäßen Verschreibung, darf er das Arzneimittel gemäß § 17 Abs. 5 S. 3 ApBetrO nicht aushändigen.

Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente nach dem Tierarzneimittelgesetz

Nach § 31 Abs. 1 des TAMG dürfen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel nur von Tierärzten verschrieben werden. Auch die Abgabe solcher Arzneimittel ist in Apotheken ohne tierärztliche Verschreibung (§ 25 Abs. 3 S. 1 TAMG) nicht erlaubt. Damit sind auch Humanmediziner von der Verschreibung von Tierarzneimittel ausgenommen. Tierhalter und Nichttierärzte dürfen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel an Tieren nur anwenden, wenn sie von einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben wurden, bei dem sich das Tier in Behandlung befindet und die Anwendung nach einer tierärztlichen Behandlungsanweisung erfolgt (§ 50 Abs. 2 TAMG). Sollen Humanarzneimittel für Tiere verwendet werden, ist dies nur nach einer Umwidmung durch einen Tierarzt möglich (§ 50 Abs. 2 TAMG i.V.m. § 2 Abs. 1 AMG).

Humanmediziner dürfen zudem keine Tierarzneimittel für ihren eigenen Bedarf, also für die eigenen Tiere, verschreiben (§ 4 Abs. 2 S. 1 AMVV i.V.m. § 1 AMVV), es sei denn, sie verfügen über eine tierärztliche Approbation. Dies lässt sich aus den dargelegten Grundsätzen aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes ableiten. Geht ein Apotheker davon aus, dass der Humanmediziner die Arzneimittel für seine Tiere verwenden möchte, dürfen die Medikamente nicht abgegeben werden.

Verschreibung oder Verabreichung von Betäubungsmitteln

Nach § 13 Abs. 1 BtMG dürfen Betäubungsmittel nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung verabreicht werden. Daraus könnte geschlossen werden, dass Ärzte auch Betäubungsmittel für Tiere verschreiben oder verabreichen können. Der Bundesgerichtshof entschied bereits 1955, dass die Verschreibungsbefugnis nur soweit reicht, wie seine Approbation. Somit darf ein Humanmediziner keine Betäubungsmittel für Tiere verschreiben oder anwenden. Verstößt er dagegen, könnte er sich nach § 29 Abs. 1 Nr. 6 BtMG strafbar machen.

Weitere mögliche Verstöße

Es gibt eine Reihe weiterer Normen, gegen die ein Humanmediziner verstoßen könnte, wenn er Tiere behandelt. Nutzt er beispielsweise die Berufsbezeichnung „Tierarzt“, könnte dies als Titelmissbrauch nach § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet werden. Stellt er ein Kassenrezept über ein verschreibungspflichtiges Humanarzneimittel für das Tier einer seiner Patienten zulasten deren gesetzlichen Krankenversicherung aus, könnte er sich wegen eines Versicherungsbetruges nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar machen.

Haftungs- und berufsrechtliche Konsequenzen

Es ist davon auszugehen, dass für Behandlungen außerhalb der eigenen Approbation kein Versicherungsschutz über die Berufshaftpflichtversicherung (§ 95e Abs. 1 SGB V) besteht. Eine zivilrechtliche Haftung bei Behandlungsfehlern bleibt unberührt.

Weiter könnte eine Tierbehandlung eines Humanmediziners eine Berufspflichtverletzung nach den jeweiligen Berufsordnungen bedeuten (bspw. Generalklausel, § 2 Abs. 2 Berufsordnung Ärzte Bayern) und gegebenenfalls berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bei einer strafrechtlichen Verurteilung könnte sogar ein Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit (§ 5 Abs. 2 S. 1 BÄO iVm § 3 I Nr. 2 BÄO) im Raum stehen.

Als Humanmediziner besser keine Tiere behandeln

Wer Krankheiten und Leiden von Tieren verhüten, lindern und heilen will, muss Tierarzt sein (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 BTÄO). Es gibt zahlreiche Regelungen, besonders im Tierschutz- und Arzneimittelrecht, die dies näher ausgestalten. Daher ist es nicht zulässig, dass Humanmediziner Tiere behandeln.