Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Wegen der raschen Ausbreitung der Delta-Variante haben einige Konzerne in den USA, darunter Facebook und Google, beschlossen, nur noch geimpfte Mitarbeiter ins Büro zu lassen. In Frankreich wurde gar eine Impfpflicht für medizinisches Personal eingeführt. Vor diesem Hintergrund werden auch hierzulande Fragen zum Umgang mit ungeimpften Arbeitnehmern immer relevanter. Eine allgemeine Impfpflicht gibt es bisher nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Handlungsoptionen.

Muss sich Personal auf Anweisung des Chefs gegen das Corona-Virus impfen lassen?

Die Impfung ist grundsätzlich freiwillig – zumindest, solange es in Deutschland keine allgemeine oder berufsbezogene Impfpflicht gibt. Wenn sich ein Arbeitnehmer nicht impfen lassen möchte, kann der Arbeitgeber das arbeitsrechtlich nicht beanstanden. Sein Direktionsrecht bildet im Regelfall keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine entsprechende Anordnung. Allerdings kann eine Weigerung in manchen Fällen dazu führen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbringen kann.

Das kann beispielsweise im medizinisch-pflegerischen Bereich wie im Krankenhaus oder einer Arztpraxis der Fall sein, wenn Kontakt zu besonders gefährdeten Personengruppen besteht und eine Impfung das Ansteckungsrisiko nachweislich minimiert. Und natürlich auch, wenn eine Impfpflicht für die Berufsgruppe verhängt wurde. So könnte es zu einer mittelbaren Impfpflicht kommen, also einer Impfpflicht per Weisungsrecht. Dafür spricht, dass Arztpraxen auch eine besondere Schutzpflicht gegenüber ihren Patienten haben. Wer sich für einen medizinischen Beruf entschieden hat, hat besondere Verhaltenspflichten.

Allerdings stellt die Impfung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Die Rechtsfrage ist derzeit heftig umstritten und wird von Juristen unterschiedlich beantwortet. Letztlich müssen im Laufe der Zeit die Gerichte darüber entscheiden. Das wird vermutlich mehrere Jahre dauern.

Hat eine ungeimpfte MFA im Falle einer Corona-Infektion einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Ja. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt nur selten, etwa dann, wenn den Mitarbeiter an der Erkrankung ein Verschulden trifft. Das, sagen Juristen, ist aber nur bei einem „gröblichen Verstoß“ gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten der Fall. Wer beispielweise betrunken Auto fährt und sich bei einem Unfall verletzt, kann seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung verlieren. Allein der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer nicht gegen das Corona-Virus impfen lassen will, dürfte aber nicht ausreichen.

Muss eine MFA darüber Auskunft geben, ob sie geimpft ist?

Eigentlich dürfen Arbeitgeber nicht nach einer Corona-Schutzimpfung fragen. Da medizinisches Personal aber wegen seines Kontakts zu kranken und gefährdeten Menschen eine Sonderstellung unter den Arbeitnehmern einnimmt, ist die Frage bislang nicht ganz eindeutig zu beantworten (Stand 31.08.2021). Wenn der Arbeitgeber aus rechtlichen Gründen gehalten sein sollte, für bestimmte Tätigkeiten nur geimpfte Mitarbeiter einzusetzen, dann muss eine MFA eine entsprechende Frage des Chefs wohl wahrheitsgemäß beantworten. Ansonsten droht eine unbezahlte Freistellung, im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung. Ob aus rechtlicher Sicht ein legitimes Interesse des Praxischefs daran besteht, den Impfstatus zu kennen, darüber kann man im Einzelfall streiten. Einige Juristen bejahen eine Auskunftspflicht auch mit dem Argument, dass der Arbeitgeber ja prüfen müsse, welche Corona-Schutzmaßnahmen ergreifen muss. Besteht eine Impfpflicht, muss der Arbeitnehmer die Auskunft erteilen.

Darf der Arbeitgeber finanzielle Anreize dafür setzen, dass sich die Mitarbeiter impfen lassen?

Ja. Er kann zum Beispiel einen Impf-Bonus für all diejenigen Mitarbeiter zahlen, die sich impfen lassen. Der Bonus sollte aber nicht zu hoch ausfallen, um nicht unzulässigen Druck auf die Arbeitnehmer auszuüben. Der Chef muss dabei auch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.

Darf der Praxisinhaber „Impfdruck“ ausüben?

Zum Impfen zwingen darf er nicht. Gibt es eine Impfpflicht für medizinisches Personal, kann er die entsprechenden Nachweise einfordern. Fehlt der Nachweis, muss der Praxisinhaber das Gesundheitsamt benachrichtigen und die personenbezogenen Daten übermitteln. Diese Meldepflicht gilt auch, wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises hat. Update: Ab dem 16.3.2022 dürfen Personen ohne Nachweis in der Arztpraxis nicht mehr beschäftigt werden. Im Einzelfall kann dies auch die Kündigung zur Folge haben.

Kann der Arbeitgeber die Einstellung eines Mitarbeiters davon abhängig machen, dass er geimpft ist?

Solange es keine Impfpflicht für medizinisches Personal gibt, ist das eine schwierige und rechtliche nicht geklärte Frage. Im medizinischen Bereich spricht dafür, dass Mitarbeiter, die nicht geimpft sind, Patienten gefährden könnten. Das kann in einer hämato-onkologischen Praxis oder einer Dialysepraxis wesentlich gefährlicher sein als etwa in einer Allgemeinarztpraxis oder beim Orthopäden. Ist das Infektionsrisiko für die Patienten nicht zu tolerieren, könnte man den Impfschutz als Einstellungsvoraussetzung anerkennen. Besteht eine Impfpflicht, darf der Impfstatus als Einstellungsvoraussetzung herangezogen werden.

Welche Maßnahmen darf der Chef gegenüber nicht geimpften MFA ergreifen?

Solange keine Impfpflicht besteht, darf der Arbeitgeber eine fehlende Impfung grundsätzlich auch nicht sanktionieren. Auch hier nimmt medizinisches Personal in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern oder Arztpraxen aber wieder eine Sonderstellung ein. Arbeitgeber sind hier verpflichtet, alle medizinisch notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Patienten nicht zu gefährden. Dazu zählt unter Umständen auch die Beschäftigung von geimpftem Praxispersonal. Der Patientenschutz kann es also notwendig machen, dass Nichtgeimpfte in bestimmten Bereichen nicht mehr arbeiten können. Eine Weigerung, sich impfen zu lassen, kann dann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie einer Abmahnung oder Kündigung führen, wenn die MFA nicht an anderer Stelle eingesetzt werden kann.

Update: für Personen, die z. B. in Arztpraxen und Zahnarztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeheimen und bei Heilpraktikern tätig sind, gilt: müssen ihrem Arbeitgeber bis zum 15.3.2022 ein ärztliches Zeugnis vorlegen, dass sie

  • geimpft sind
  • genesen sind
  • wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können

Wer nach dem 16. März gegen die Nachweispflicht verstößt, riskiert eine Geldbuße von bis zu 2.500 Euro. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber können bestraft werden. Fehlt der Nachweis, wird der Mitarbeiter beim Gesundheitsamt gemeldet und muss auch mit arbeitsrechtlichen Sanktionen rechnen.

Corona-Impfpflicht – ja oder nein?
52 % der Deutschen sind für eine Corona-Impfpflicht, 43 % sprechen sich dagegen aus. 26% halten ein Anreizsystem für geeignet, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. 66% sind dagegen.
Quelle: Civey-Umfrage für den SPIEGEL 2021