So entdecken Sie die Freude an Ihrer Arbeit neu
Melanie HurstDie Arbeitszufriedenheit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sinkt seit Jahren. Die äußeren Einflüsse dafür sind vielfältig und häufig nicht beeinflussbar. Was aber immer bleibt, ist die Möglichkeit, an seiner persönlichen Zufriedenheit mit der Praxistätigkeit zu arbeiten.
So mancher erinnert sich noch: Nach der erfolgreich abgeschlossenen Facharztausbildung war die eigene Arbeitsmotivation hoch. Genauso wie bei dem beherzten Sprung in die Selbständigkeit als man noch vor Elan sprühte. Doch im Laufe der Jahre nutzen sich die Begeisterung und Zufriedenheit ab – Adaptionseffekt nennen es die Psychologen. Monotonie schleicht sich ein, unliebsame Aufgaben wie überbordende Bürokratie, geschäftsschädigende Politikentscheidungen und Probleme mit den Mitarbeitenden vermiesen die Freude an der ärztlichen Arbeit, wegen der man eigentlich den Beruf ergriffen hat.
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) untersuchte die Arbeitszufriedenheit von Praxisinhabern in der vertragsärztlichen Versorgung. In der neusten Analyse zeigt sich: Zum Jahreswechsel 2021/2022 bewerteten etwas mehr als die Hälfte (rund 55 %) ihre Situation als Vertragsarzt als gut bis sehr gut. Das sind deutlich weniger als früher. In 2019 bewerteten insgesamt 70 Prozent der Kolleginnen und Kollegen ihre Situation als positiv, 2020 waren es nur noch 59 Prozent.
Wichtige Determinanten für die Arbeitszufriedenheit sind Region und Fachgruppe
Geht man ins Detail der Analyse, sieht man: Die Arbeitszufriedenheit differiert zudem innerhalb der betrachteten Gruppen. So stellten der Sitz der Praxis und das Fachgebiet weitere signifikante Determinanten der beruflichen Zufriedenheit dar. Vertragsärzte im Osten Deutschlands sowie Internisten, Pneumologen und Psychiater waren zufriedener als der Durchschnitt. Am unzufriedensten äußerten sich übergreifend tätige Praxen (28 %) und Chirurgen (34 %). Auch das Fachgebiet Dermatologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde landeten auf den unteren Rängen. Allgemeinmedizin und Innere Medizin im hausärztlichen Bereich bewegten sich im Mittelfeld.
Weiterhin ergab die Befragung: Eine Stunde mehr wöchentliche Arbeitszeit in der Praxis ließ die Wahrscheinlichkeit sinken, dass der Inhaber mit der vertragsärztlichen Tätigkeit zufrieden ist. Dagegen wirkte sich ein höherer Anteil von Neupatienten positiv auf die Arbeitszufriedenheit der Praxisinhaber aus. Interessant: Die Höhe des Jahresüberschusses beeinflusste die Arbeitszufriedenheit dagegen nur schwach. Aber abgesehen von den äußeren Determinanten – was kann man selbst tun, damit die Freude am Beruf nicht in den Mühlen des Alltags zerrieben wird?
Wertschätzung der eigenen Leistung
Im straffen Praxisalltag haben die wenigsten Zeit, ihre eigene Leistung gebührend zu würdigen. Nehmen Sie sich jetzt einen Moment und lassen Revue passieren: Was haben Sie heute bereits alles geschafft? Schreiben Sie die Tätigkeiten stichpunktartig auf. Sie werden vermutlich staunen, wie viel zusammenkommt und wie vielen Menschen Sie mit Ihrer Behandlung heute schon helfen konnten. Darauf können Sie wahrlich stolz sein.
Ablenkungen reduzieren
Aufmerksamkeit und Konzentration sind wichtig, damit die Arbeit produktiv von der Hand geht. Studien zeigten aber: Menschen verlieren bei der Arbeit 25 Prozent ihrer Zeit durch Ablenkung und lassen sich mehr als zehnmal in der Stunde unterbrechen. Dadurch nehmen negativer Stress und Erschöpfung zu, während die Arbeitszufriedenheit sinkt. Wer also typische Ablenkungen wie ungeplante Anrufe während einer Patientenvorstellung, Unterbrechungen durch MFA, die wegen einer Rezeptunterschrift hereinschauen oder auch seine eigene Neugier auf gerade eingegangene Nachrichten am Handy reduziert, tut seiner inneren Zufriedenheit etwas Gutes.
