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Recht

Wer so viele Bereitschaftsdienste übernimmt, dass darunter die Behandlung der Patienten in der Praxis erheblich zurückgeht, kann unter Umständen die Kassenzulassung verlieren. Das hat das Sozialgericht München entschieden (22.2.2024, Az. S 20 KA 481/19).

Ein Münchner Hausarzt kurz vor der Pensionierung arbeitete seit 2008 in einer Gemeinschaftspraxis mit vier Kollegen. Dort übernahm er noch kleine Beratungen am Tresen, Rezeptausstellung und Telefonberatung. Zudem führte er Schulungen von Pflegekräften durch und ging einer Lehrtätigkeit an der Universität nach. Damit kam er auf deutlich unter zehn Prozent des durchschnittlichen Leistungsvolumens der Hausärzte. Denn seine Hauptarbeitszeit verbrachte er im ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Das fand die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bayerns gar nicht gut. Sie forderte ihn daher auf, wieder mehr Patienten in der Praxis zu behandeln, um seinem Versorgungsauftrag nachzukommen. Nach zwei Jahren ohne große Veränderungen und einigen Gesprächen hatte die KV offensichtlich die Faxen dicke und entzog dem inzwischen 65-jährigen Arzt 2019 kurzerhand die Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Zur Begründung verwies die KV auf die niedrigen Fallzahlen in seiner Praxis und darauf, dass der Bereitschaftsdienst letztlich nur das Anhängsel der vertragsärztlichen Tätigkeit sei. Schließlich sperre er mit seiner geringen Patientenbetreuung einen Vertragsarztsitz in München. Sein Widerspruch dagegen blieb erfolglos, er klagte gegen die Entscheidung.

Bereitschaftsdienst ist nur die Folge der Vertragsarzttätigkeit

Doch auch das Sozialgericht München entschied gegen ihn (22.02.2024, Az. S 20 KA 481/19). Der Arzt hatte argumentiert, dass sich seine kleineren ärztlichen Leistungen in der Praxis nicht in der Abrechnung widerspiegeln würden. Alle Kurzberatungen würden in die Grundpauschale fallen. Seit Jahren versorge er hausärztlich im üblichen Umfang etwa 300 bis 500 Behandlungsfälle jedes Quartal. Die Hausbesuchstätigkeit sei eine typisch hausärztliche Leistung. Dabei komme es nicht darauf an, ob er diese im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst oder in anderer Form erbringe. Außerdem meinte der Arzt, dass die Zulassungsentziehung gegen die Verfassung verstoße, da er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Hinzu kam für ihn, dass er seinen Praxisanteil ohne die Zulassung nicht so gut verkaufen konnte, den Verkaufserlös aber für seine Altersvorsorge eingeplant hatte.

Das Gericht ließ die zahlreichen Hausbesuche im Rahmen des Bereitschaftsdienstes jedoch nicht gelten. Sie hätten nicht primär etwas mit der vertragsärztlichen Versorgung zu tun, sondern der Bereitschaftsdienst sei nur die Folge daraus. Das Gericht kam damit wie die KV zu dem Ergebnis, dass der Arzt seine Vertragsarzttätigkeit nicht ausübt, weil er mit seiner Praxisabrechnung bei den Fallzahlen unter zehn Prozent des Fachgruppendurchschnitts liegt.

Kommentar: Das kann man auch anders sehen

Wer als Arzt oder Ärztin in der eigenen Praxis mit den Fallzahlen unter zehn Prozent des Fachgruppendurchschnitts liegt, muss befürchten, seine Zulassung zu verlieren, weil er seinem Versorgungsauftrag nicht nachkommt. Das ist an sich verständlich, schließlich sollen die Vertragsärzte der Bevölkerung auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Begrüßenswert ist die Entscheidung des Sozialgerichts München allerdings nicht. Denn die Arbeit im Bereitschaftsdienst ist bei den meisten Vertragsärzten nicht beliebt. Die KV sollte froh sein, wenn Ärzte freiwillig mehr Dienste übernehmen. Vielleicht ist aber in diesem Fall das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn es gibt gute Gründe, hier anders zu argumentieren. Generell werden Hausbesuchszeiten bei niedergelassenen Ärzten auf die Sprechstunden angerechnet. Davon müssen niedergelassene Vertragsärzte pro Woche mindestens 25 anbieten. Als Sprechstunden gelten die Zeiten, in denen der Vertragsarzt für die Versorgung der Patienten unmittelbar zur Verfügung steht. Das tun aber auch Ärzte im Bereitschaftsdienst, die Hausbesuche machen. Auch im Bereitschaftsdienst nehmen sie an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Ina Reinsch

Ina Reinsch

Stellvertretende Ressortleiterin Wirtschaft, ARZT & WIRTSCHAFT
Ina Reinsch ist Wirtschaftsredakteurin bei ARZT & WIRTSCHAFT und Rechtsanwältin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit Medizinrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht und Wirtschaftsthemen für Ärztinnen und Ärzte.
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