Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Sieben von zehn Praxen beklagen in einer aktuellen Online-Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Probleme mit verpassten Terminen. Bei über 40 Prozent der betroffenen Praxen fallen demnach fünf bis zehn Prozent aller Termine aus, weil Patienten nicht absagen. Bei 16 Prozent der Praxen sind es sogar 10 bis 20 Prozent.

Zahlen aus dem Saarland zeichnen ein ähnliches Bild: Dort wurden laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung allein im zweiten Quartal 2023 hochgerechnet rund 200.000 vereinbarte Termine nicht wahrgenommen. Fachärzte sind von den Terminausfällen besonders betroffen. Anders als Hausärzte können Fachärzte ausgefallene Termine oft schlechter kompensieren, da die Untersuchungen oftmals aufwendiger sind. Betroffen sind im Prinzip alle Fachrichtungen, von der Kardiologie über die Gastroenterologie bis hin zur Pädiatrie.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche Patientinnen und Patienten verschwitzen ihren Termin einfach. Andere werden krank oder ihnen kommt ein wichtiger Termin dazwischen. Beobachten lässt sich aber auch ein gewisser Mentalitätswandel: So gibt es Patienten, die Termine bei mehreren Ärzten vereinbaren und dann denjenigen wahrnehmen, der ihnen in dieser Woche am besten in den Plan passt. Andere priorisieren spontan Aktivitäten wie Kaffeetrinken mit einer Freundin höher. Dass es sich gehört, einen Termin im Falle des Falles abzusagen und nicht einfach wegzubleiben, haben viele Menschen nicht mehr verinnerlicht.

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind zu Recht verärgert, denn oft haben sie Zeit extra für einen Patienten reserviert, etwa für eine Vorsorgeuntersuchung. Ist dann kein anderer Patient in der Praxis, entsteht Leerlauf. Und das, obwohl sie andere Patienten wegen eines vollen Terminkalenders abweisen mussten. Kann man dafür nicht eine Kompensation verlangen?

Die Frage, ob Ärztinnen und Ärzte für einen unentschuldigt nicht wahrgenommenen Termin ein Ausfallhonorar als Schadensersatz verlangen dürfen, lässt sich nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Eine gesetzliche Regelung zu Ausfallhonoraren gibt es nicht. Leider existiert auch keine einheitliche Rechtsprechung. Die Gerichte entscheiden zum Teil unterschiedlich – was auch daran liegt, dass Richterinnen und Richter immer über einen ganz konkreten Einzelfall urteilen. Ein anderer Fall kann andere Umstände aufweisen und daher auch anders ausgehen.

Keine Rechnung für fiktive Behandlung stellen

Zunächst vorweg: Ärzte dürfen nicht erbrachte Leistungen nicht abrechnen. Wenn der Patient nicht erscheint, darf der Arzt für die fiktive Behandlung keine Rechnung stellen. Die Frage eines Ausfallhonorars stellt sich zudem nicht, wenn der Patient anruft und den Termin im Einvernehmen mit der Arztpraxis verschiebt. Das haben verschiedene Gerichte entschieden (u. a. das Oberlandesgericht Stuttgart, 17.04.2007, Az.1 U 154/06). Daher können Ärzte in puncto Ausfallhonorar in eine schlechte Position geraten, wenn sie Patienten bei deren Terminabsage gleich einen neuen Termin anbieten. Dies könnte als einvernehmliche Terminverschiebung gewertet werden.

Der Behandlungsvertrag allein reicht für die Geltendmachung eines Ausfallhonorars ebenfalls nicht aus. Nicht nur zwischen privat versicherten Patienten und dem Arzt oder der Ärztin wird ein solcher geschlossen, sondern auch zwischen gesetzlich versicherten Patienten und dem Arzt, auch wenn über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet wird. Patienten haben aber ein jederzeitiges Kündigungsrecht. Erscheint der Patient nicht oder sagt den Termin kurzfristig ab, wird dies von einigen Gerichten als konkludente Kündigung gewertet (Amtsgericht Bremen, 09.02.2012, Az. 9 C 0566/11).

