Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht
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Stellen Sie sich vor, in Ihrem Team kriselt es. Schuld soll eine Kollegin sein. Zunächst ignorieren Sie den Zwist, dann versuchen Sie zu vermitteln. Doch die Fronten verhärten sich. Schließlich eskaliert die Situation. Mehrere Mitarbeiter drohen mit Kündigung, sollten Sie die betreffende Person nicht entlassen.

So ähnlich passierte es in einem Labor in Bayern. Über die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatte bei einer Befragung angegeben, mit einer Mitarbeiterin nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen. Auch eine Mediation hatten sie abgelehnt. Ein Teil der Mitarbeitenden gab sogar an, sich nach einem anderen Arbeitsplatz umzusehen, sollte die Mitarbeiterin nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren. Der Arbeitgeber kündigte.

Was versteht man unter einer Druckkündigung?

Juristisch spricht man hier von einer sogenannten Druckkündigung. Darunter versteht man eine Kündigung auf Verlangen Dritter, ohne dass es hierfür einen arbeitsrechtlich relevanten Grund gibt. Dem Arbeitgeber werden Nachteile angedroht, sollte er sich nicht von dem betreffenden Mitarbeiter trennen. Ein solcher Druck muss bei einer Arztpraxis nicht unbedingt aus dem eigenen Team kommen. Auch Patienten oder die Öffentlichkeit könnten Druck ausüben und zum Beispiel mit Rufschädigung drohen.

Ist eine Druckkündigung rechtlich haltbar?

Die Hürden für die Zulässigkeit einer Druckkündigung sind jedoch hoch, zumindest dann, wenn die Praxis regelmäßig mehr als zehn Mitarbeitende beschäftigt und das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. In Kleinbetrieben ist eine Kündigung dagegen leichter möglich. Auch wenn sich Praxisinhaberinnen und -inhaber in einer schwierigen Situation befinden, dürfen sie dem Druck nicht ohne weiteres nachgeben. Eine Kündigung der Person muss immer das letzte Mittel sein.

Zunächst verlangt die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht vom Arbeitgeber, dem Mitarbeitenden beizustehen, solange kein echter Kündigungsgrund vorliegt. Das ist vielen Chefs nicht bewusst. Dazu gehört es, Lösungen zu finden und das Team von der Unangemessenheit seiner Forderungen zu überzeugen. Der Arbeitgeber muss dabei auch von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. Auch eine Veränderung von Aufgabengebieten muss der Chef vor der Kündigung prüfen sowie den Beteiligten ein Mediationsverfahren anbieten. Erst wenn alle Bemühungen gescheitert sind und erhebliche Schäden auftreten, also zum Beispiel tatsächlich Mitarbeitende kündigen, kann eine Druckkündigung zulässig sein. Der Arbeitgeber muss seinen wirtschaftlichen Schaden aber konkret beziffern können – meist kann er das aber nicht.

Schutz der Mitarbeiter hat Vorrang vor Kündigung

Im Falle der Labormitarbeiterin war das Landesarbeitsgericht Nürnberg der Meinung, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend genug versucht habe, die Probleme in der Zusammenarbeit mit der Kollegin zu beheben (12.12.2023, Az. 7 Sa 61/23). Dabei hatte er gegenüber der Belegschaft immer wieder erwähnt, dass die betreffende Mitarbeiterin auch Arbeitnehmerin des Unternehmens sei und er auch auf ihre Belange Rücksicht nehmen müsse. Er hatte ihr auch den Wechsel in ein anderes Labor angeboten, der jedoch mit einer deutlich längeren Fahrzeit verbunden gewesen wäre. Sogar der Betriebsrat und das Integrationsamt hatten der Entlassung der schwerbehinderten Mitarbeiterin zugestimmt. Letztlich hatte der Chef aber aus Sicht des Gerichts zu wenig deutlich gemacht, dass kein objektiver Grund für eine Kündigung vorliege. Auch habe er die Belegschaft nicht darum gebeten, wenigstens einen Versuch für eine neuerliche Zusammenarbeit zu unternehmen.

Unechte Druckkündigung

Von einer unechten Druckkündigung spricht man übrigens, wenn der Druck, einem Arbeitnehmer zu kündigen, durch dessen Verhalten objektiv gerechtfertigt ist. Der Arbeitgeber kündigt dann nicht wegen des Drucks, sondern weil auch ein objektiver Kündigungsgrund vorliegt, zum Beispiel ein verhaltens- oder personenbedingter Grund. Hier liegen die Hürden nicht so hoch. Wenn Mitarbeiter, die die Kündigung eines Kollegen fordern, neben schierer Antipathie auch handfeste Gründe für ihren Wunsch benennen können, zum Beispiel, dass diese Person die anderen mobbt. Oder wenn er immer wieder Fehler macht, die er andere ausbaden lässt. Oder wenn er sich regelmäßig im Ton vergreift. Dann liegt keine echte Druckkündigung vor.