Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht
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Der schmale Grat zwischen Wahrheit und Wohlwollen

Ob angestellte Ärzte oder MFA: Alle haben beim Ausscheiden aus der Praxis einen Anspruch auf ein „qualifiziertes Arbeitszeugnis“. Dieses muss nicht nur die Personalien und die Dauer der Beschäftigung angeben, sondern auch die Leistungen und das Verhalten bewerten. So verlangt es § 109 Abs. 1 der Gewerbeordnung.

Probleme ergeben sich regelmäßig, weil Gerichte von Arbeitgebern einerseits verlangen, die Zeugnisse wahrheitsgemäß auszustellen. Andererseits sollen die Formulierungen wohlwollend sein, um das berufliche Fortkommen nicht zu erschweren. Praxisinhaber müssen also bei jedem Arbeitszeugnis zwischen diesen beiden Polen jonglieren.

Streit um das Arbeitszeugnis – Wer trägt die Beweislast?

Häufige Auseinandersetzungen entstehen darüber, wann eine Beurteilung als wahrheitsgemäß gilt – insbesondere, wenn ein Arbeitnehmer seine Leistungen besser bewertet als der ehemalige Arbeitgeber.

Gut zu wissen: Vergeben Sie im Arbeitszeugnis mindestens die Gesamtnote drei („zur vollen Zufriedenheit“), hat der ehemalige Mitarbeitende vor Gericht einen schweren Stand. Um eine bessere Bewertung zu erstreiten, muss er oder sie nachweisen, dass diese gerechtfertigt ist (vgl. BAG-Urteil vom 18.11.2014, Az. 9 AZR 584/13).

Grundsätzlich gilt: Bescheinigt der Arbeitgeber eine befriedigende Leistung, muss der Arbeitnehmer belegen, dass eine überdurchschnittliche Bewertung gerechtfertigt wäre. Will der Arbeitgeber hingegen nur eine ausreichende oder schlechtere Bewertung ausstellen, liegt die Beweislast bei ihm.

Was darf (nicht) ins Zeugnis? Die Tücken der Formulierungen

Auch die wohlwollende Formulierung kann zum Streitpunkt werden. Selbst positiv klingende Aussagen können negative Untertöne haben. Beispiel: Betont eine Praxisleitung im Zeugnis den „sicheren Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen“ bei einer MFA, kann dies unterschwellig als Mindestanforderung verstanden werden – anstatt als herausragende Kompetenz (vgl. LAG Köln, Urteil vom 26.01.2011, Az. 9 Ta 325/10).

Abschlussklauseln im Zeugnis – Pflicht oder freiwillig?

Arbeitnehmer haben keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass ihr Arbeitgeber ihnen am Zeugnisende für die Zusammenarbeit dankt oder gute Wünsche für die Zukunft ausspricht. Solche Abschlussklauseln sind zwar verbreitet, können aber nicht eingeklagt werden. Dies bestätigte das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil (Urteil vom 11.12.2012, BAG, Az. 9 AZR 227/11).

Für den Streitfall gewappnet – Beweise und Dokumentation

Arztpraxen, die regelmäßig Mitarbeitergespräche dokumentieren, können im Streitfall auf Protokolle zurückgreifen. Fehlen solche Nachweise, wird es sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer schwer, eine Bewertung gerichtlich zu untermauern. Auch E-Mails, Protokolle von Teammeetings oder Projektpläne können als Beweise dienen (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.07.2024, Az. 5 Sa 108/23).

Sicherheitsmaßnahmen für Arbeitgeber: Was tun bei Streitigkeiten?

Um spätere Konflikte zu vermeiden, sollten Praxisinhaber einige Punkte beachten:

  • Regelmäßige Mitarbeitergespräche führen und dokumentieren

  • Leistungserwartungen klar formulieren und schriftlich festhalten

  • Zeugnisformulierungen standardisieren, um Missverständnisse zu vermeiden

  • Rechtliche Beratung einholen, bevor ein kritisches Zeugnis ausgestellt wird