Arbeitsunfälle: Wenn der Chef in den Pool einlädt
Ina ReinschBei Unfällen, die sich nicht direkt am Arbeitsplatz ereignen, gibt es oft Streit mit der Berufsgenossenschaft: Sind sie als Arbeitsunfall versichert oder doch Privatsache? Drei Fälle – vom Firmenlauf bis zum Sprung in den Pool des Chefs – zeigen, dass es dabei auf die Details ankommt.
Praxisinhaberinnen und -inhaber möchten, dass ihre Mitarbeiter bei allen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Arbeit gut versichert sind. Verletzt sich ein Mitarbeiter, kommt die Versicherung jedoch oft mit dem Argument, die entsprechende Tätigkeit sei privat veranlasst gewesen. Streit ist programmiert.
Diese Erfahrung machten auch eine Mitarbeiterin und ihr Chef. Die Mitarbeiterin hatte mit Kollegen an einem Firmenlauf teilgenommen – organisiert von einem Berliner Sportverein. Teilnehmen konnten Beschäftigte zahlreicher Unternehmen, aber auch Freizeitteams. Die Mitarbeiterin stürzte und brach sich das rechte Handgelenk. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte eine Kostenübernahme ab. Das Landessozialgericht (SG) Berlin-Brandenburg gab der Unfallkasse recht (21.03.2023, Az. L 3 U 66/21). Es habe sich nicht um Betriebssport gehandelt, denn es fehlten eine gewisse Regelmäßigkeit und das Ziel gesundheitlichen Ausgleichs. Auch eine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung habe nicht vorgelegen. Denn der Firmenlauf habe vielen Unternehmen und Einzelteilnehmern offen gestanden. Außerdem habe nur ein Teil der Mitarbeiter der Firma mitgemacht. Daher sei der Firmenlauf nicht geeignet gewesen, den betrieblichen Zusammenhalt zu fördern, und damit keine Betriebsveranstaltung.
Manche Tätigkeiten werden als privat eingestuft
Ganz anders entschied dagegen das SG München beim Sprung in den Pool des Chefs (02.05.2023, Az. S 9 U 276/21). Ihn bewertete das Gericht im speziellen Fall als Arbeitsunfall. Mitarbeiter eines Handwerksbetriebs hatten sich bei hochsommerlichen Temperaturen auf Anweisung des Arbeitgebers in dessen Pool erfrischt, um dann mit neuer Energie weiterzuarbeiten. Ein Mitarbeiter verletzte sich. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Betriebsunfall ab, da der Sprung in den Pool privat veranlasst gewesen sei.
Das Gericht sprang nun dem Mitarbeiter bei. Zwar seien private Verrichtungen wie Essen, Trinken, Rauchen und Baden grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Das Bad im Pool des Chefs stehe hier jedoch ausnahmsweise in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die versicherte Arbeit sollte nämlich anschließend fortgesetzt werden und die Abkühlung diente der Wiederherstellung der Arbeitskraft.
Anders ging dagegen ein Fall aus, in dem ein Mitarbeiter seinen Firmenparkplatz von einem anderen Autofahrer belegt fand. Es kam zu einem Wortwechsel. Der andere bezeichnete den Mitarbeiter als „egoistisches Arschloch“ und streckte ihn nieder. Auch hier blockierte die Berufsgenossenschaft die Anerkennung als Arbeitsunfall – zu Recht, wie das SG Berlin fand (16.02.2023, Az. S 98 U 50/21 ). Zwar habe sich der Mitarbeiter auf einem an sich versicherten Betriebsweg befunden. Er habe diesen jedoch verlassen, als er nach der Beleidigung ausstieg, um die Angelegenheit auszudiskutieren. Darin liege eine Zäsur. Ab diesem Moment habe er private Zwecke verfolgt.
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