Weitgehend Einigkeit besteht aber darüber, dass für die Geltendmachung eines Ausfallhonorars folgende rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

Das Ausfallhonorar muss vorher wirksam vereinbart werden.

Die Zahlung eines Ausfallhonorars muss vorher ausdrücklich vereinbart worden sein. Dabei muss dem Patienten bei der Terminvereinbarung mitgeteilt werden, dass bei Nichterscheinen oder nicht rechtzeitiger Absage ein Ausfallhonorar in bestimmter Höhe fällig werden kann und unter welchen genauen Voraussetzungen (z. B. Absage mindestens 24 Stunden vorher per Anruf zu den Sprechstundenzeiten). Für den Patienten muss erkennbar ein fixer Zeitslot reserviert werden und es muss klargestellt sein, welche Untersuchungen oder Behandlungen in dieser Zeit durchgeführt werden sollen. Aus Gründen der Beweisbarkeit ist es ratsam, darüber eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Bei einer reinen Bestellpraxis kann ein Ausfallhonorar auch über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) erfolgen (Amtsgericht Bielefeld, 10.02.2017, Az. 411 C 3/17). Diese müssen aber wirksam in den Vertrag einbezogen werden, etwa durch deutlichen Aushang in den Praxisräumen, und die AGB müssen wirksam sein.

Die Praxis muss als Bestellpraxis geführt werden.

Das bedeutet, dass für alle Patienten ein fester und exklusiver Termin vereinbart wird. Andere Patienten werden zu diesem Termin nicht einbestellt. Die Praxis hält also Kapazitäten nur für diesen Patienten frei. Werden mehrere Patienten gleichzeitig einbestellt oder behandelt, liegt dagegen keine reine Bestellpraxis vor. Ebenfalls nicht um eine Bestellpraxis handelt es sich, wenn gar keine Termine vergeben werden und der Arzt die Patienten nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens behandelt. Ob es sich tatsächlich um eine Bestellpraxis handelt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab.

Gerichtlich nicht geklärt ist die Frage der Bestellpraxis, wenn ein Hausarzt beispielsweise den Freitagvormittag immer für Vorsorgeuntersuchungen vorhält und in dieser Zeit kein normaler Sprechstundenbetrieb stattfindet. Diese Praxisorganisation ist nicht unüblich. Denn Vorsorgetermine und Checkups erfordern mehr Zeit und eine gute Planung. Wer seine Praxis so organisiert und den Patienten darauf hinweist, dass der Termin extra für ihn reserviert wurde und in dieser Zeit auch keine anderen Patienten bestellt werden, hat zumindest gute Argumente an der Hand. Das trifft auch auf Kinderarztpraxen zu, die oft feste Vormittage in der Woche für zeitintensive Vorsorgeuntersuchungen reserviert haben und in dieser Zeit keine kleinen Akutpatienten behandeln. Dass sie nach einem Bestellsystem behandeln, können Ärzte bereits auf dem Praxisanrufbeantworter deutlich machen.

Das sollten Sie beim Ausfallhonorar beachten
☐ Kein Honorar für nicht erbrachte Leistungen in Rechnung stellen!

☐ Kein Ausfallhonorar geltend machen, wenn der Arzttermin im Einvernehmen verschoben wurde!

☐ Das Ausfallhonorar muss vorher wirksam mit dem Patienten vereinbart worden sein.

☐ Die eigene Praxis muss als sogenannte Bestellpraxis geführt werden.

☐ Kein Ausfallhonorar für nicht rechtzeitig abgesagte Termine in Rechnung stellen, wenn der Patient ohne eigenes Verschulden an der Wahrnehmung des Termins gehindert war, z. B. aufgrund von akuter Krankheit.

☐ Arzt oder Ärztin muss einen nachweislichen Verdienstausfall erlitten haben.