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Recht

Eine gesetzlich geregelte Hilfe zur Selbsttötung wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe fanden Anfang Juli 2023 im Bundestag keine Mehrheit. Vor drei Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil entschieden, dass das damalige Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verfassungswidrig sei. Jeder Mensch habe das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Das Recht, sich selbst zu töten, umfasse auch die Freiheit, sich dafür Hilfe bei Dritten zu holen, so die Verfassungsrichter.

Zwei fraktionsübergreifende Vorschläge standen nun Anfang Juli zur Abstimmung: Der Entwurf um den Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) sah ein grundsätzliches Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe vor, die jedoch unter bestimmten Voraussetzungen als nicht rechtswidrig eingestuft werden sollte – also ein grundsätzliches Verbot mit Ausnahme. Die Person, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, sollte volljährig sein, sich mindestens zweimal von einem Psychiater untersuchen lassen, ein Beratungsgespräch absolvieren sowie eine Wartezeit verstreichen lassen. Verstöße sollten künftig mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden können.

Einigkeit wenigstens darin: Suizidprävention soll gestärkt werden

Der Entwurf um die Abgeordneten Renate Künast (Die Grünen) und Katrin Helling-Plahr (FDP) sah dagegen vor, Suizidhilfe grundsätzlich zu erlauben, allerdings ebenfalls unter engen Voraussetzungen. So sollte ein Netz bundesweiter Beratungsstellen geschaffen werden, bei denen sich Betroffene beraten lassen müssen. Im Notfall sollten auch zwei Ärzte entscheiden dürfen. Ein psychiatrisches Gutachten war nicht vorgesehen.

Gestritten wurde in den letzten Wochen vor allem um die Frage, welchen Stellenwert Angebote zur freiverantwortlichen Selbsttötung gegenüber der Suizidprävention haben sollten. Immer wieder wurde betont, man dürfe nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun, erst müsse die Suizidprävention gestärkt werden.

Glücklich sein kann mit diesem Ausgang niemand so recht. Eine klare gesetzliche Regelung hätte Rechtssicherheit auch für alle Ärztinnen und Ärzte gebracht. Nach der Sommerpause soll zwar ein neuer Anlauf für eine gesetzliche Regelung genommen werden. Doch bis zu einer Neuregelung – falls sie überhaupt kommt – müssen alle Beteiligten mit der geltenden Rechtslage leben.

Nach dieser ist Hilfe zum Suizid grundsätzlich erlaubt, sowohl strafrechtlich als auch berufsrechtlich. Sie ist aber an die Voraussetzung geknüpft, dass der Patient oder die Patientin eine freiverantwortliche Entscheidung trifft. Das muss von Ärztinnen und Ärzten sorgfältig überprüft und dokumentiert werden.

Strafrechtliches Risiko einer Anklage besteht für Ärzte weiter

Die rechtliche Unsicherheit besteht für Ärztinnen und Ärzte darin, dass sie sich möglicherweise strafrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt sehen, die zu einer Anklage führen. Dann müsste erst in einem Strafprozess geklärt werden, ob es sich bei der gewährten Suizidhilfe um ein straffreies Verhalten des Arztes gehandelt hat. Denn für Ärztinnen und Ärzte gibt es keinen klaren Rechtsrahmen für die Bereitstellung eines todbringenden Medikaments. Das kann im Einzelfall mit enormen mentalen Belastungen verbunden sein. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach nach der Ablehnung der beiden Gesetzentwürfe von einer gewissen Rechtsunsicherheit. Auch er geht davon aus, dass offene Fragen im Zusammenhang mit der Sterbehilfe mangels gesetzlicher Vorgaben von Gerichten geklärt werden müssten.

Das sollten Ärztinnen und Ärzte wissen
Bei der diskutierten Suizidhilfe handelt es sich juristisch um Beihilfe zur Selbsttötung. In Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe ist hier zentral, dass der Patient oder die Patientin das Mittel zur Selbsttötung selbst einnimmt. Die Beihilfe hierzu ist nicht verboten. Aktive Sterbehilfe ist dagegen in Deutschland nicht erlaubt. Bei dieser verabreicht jemand anders dem Sterbewilligen ein tödlich wirkendes Mittel.