Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Praxisbeispiel: Die Ärztin hatte es sich so schön vorgestellt, als sie sich für die Selbstständigkeit entschied. Die Praxis war ein Schmuckstück, die zukünftigen Mitarbeiterinnen waren freundlich, nett und zuvorkommend. Nach den Aussagen des Abgebers funktionierte die Teamarbeit und die Patienten waren zufrieden.

Doch dann das: Sie war sich nicht sicher, ob ihre Mitarbeiterinnen alle am richtigen Platz gemäß ihren Fähigkeiten tätig waren. Die Aufgaben erschienen ihr nicht passend und gleichberechtigt verteilt. Viele Aufgaben blieben an ihr selbst hängen, viel mehr als erwartet. Manches wurde mehrmals, anderes gar nicht erledigt. Auch das Miteinander war nicht ganz so rosig, wie es sich zunächst dargestellt hatte. Die Dynamik im Team war eher schlecht. Jede machte ihres und wenig machten sie zusammen.

Ausgangssituationen für Teamentwicklung

So oder so ähnlich sind die typischen Ausgangssituationen, die für Teamentwicklung sprechen. Ergänzt werden diese Situationen durch fehlende Spielregeln für die Zusammenarbeit, Ziele, Aufgaben, Rollen und Arbeitsabläufe.
Teamentwicklung ist ein Thema, das nicht nur in Unternehmen, sondern auch in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren zunehmend wichtig ist bzw. wird. Teamentwicklung ist ein stetig wiederkehrendes Thema für alle Führungskräfte – auch im Gesundheitswesen.

Die Fähigkeit, Teams zu entwickeln, ist nicht „angeboren“, sondern muss erlernt werden. Die Kernfrage lautet dabei: „Welche Rahmenbedingungen benötigen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit sie möglichst selbstständig Höchstleistungen erbringen und wie können dafür hilfreiche Bedingungen geschaffen werden?“

Was bedeutet Teambildung oder Teamentwicklung?

Als Teambildung oder Teamentwicklung werden die Phasen der Personalentwicklung einer Praxis oder eines MVZ genannt, die den Aufbau von Strukturen in kleinen Gruppen bezeichnet, die Hand in Hand miteinander agieren, um in arbeitsteiliger Verantwortung das Praxisziel zu erreichen.

Teamentwicklung soll die Kooperationsbereitschaft und den Teamgeist fördern, um die Arbeitseffizienz eines Teams zu steigern. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die effiziente Zusammenarbeit innerhalb des Teams gewährleistet ist, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen dem Team und der Praxisleitung. Zudem sollen mögliche Unzufriedenheiten in den Teams beseitigt werden.

Teamentwicklung kann einerseits ein Prozess sein, den Arbeitsgruppen und Teams im Verlauf ihres Bestehens automatisch phasenweise durchlaufen. Zum anderen kann Teamentwicklung auch ein aktiv gesteuerter Prozess zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Praxismitarbeitenden sein.

Was ist eigentlich ein Team?

Ein Team ist zwar auch eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ist ein Team. Teams können von Gruppen anhand folgender Kriterien unterschieden werden:

  • Ein Team ist in der Regel eine Kleingruppe, bei der alle Mitglieder unmittelbar in Kontakt treten.
  • Ein Team wird als eine (relativ) dauerhafte oder zumindest für einen längeren Zeitraum gebildete Arbeitsgruppe definiert.
  • Ein Team ist eine zielorientierte Gemeinschaft.
  • Ein Team ist eine hierarchieübergreifende, kleine funktionsgegliederte Arbeitsgruppe.
  • Ein Team ist durch einen ausgeprägten Teamgeist, und ein relativ starkes Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt.
  • Teams arbeiten kooperativ und kollektiv zusammen.

Wann macht ein Team Sinn?

Teams machen vor allem bei zunehmender Aufgabenkomplexität Sinn, da Informationsverarbeitung, Steuerung und Verantwortung nicht mehr ohne Probleme von einzelnen Mitarbeitenden gehandhabt werden können.

Es macht Sinn darauf zu achten, dass die Teammitglieder möglichst unterschiedliche Qualifikationen besitzen, um sich gegenseitig optimal zu ergänzen: eine Anforderung, die in Einzel- oder Kleinpraxen kaum zu realisieren ist, da diese eher davon ausgehen, dass Jede und Jeder alles können muss.

