Wie Ärzte auf Social Media erfolgreich sein können
Ina ReinschKrankheiten erklären, Patientenkontakte pflegen, Einblick in die eigene Arbeit geben – immer mehr Ärztinnen und Ärzte präsentieren sich auf Instagram, YouTube oder TikTok. ARZT & WIRTSCHAFT hat mit dem Arzt und Social-Media-Experten Dr. Konstantin Wagner über sein Engagement in den sozialen Medien, die Bedeutung von Humor und das Geheimnis seines Erfolgs gesprochen.
Herr Dr. Wagner, Sie sind niedergelassener Gynäkologe in Kassel und Bestsellerautor. Ihr YouTube-Kanal ist ein Riesenerfolg und auf Instagram folgen Ihnen rund 370.000 Menschen. Waren Sie selbst überrascht, wie gut es läuft?
Ja, absolut. Das ist ja ein nischiges Thema, die Gynäkologie, und als ich das vor sieben Jahren begonnen habe, hab ich sicher nicht gedacht, dass so viele Menschen mir folgen und hören wollen, was ich da erzähle. Das war nie so geplant und ich bin natürlich ganz happy.
Wie sind Sie dazu gekommen, auf Social Media aktiv zu werden?
Das Motiv war dasselbe, wie es heute noch ist. Damals war ich noch Assistenzarzt in einer relativ großen Klinik in Kassel. Da hat mich schon immer ein Faktor genervt – das war die mangelnde Zeit. Ich habe bei Aufklärungsgesprächen, im Alltag in der Klinik oder bei anderen Dingen oft gemerkt, dass da noch große Fragezeichen über den Köpfen der Patientinnen schwebten. Ich hatte aber überhaupt nicht die Möglichkeit, näher darauf einzugehen, weil einfach die Zeit fehlte, genauso, wie es jetzt oft in der Praxis noch ist. Da kam ich auf die Idee, die sozialen Medien zu nutzen, um diese Sachverhalte in Ruhe und in verständlichen Worten zu erklären. Es geht um Infotainment, also darum, die Inhalte so zu gestalten, dass viele Menschen von diesem Wissen profitieren.
Wenn Ärztinnen und Ärzte neu mit Social Media starten wollen – worauf sollten sie Ihrer Meinung nach achten und wie sollten sie es angehen?
Es gibt bei den sozialen Medien verschiedenste Plattformen, von Instagram und Facebook über YouTube bis hin zu TikTok. Man muss sich erst einmal überlegen, welche man bespielen möchte. Bei mir war der Fokus auf Bewegtbild. Ich habe mit YouTube gestartet, weil ich es selbst immer angenehmer finde, wenn ich denjenigen sehe, der mir etwas erklärt. Dann kam noch Instagram dazu. Das sind auch die zwei Hauptplattformen, die ich heute noch bespiele. Im Vorfeld muss man sich natürlich überlegen: Was möchte ich eigentlich? Möchte ich für meine Praxis die Werbetrommel rühren? Möchte ich ausschließlich informieren? Oder möchte ich beides kombinieren, was sicherlich für die meisten recht attraktiv ist. Dann muss man sich informieren, wie das technisch alles funktioniert.
Was benötigen Ärztinnen und Ärzte denn als Grundausstattung für Social Media?
Im Grunde nur ein Handy. Es geht natürlich alles auch über den Rechner oder Laptop. Aber das Handy ist sicherlich das, was am einfachsten ist, weil Apps wie Instagram darauf ausgelegt sind, dass man die Inhalte mit dem Handy kreiert. Das funktioniert wirklich sehr intuitiv, das kriegt man hin! Bei YouTube gibt es viele kleine Videos, mit denen man das lernen kann. Außerdem muss man sich überlegen, wie es später mal aussehen soll. Hier macht es durchaus Sinn, sich bei anderen Menschen umzugucken und sich zu fragen, was einen selbst anspricht: Soll es sehr schlicht und professionell aussehen? Soll es verspielt sein? Das Gesamtbild erweckt einen gewissen Eindruck. Darüber sollte man sich im Vorfeld Gedanken machen.
Benötigt man denn eine spezielle Software zum Schneiden?
Das YouTube-Format ist von der Produktion her ein aufwendigeres Format. Das zu schneiden, muss man einfach mögen. Das war bei mir so. Ich hatte schon immer eine Affinität zur Fotografie und zur Videografie und deswegen fiel mir das nicht schwer. Bei Instagram ist von der Fotofunktion bis zur Videofunktion alles in dieser einen Handy-App mit drin.
