Dürfen MFA und angestellte Ärzte Resturlaub mit ins neue Jahr nehmen?
Ina ReinschManche Mitarbeitende in der Arztpraxis haben am Jahresende noch Urlaubstage übrig. Praxischefs sehen das nicht gern. Was Sie über die Übertragung von Urlaub ins nächste Jahr wissen sollten und wie Sie rechtssicher gegensteuern können.
Jeder Mitarbeitende einer Arztpraxis hat pro Jahr eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen. Diese richtet sich entweder nach dem Bundesurlaubsgesetz, dem Tarifvertrag oder – was meistens der Fall ist – nach dem Arbeitsvertrag. Doch immer wieder ist am Ende des Jahres noch Urlaub übrig.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche MFA oder angestellte Ärzte gehen einfach sparsam mit ihrem Urlaub um, andere waren länger krank oder konnten wegen einer dünnen Personaldecke nicht frei nehmen. Schon im September weisen zahlreiche Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden auf den Resturlaub hin. Doch in der grauen Jahreszeit wollen viele Praxismitarbeiter keinen Urlaub nehmen und mit dem Start der Husten- und Schnupfen-Saison geht es in den Praxen ohnehin rund. Was tun?
Das sagt das Bundesurlaubsgesetz
Laut Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) müssen Beschäftigte ihren Jahresurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr nehmen (§ 7 Abs. 3 BUrlG), ansonsten verfällt er zum 31. Dezember. Der Grund dafür liegt im Sinn und Zweck des Urlaubs: Er soll der Regeneration und dem Erhalt der Arbeitskraft dienen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Übertragung der freien Tage in das darauffolgende Jahr zulässig. Und zwar dann, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.
Solche persönlichen Gründe sind beispielsweise:
- eine Erkrankung des Arbeitnehmers mit Arbeitsunfähigkeit
- die Pflege eines nahen Angehörigen
Die persönlichen Gründe müssen solange vorliegen, dass auch ein Urlaub zum Ende des Jahres nicht mehr möglich ist. Zu den dringenden betrieblichen Gründen in Arztpraxen zählen etwa:
- Vertretung erkrankter Mitarbeiter
- hohes Patientenaufkommen in der Grippesaison
- Einarbeitung neuer Kollegen
- Urlaub anderer Mitarbeitender
- bevorstehende Inbetriebnahme neuer Systeme
Unterscheidung zwischen Mindesturlaub und vertraglichem Urlaub
Wenn tatsächlich ein Übertragungsgrund vorliegt, verschiebt sich die zeitliche Grenze des Urlaubsanspruchs automatisch vom 31. Dezember eines Jahres auf den 31. März des Folgejahres. Ein Antrag der Mitarbeitenden und eine Genehmigung durch den Praxisinhaber sind dann nicht nötig.
Urlaub, der bis zum Jahresende oder bei möglicher Übertragung bis zum 31. März des darauffolgenden Jahres nicht genommen wird, verfällt nach dem BUrlG ersatzlos. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch von Mitarbeitenden kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nämlich nur noch unter sehr strengen Voraussetzungen verfallen. Der Arbeitgeber muss also zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem darüber hinausgehenden Urlaub unterscheiden. Für vertraglich gewährte Urlaubsansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, können abweichende Regelungen vereinbart werden. Geschieht das nicht, gelten auch hier die gesetzlichen Regelungen.
Welche Informationspflichten hat der Arbeitgeber?
Damit der Urlaub verfällt, muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass er seinen Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Konkret bedeutet das: Praxisinhaberinnen und -inhaber müssen ihre Mitarbeitenden rechtzeitig schriftlich darauf hinweisen, dass sie ihren Urlaub bis zum 31. Dezember oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des Folgejahres in vollem Umfang nehmen müssen und er ansonsten mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Die Beweislast für diese Information der Arbeitnehmer trägt der Arbeitgeber. Ohne einen Hinweis des Arbeitgebers kann der Urlaubsanspruch auch nicht mehr ohne weiteres verjähren. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Urlaubsanspruch beginnt erst mit einem ordnungsgemäßen Hinweis.
Was gilt bei Krankheit?
Probleme mit der Übertragung von Urlaub ergeben sich auch immer dann, wenn Mitarbeitende lange Zeit erkrankt sind. Nach dem BUrlG bleibt ihr Anspruch auf Urlaub grundsätzlich bestehen, wenn sie ihren Urlaub aufgrund von Krankheit nicht nehmen können. Mitarbeitende, die aufgrund einer schweren Erkrankung jahrelang ausfallen, würden so einen immensen Berg an Urlaubstagen vor sich herschieben, den der Arbeitgeber bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eventuell sogar noch ausbezahlen müsste. EuGH und BAG haben daher eine Grenze festgelegt.
Der gesetzliche Urlaubsanspruch verfällt spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs. Allerdings gilt auch hier, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auf den drohenden Verfall seiner Urlaubsansprüche hinweisen muss.
Eine Ausnahme für den Urlaubsverfall besteht aber für Arbeitnehmer im Mutterschutz oder in der Elternzeit: Ihr bereits vor dem Mutterschutz und der Elternzeit bestehender Urlaub verfällt nicht und kann nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz nachgeholt werden. Das BAG hat auch schon über die Frage entschieden, ob aus einem befristeten Arbeitsverhältnis ein unbefristetes wird, wenn ein Mitarbeiter über das Befristungsende hinaus noch Resturlaub nimmt.