Die Praxisleitung bzw. die Leitung eines MVZ trägt immer die Verantwortung für die optimale Zusammenstellung der benötigten Ressourcen in einem Team. So müssen die einzelnen Wünsche und Ambitionen der Teammitglieder berücksichtigt werden, um dadurch den Beitrag jedes bzw. jeder Einzelnen erkennen zu können. Teambildung ist nie eine kurzfristige Angelegenheit und bezieht sich auch nicht nur auf einzelne Teammitglieder.

Wie entwickeln sich Teams?

Für die Teamentwicklung gibt es verschiedene Modelle. Das bekannteste und auch weiterentwickelte ist das Modell von Bruce Tuckmann, einem Psychologen aus den USA, der 1965 sein Phasenmodell der Teamentwicklung veröffentlichte. Er beschrieb vier aufeinander folgende Phasen der Teamentwicklung, die als Forming, Storming, Norming und Performing bekannt sind. Später kam dann noch das Adjourning hinzu.

1. Forming: Aus Gruppen werden Teams

„Forming“, die erste Phase der Teambildung, dient der Orientierung und dem Kennenlernen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen, sich gegenseitig hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, Besonderheiten und Interessen einzuschätzen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden bekannt und geben den Teilnehmenden erste Orientierungspunkte für den Auf- und Ausbau ihres Team-Netzwerkes. Sie sehen sich noch nicht als Team.

Diese Phase ist von Unsicherheit geprägt. Deshalb besteht der Job der Leitung vor allem darin, Gemeinsamkeiten herauszustellen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen.

2. Storming: Rollen und individuelle Wünsche vereinen

Nach dem ersten Kennenlernen geht es im „Storming“ darum, Aufgaben, Rollen und Einfluss zu verteilen, wobei die individuellen Interessen in unterschiedlichem Maße berücksichtigt werden.

Unterschiedliche Interessenslagen und unterschiedliche Aufgabenverständnisse werden offensichtlich. Das führt häufig zu Unstimmigkeiten, weshalb diese Phase der Teambildung auch als Konflikt- oder Positionierungsphase bezeichnet wird. Das Praxisteam wird auf die Probe gestellt, die Konflikte konstruktiv zu lösen.

Es muss mit Auseinandersetzungen, Machtkämpfen und Cliquenbildungen gerechnet werden. Die Praxisleitung hat in der „Storming-Phase“ die Aufgabe, Spannungen abzubauen, Konflikte in die richtigen Bahnen zu führen und die Teamentwicklung so zu fördern.

3. Norming: Regeln und Standards finden

Das – nach dem „Storming“ – neu ausgerichtete Praxisteam ist nicht nur ausgeglichener als das ursprüngliche, sondern es ist auch stärker. Die Teammitglieder haben sich bewusst oder unbewusst auf gemeinsame Ziele, Normen und Umgangsweisen geeinigt. Sobald die Rollenverteilung weitestgehend feststeht, legen sich auch die Spannungen. Damit ist die Grundlage für eine gemeinsame Teamidentität geschaffen. Die Kooperation rückt stärker in den Mittelpunkt.
In der „Norming-Phase“ der Teambildung kommen die ersten Vorteile der Teamarbeit zum Tragen. Der Teamleiter bzw. die Teamleiterin unterstützt und fördert die Zusammenarbeit.

4. Performing: Jetzt geht es an die Arbeit

Sobald alle Teammitglieder an einem Strang ziehen und das gemeinsame Ziel vor Augen haben, tritt die Leistungsphase, das „Performing“, ein.

Aus der Gruppe ist ein echtes Team entstanden. Jede bzw. jeder hat ihre bzw. seine Rolle gefunden, kann ihre bzw. seine Fähigkeiten einbringen und die effektive Kooperation funktioniert reibungslos. Die Zusammenarbeit macht Spaß und auch anspruchsvolle Aufgaben werden gemeinsam gemeistert.

Jetzt zeigen die positiven Effekte der Teambildung ihre Wirkung, denn es lassen sich Ergebnisse erreichen, die nur im Team möglich sind. Die Teamleitung sollte in dieser Phase besonderen Wert auf die Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen legen.

5. Adjourning: Abschlüsse richtig meistern

Die Auflösungsphase ist nur für Teams relevant, die nicht dauerhaft zusammenarbeiten. Daher sind Praxen oder Medizinische Versorgungszentren selten in dieser Situation.