Wie haben Sie sich Ihr technisches Wissen für diese Kanäle angeeignet?
Learning by doing. Ich habe im Studium schon angefangen, OP mitzufilmen und das Material zusammenzuschneiden. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass der Weg sehr weit ist, wenn man überhaupt keine Affinität dazu hat. Dann muss man überlegen: Hole ich mir eine Agentur mit ins Boot? Da kann ich einfach sagen, wie es aussehen soll und was ich gerne hätte, und ich steuere das Inhaltliche bei, aber der Rest wird für mich gemacht. Das ist natürlich eine Kostenfrage.
Ihre YouTube-Videos sind schon mal 20 Minuten lang, Instagram-Reels 90 Sekunden. Wie viel Zeit sollten Ärztinnen und Ärzte für ihre Social-Media-Aktivitäten pro Woche einplanen, wenn es gut laufen soll?
Das kommt darauf an, was man damit vorhat. Wenn man wirklich sehr, sehr erfolgreich sein möchte, sehr große Reichweiten generieren und viele Leute erreichen möchte, dann muss man diese Kanäle regelmäßig bespielen. Im Hintergrund läuft ja ein Algorithmus. Man kann damit rechnen, dass man drei- bis viermal pro Woche bei Instagram etwas beitragen muss. Es gibt da verschiedene Formate: kleine Videos, Bilder oder Storys. Da muss man recht aktiv sein. Für YouTube mache ich einmal pro Woche etwas, das ist recht wenig. Auf dem Format YouTube werden eher lange Inhalte gezeigt, 20-Minuten-Videos sind da keine Seltenheit. Die Zeit nehme ich mir, denn es ist mir wichtig, dass ich auch schwierige Themen dezidiert erklären kann. Bei Instagram muss man dagegen sehr prägnant Interesse schaffen. Deswegen finde ich die Kombination dieser beiden Plattformen toll: Ich kann auf Instagram Interesse wecken für ein Thema und dann auf das längere YouTube-Video verweisen. Das ist mein Prinzip und das kommt, glaube ich, auch ganz gut an.
Wie gewinnt man denn auf diesen Plattformen als Arzt oder Ärztin Follower und damit Sichtbarkeit?
Es ist ein bisschen wie im echten Leben – viel Mundpropaganda, das heißt, man wird weiterempfohlen. Wenn man überlegt: Vor 30 oder 40 Jahren musste beim Bäcker ein Gespräch stattfinden, in dem man einen Arzt oder eine Ärztin weiterempfohlen hat. Heutzutage teilt man schnell einen Link oder einen Beitrag. Das ist so eine Art Schneeballeffekt. Wenn die Inhalte ansprechend und seriös sind, dann spricht sich das herum. Aber man kann natürlich auch über Kooperationen reden, sodass sich Kollegen oder Kolleginnen gegenseitig empfehlen. Wenn der andere schon sehr erfolgreich ist, kann das wie ein Booster wirken. Auf lange Strecke muss aber der Kanal für sich sprechen. Ein wichtiger Lernschritt ist zu erkennen: Die Leute folgen nicht irgendwelchen geschriebenen Inhalten, sondern am liebsten Menschen. Und dazu gehört nun leider auch einmal, dass man sein Gesicht in die Kamera hält. Es ist das, was die Leute wollen. Die haben gerne ein Gesicht hinter den Informationen. Erfahrungsgemäß sind Kanäle, die inhaltlich toll sind, aber ihre Beiträge nur als Text gestalten, nicht ganz so erfolgreich.
Was sollte man Ihrer Meinung nach auf gar keinen Fall auf Social Media tun?
Daten von Patienten weitergeben. Man muss da wirklich vorsichtig sein, wenn man ein Ultraschallbild oder etwas ähnliches in die Kamera hält, dass da nicht doch irgendwo das Geburtsdatum oder andere Daten von der Patientin zu sehen sind. Da gucke ich wirklich 20-mal drauf. Ich bin Arzt und wir müssen den Datenschutz und die Vertraulichkeit beachten. Wir haben außerdem ein Berufsrecht. Wir können die Leute auch nicht individuell beraten, sondern man kann immer nur allgemeine Informationen weitergeben. Diese Dinge sollten eigentlich selbstverständlich sein. Die Bundesärztekammer hat da einen schönen Leitfaden aufgestellt, den man herunterladen kann. Da werden die Basics noch einmal erklärt. Wer unsicher ist, kann da schnell mal reinlesen.