Persönliche Motivation fördern
Die Job-Characteristic-Theorie aus der Arbeitspsychologie von Richard Hackman und Greg Oldham erläutert, wie Arbeitsaufgaben gestaltet sein sollten, damit sie sich positiv auf die eigene Motivation auswirken. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Abwechslung der Aufgaben. Dazu gehört zum Beispiel die Job-Rotation, bei der in bestimmten Zeitabständen die Arbeitsaufgaben gewechselt werden oder das Job-Enlargement, bei dem die Arbeit mit zusätzlichen Tätigkeiten erweitert wird. Dies können Sie auch für sich selbst anwenden. Bevor Sie den ganzen Samstag damit verbringen, Kassenanfragen abzuarbeiten, verteilen Sie diese enervierende Pflicht auf mehrere Tage und planen dafür zum Beispiel jeden zweiten Tag eine halbe Stunde zu einer bestimmten Uhrzeit ein. Sie können auch Ihren Alltagstrott mit neuen Tätigkeiten aufpeppen – vielleicht mit einem ärztlichen Ehrenamt, einem standespolitschen Engagement oder Fachvorträgen an einer Klinik für interessierte Laien.
Sich für das Glück entscheiden
In der Positiven Psychologie, die sich damit beschäftigt, was das Leben lebenswert macht, finden sich einige Methoden, die das Glücklichsein fördern. So hilft es glücklicher zu sein, wenn man möglichst viel von dem reduziert, was man nicht gerne macht. Ihnen stellen sich schon beim Wort Steuererklärung die Nackenhaare auf? Dann übergeben Sie diese Ihrem Steuerberater. Bürokratische Aufgaben rauben Ihnen den letzten Nerv? Eine Praxismanagerin könnte Sie an dieser Stelle entlasten.
Sie könnten in Zukunft auch auf weitere Glücksfaktoren mehr Wert legen: Treffen Sie sich verstärkt mit Freunden, die Ihnen gut tun und verringern soziale Kontakte mit unangenehmen Zeitgenossen. Gehen Sie rechtzeitig ins Bett, um genügend Schlaf zu bekommen und beobachten, wann Sie bei der Arbeit einen Flow erleben. Klar, dass Sie sich dafür entscheiden sollten, diese Tätigkeit öfters zu machen. Denn Glück ist immer auch eine Frage der Entscheidung. Und wer glücklicher ist, dem fällt es leichter auch die schönen Aspekte seiner Arbeitstätigkeit wahrzunehmen.
ARZT & WIRTSCHAFT-Umfrage: Was sind für Sie die schönen Praxismomente?
Viele meiner Patienten sind für mich wie Familienangehörige
Ich gehe nach 33 Jahren bald in den Ruhestand. Die Patienten geben mir viel zurück in Form von freundlichen Äußerungen und positivem Feedback. Ich lerne auch von ihnen, zum Beispiel von Krebspatienten und ihrer Art mit einer schweren Krankheit umzugehen. Daher empfinde ich mich nicht nur als Geberin, sondern auch als Nehmerin. Viele Patienten sind mir ans Herz gewachsen. Man drückt sich mitunter zur Begrüßung und es fühlt sich an, als wären sie Familienangehörige.
Dipl. med. Marion MesserschmidtHausärztin aus Halle (Saale)
Einmal erhielt ich einen Dankesbrief, der mich sehr gefreut hat
Wenn bei Patienten schwere Krankheiten entdeckt wurden, die ernst waren, es dann gut ausgeht und ich in strahlende Gesichter sehe und die Dankbarkeit spüre – das sind schöne Momente. Besonders war auch, wie ich einem älteren Patienten, der schon länger an offenen Beinen litt, helfen konnte. Bei uns in der Region fehlen Hautärzte, aber ich konnte ihn an ein Krankenhaus vermitteln. Daraufhin erhielt ich einen sehr netten Dankesbrief von der Ehefrau, was mich sehr gefreut hat.
Dipl. med. Gabriele Hosang, Hausärztin aus Seifhennersdorf
Wenn kranke Patienten wieder aufblühen, das ist sehr berührend
Mir fällt ein älterer Patient ein, der seit fünf Jahren unter massivem Schwindel litt. Er hatte sich über Jahre zurückgezogen und das Haus kaum verlassen. Ich konnte dann die Ursache des Schwindels feststellen, es lag an der Halswirbelsäule. Beim Kontrolltermin nach sechs Wochen war dieser Patient ein ganz anderer Mensch. Er ging wieder aus dem Haus, blühte auf. Da kommen einem schon die Tränen.
Dr. med. Carola Käufl, Hausärztin aus Dachau
Melanie Hurst
86899 Landsberg am Lech