Es geht hauptsächlich darum, die Erfahrungen aus der Teamarbeit aufzuarbeiten und zu dokumentieren, um daraus Erkenntnisse für folgende Teamprojekte ableiten zu können.

Was können Führungskräfte für die Teamentwicklung tun?

Wenn Sie verstehen, dass Teambildung eine herausfordernde Aufgabe ist, die Sie meistern wollen, dann helfen folgende Tipps:

  • Teamplayer finden
    Bei der Zusammenstellung eines Teams kommt es darauf an, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuwählen. Nicht jede bzw. jeder eignet sich gleichermaßen für die Teamarbeit.
  • Richtige Teamgröße wählen
    Die Teamgröße muss zum Umfang der Aufgabe passen, sonst drohen Über- bzw. Unterforderung.
  • Kompetenzen fördern
    Fördern Sie bewusst die Kompetenzen der Mitarbeitenden, welche für die Teamarbeit wichtig sind: z. B., indem Sie ihnen entsprechende Aufgaben übertragen.
  • Kommunikation pflegen
    Eine offene, effiziente und unmissverständliche Kommunikation ist bei der Arbeit im Team das A und O. Bekämpfen Sie Defizite deshalb rechtzeitig. Teamsitzungen – passend gemacht – helfen da Wunder.
  • Mitarbeitende motivieren
    Die Mitarbeitermotivation ist generell ein wichtiger Erfolgsfaktor – auch bei der Teamarbeit. Sie wird von mehreren Faktoren beeinflusst.
  • Aufgabenrelevanz verdeutlichen
    Jedes Teammitglied muss die Wichtigkeit seiner bzw. ihrer eigenen Aufgaben und seines bzw. ihres Beitrags zur Erfüllung des Teamziels verstehen.
  • Eigenverantwortung übertragen
    Enge Vorgaben, was die Gestaltung der eigenen Arbeit angeht, wirken auf viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter demotivierend. Legen Sie stattdessen Wert darauf, dass jedes Teammitglied seine Eigenverantwortung wahrnimmt und so ganz von allein einen Teil zur Teambildung beiträgt.
  • Arbeitsumfeld beachten
    Auch ein angenehmes Arbeitsumfeld mit ausreichend Platz und guter Ausstattung trägt zum Erfolg in Sachen Teambuilding bei.
  • Konflikte managen
    Ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden, im Fall eines persönlichen Konflikts, das Gespräch zu suchen und stehen Sie als Ansprechpartner bzw. Vermittlerin zur Verfügung. Beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema Konfliktmanagement.
  • Begeisterung zeigen
    Begeistern Sie Ihr Team, indem Sie regelmäßig kommunizieren, was Sie an der jeweils aktuellen Situation als besonders positiv empfinden.

Dinge, die Ihnen auf keinen Fall helfen

  • ungünstige Zusammenstellung des Teams
  • unklar formulierte Ziele
  • zu wenig Verbindlichkeit
  • mangelndes Vertrauen
  • mangelhafte Diskussionskultur
  • unzureichende Wertschätzung
  • Machtkämpfe
  • ungenügende Führungskompetenz des Teamleiters
  • fehlende Identifikation einzelner Mitarbeiter mit der Teamaufgabe

Teambildung als Erfolgsfaktor für die Praxis

Ob aus Gruppen von arbeitenden Menschen leistungsfähige Teams entstehen, hängt von einer erfolgreichen Teamentwicklung ab. Aufgabe der Praxisleitung ist es, den Teambildungs-Prozess zu steuern, die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen und mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen.

Als ausgebildete systemische Coaches stärken wir im Zuge unserer Praxisberatung Führungskräfte und Praxisteams. Denn eine qualifizierte Menschenführung und Prozesssteuerung sind heute grundlegend, um im Praxisalltag wettbewerbsfähig und erfolgreich zu sein. Teambuilding-Maßnahmen sorgen nicht nur für ein gutes Arbeitsklima, sie wirken sich auch effizienzsteigernd und ressourcenschonend auf die Praxisentwicklung aus. Ein gut funktionierendes Praxisteam senkt Konfliktkosten, Abwesenheits- und Fluktuationsraten und steigert insgesamt die Produktivität der einzelnen Praxismitglieder.

Stephan Kock

Inhaber und Geschäftsführer, Kock + Voeste Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH

info@kockundvoeste.de