Nicht alle Kommentare auf Social Media sind immer nett. Wie gehen Sie mit negativen Kommentaren um?
Es ist ein Phänomen, dass die Leute zu 99 Prozent respektieren und wertschätzen, was ich da mache. Ich habe – und das ist ehrlich gemeint – ganz, ganz wenig negatives Feedback. Es gibt immer mal Einzelfälle, die mit irgendetwas nicht einverstanden sind. Aber mit sogenannten Shitstorms hatte ich noch nicht zu tun. Ich kenne einige, die damit quasi wöchentlich kämpfen. Das ist sehr belastend und die Kehrseite der Medaille. Die Anonymität des Internets lässt freien Lauf für Hass und für Neid. Gott sie dank bin ich da verschont. Das zeigt mir aber auch, dass ich den richtigen Mittelweg finde. Meine Hauptmission ist es, die Leute aufzuschlauen. Dass ich mir neben meinem Beruf und der Familie und allem, was dazu gehört, die Zeit nehme, solche Inhalte zu kreieren, das wissen die Leute nach ein paar Jahren schon wertzuschätzen.
Sie behandeln in Ihren Videos als Gynäkologe natürlich viele frauenspezifische Themen – oft auf eine sehr humorvolle Weise. Wie viel Humor darf sein?
(Lacht) Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr humorvoller Mensch bin. Ich habe festgestellt, dass wir mehr Menschen erreichen können, wenn wir das Medium mit Humor verweben. Der Humor trägt einfach weiter. Das habe ich mir auch erst vor kurzem auf die Fahne geschrieben. Erst seit etwa einem halben Jahr versuche ich, Inhalte erst einmal humorvoll darzustellen und dann im textlichen das medizinische Hintergrundwissen seriös zu verpacken und dazu noch ein ganz seriöses Video für YouTube zu machen. Ich habe zu 98 Prozent weibliche Follower und ich möchte auch gerne ein paar Männer abholen. Wenn ich aber ganz seriös und monoton von einer weiblichen Erkrankung erzähle, hören die natürlich weniger hin, als wenn da ein lustiger Einstieg kommt. Dann werden sie aufmerksam und lesen sich auch mal den Text durch. So erreiche ich, dass sich auch Männer mit der einen oder anderen Erkrankung einer Frau oder mit Schwangerschaft und Geburt aus-einandersetzen.
Welche Ihrer Social-Media-Beiträge laufen am besten? Die mit viel Humor?
Am allerbesten läuft Privates. Wenn ich hier zu Hause eine Roomtour machen würde, würde das super laufen. Alles, was mit Libido oder sexuellen Erkrankungen zu tun hat, läuft meistens auch gut. Und dann natürlich Humorvolles. Es macht mich aber immer ein bisschen traurig, dass die wirklich guten, seriösen, fachlich tollen Beiträge gar nicht so viel Reichweite generieren. Das hält mich aber nicht davon ab, die weiter zu produzieren, denn es ist mein Anspruch, nicht nur Klamauk zu machen, sondern unterm Strich der seriöse Arzt zu sein, der Informationen vermittelt.
Sie sind sehr aktiv auf Social Media. Wie schalten Sie eigentlich ab?
(Lacht) Die Frage ist eigentlich immer: Woher nehme ich die Zeit dafür? Abschalten tue ich am besten beim Sport und mit den Kindern zu Hause. Ich lege das Handy weg, wenn ich nach Hause komme, das landet im Flugmodus in der Ecke und dann kann man sich ganz darauf konzentrieren, dass das Leben nicht im Handy stattfindet, sondern eben drum herum. Ein Leben nur vorm Bildschirm nach der Praxis ist nichts für mich. Ich brauche meine Familie.
Dr. Konstantin Wagner
Niedergelassener Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Kassel
geboren 1987
Papa von zwei Töchtern
einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden durch den YouTube-Kanal „Richtig schwanger“ (jetzt Gynäko.Logisch) mit 220.000 Abonnenten
seit 2017 auf Instagram unter „gynaeko.logisch“ mit 368.000 Followern sowie auf Facebook
Bücher:
Richtig schwanger, Gräfe und Unzer Autorenverlag, 2021
Expedition nach Genitalien, Familie Weißbescheid, Band 1, Richtig WiSSEN GmbH, 2023
Auf Fruchthöhlen-Forschung, Familie Weißbescheid, Band 2, Richtig WiSSEN GmbH, 2023